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Handbuch des Verwaltungsrechts


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und von Bezirksämtern 1862 in Bayern. Administrativjustiz bezeichnet dagegen das zuerst in Frankreich seit 1790 geltende Prinzip, dass die Verwaltung Anordnungen trifft und auch alle Verstöße gegen sie ahndet, ohne dass irgendein ein Dazwischen-Gehen der Gerichte zulässig ist; sie sollten auf Zivil- und Strafrecht beschränkt sein. Diese Auffassung verbreitete sich im Zeitalter Napoleons auch in Deutschland, und eine von der Verwaltung unabhängige Verwaltungsjustiz entstand erst recht spät, erstmals 1863 in Baden durch Verwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshof und 1875 in Preußen mit Einrichtung der unabhängigen Revisionsinstanz des Preußischen Oberverwaltungsgerichts über den noch sehr verwaltungsnahen Kreis- und Bezirksausschüssen. Spätestens seit dessen berühmtem Kreuzberg-Urteil 1882 zur Unzulässigkeit von polizeilichen Gestaltungsvorschriften im Umfeld eines Nationaldenkmals wurden dadurch Polizeiaufgaben immer mehr eingegrenzt im Sinne der Abwehr von Gefahren verstanden.[54]

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      Süddeutsche Polizeistrafgesetzbücher

      In der älteren Administrativjustiz waren Beamte auch Richter in eigener Sache, jedenfalls in von ihnen angeordneten Sachen, und agierten wie Richter, ohne durch deren richterliche Unabhängigkeit geschützt zu sein. Nach 1848 ging es in den süddeutschen Staaten, zuerst Bayern (1861/71), dann auch Baden (1863) und Württemberg (1871) darum, Verwaltung und Justiz klarer zu trennen. Dabei wurden zusätzlich zu den Strafgesetzbüchern auch Polizeistrafgesetzbücher erlassen. In Bayern war darin geregelt, welche Behörden für orts-, kreis- und oberpolizeiliche Anordnungen zuständig waren und bei Übertretung ohne Mitwirkung eines Richters „Ungehorsamsstrafen“ in Geld oder ersatzweise bis zu 30 Tage Haft verhängen durften. Das Parlament begrenzte dabei durch Aufzählung klar die Anwendungsfelder. Das bayerische Polizeistrafgesetzbuch sprach zuletzt in elf Gruppen von Übertretungen eine bunte, systematisch schwer zu fassende Vielfalt von Einzelermächtigungen aus, die bei der „Erwerbs- und Gewerbepolizei“ bis zum Umwelt- und Technikrecht reichten, etwa beim Betrieb von Dampfkesseln. Das Gesetz wurde regelmäßig novelliert. Die jüngste Fassung galt in Bayern noch nach 1949 und wurde dann erst in ein modernes Ordnungswidrigkeitenrecht überführt.[55]

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      Wenig Personal

      In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es nur sehr wenig Polizeikräfte. Als Reserve standen nur die für polizeiliche Aufgaben nicht ausgebildeten regulären Truppen zur Verfügung. Bei Unruhen führte das sehr schnell zum Einsatz der Waffen wie in Berlin im März 1848. Erste eigenständige Polizeieinheiten waren nach 1815 die der Gendarmerie und Landjäger auf dem Lande. Berlin erhielt erst im Laufe des Revolutionsjahrs 1848 eine erste Schutzmannschaft mit immerhin 200 Wachtmeistern und 1.800 Mann. Sie sollte anders agieren als die Garderegimenter bei den Märzunruhen, und ihre Uniformen waren nach dem Vorbild der Londoner Polizei mit schwarzem Zylinder sehr zivil gehalten. Damals war im Polizeialltag noch die Einzelstreife die Regel, und als Richtzahl für die Polizeidichte galt in Preußen noch nach 1870 nur ein Mann auf 1.500 Einwohner.[56]

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      Politische Polizei

      Gleich nach der Gründung des Deutschen Bundes forderte das Streben der Burschenschaften nach einem „deutschen“ Vaterland, ohne die vielen Herrscher, die gerade erst in der Souveränität ihrer Monarchen restaurierten Staaten heraus. Gegen „demagogische Umtriebe“ und nationale, demokratische und anti-monarchische Ideen schufen die Karlsbader Beschlüsse von 1819 ein Ausnahmeregime, das alle Mitgliedstaaten band und bis 1848 bestand. An den Universitäten wurden alle Gruppen streng überwacht, in Preußen durch einen neuen, dem Kultusminister unterstellten, staatlichen „Kurator“. Professoren wurden entlassen, Studenten relegiert und für alle Zeitungen sowie Bücher galt eine Vorzensur. Zentralstellen des Bundes in Mainz und dann in Frankfurt versuchten, gemeinsames Vorgehen zu initiieren. Die Bundesgesetze gegen studentische Verbindungen wurden verschärft, indem Studenten das Reisen untersagt wurde und eine Relegation automatisch für alle Länder des Deutschen Bundes galt.[57] Nach 1848 baute der Berliner Polizeipräsident Karl Ludwig Friedrich von Hinckeldey seine Behörde zur Zentrale der politischen Polizei in Preußen aus, die mit anderen Bundesstaaten in einem neuen „Polizeiverein“ zusammenarbeitete. Mit dem Thronwechsel 1860/61 und der „Neuen Ära“ wurde die politische Polizei zunächst reduziert; spätestens ab 1878 wieder erweitert und zunehmend auf die als staatsgefährdend angesehene deutsche Sozialdemokratie und die internationale Arbeiterbewegung ausgerichtet.[58]

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      Staatliche und kommunale Polizei

      Eigene städtische Polizeien hatten einen schweren Stand, in Bayern mit seinen sehr beschränkten Gemeinderechten sowieso, aber auch in Preußen. Das Vordringen der Sicherheitspolizei und der präventiven und überstaatlichen politischen Polizei stärkte den Einfluss des Staates auf die Polizei. Im dicht bevölkerten Ruhrgebiet, das von Gemeinde-, Kreis-, Regierungsbezirks- und Provinzgrenzen (Rheinprovinz und Westfalen) durchschnitten war, wurden nach dem massenhaften Ruhrbergarbeiterstreik 1889 die kommunalen Polizeien durch staatliche Polizeidirektionen in Bochum, Gelsenkirchen und Essen abgelöst.[59]

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      Staatsschulden und Verfassung

      Die Kriege und Verfassungsumwälzungen nach 1800 verlangten eine Anspannung aller staatlichen Kräfte und führten in massive Staatsverschuldung. Sie konnte im Königreich Westphalen selbst durch Zwangsanleihen nicht aufgefangen werden; nach dem Untergang des Staates wurden sie wertlos, weil sich die Nachfolgestaaten gerne und einmütig ihrer Bedienung entzogen. Die notwendige Stabilisierung der Staatsfinanzen war aber auf neues Vertrauen an den Finanzmärkten angewiesen. Strukturreformen in der Finanzverwaltung trugen zu größerer Transparenz und dann höherer Finanzkraft bei, etwa durch einheitliche Staatskassen statt zerstreuter Topfwirtschaft, Haushaltspläne, Staatsschuldenverwaltungen und Rechnungshöfe. Die drei auch zur Beruhigung der Gläubiger gegebenen Verfassungsversprechen Friedrich Wilhelms III. von 1810, 1815 und 1820 blieben jedoch uneingelöst und bahnten, neben anderem, den Weg zur Revolution von 1848. Umso mehr erwarteten die liberalen Kräfte stärkeren parlamentarischen Einfluss auf die Details der einzelnen Positionen des Budgets (der preußische Staatshaushalt passte lange auf nur zwei Seiten) und auf die nachträgliche Kontrolle der Haushaltsrechnung.[60]

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      Staatseinnahmen

      Staatserträge lassen sich nicht beliebig erhöhen, sondern nur bedachtsam und in Rücksicht auf das Wirtschaftsleben. Das galt von Natur für die immer noch wichtigen Einkünfte aus Domänen und Forsten, und es war zu beachten bei den Steuern. In Süddeutschland waren unter französischem Einfluss die Privilegien des Adels, vor allem seine völlige Steuerfreiheit, weitgehend aufgehoben worden, was die Steuerbasis verbreiterte. Da man hier dem französischen Modell von Grund-, Gebäude- und (Gewerbe-)Patentsteuer folgte, wurde für einen umfassenden Grundsteuerkataster eine exakte Landesvermessung unentbehrlich. Bayern begann mit ihr bereits 1808, zugleich mit einer zentralen Staatsschuldenverwaltung. Preußen dagegen setzte auf die gegensätzliche Besteuerung von zwei Welten: in den Städten gab es die Mahl- und Schlachtsteuer als leicht erhebbare indirekte Steuer und auf dem Land die „Klassensteuer“, die bei niedrigen Einkommen als „Kopfsteuer“ pauschaliert war und darüber nach sehr breiten Einkommensklassen bis zu einem Höchstsatz von drei Prozent erhoben wurde. Die Grundsteuer rührte erst mit der Reform 1861 an die bis dahin bestehende Steuerfreiheit des Adels. Verwaltungstechnisch war allen diesen Steuern gemeinsam, dass sie nicht in die noch breit verstandene persönliche Sphäre der Steuerzahler eindrangen und keinen großen Verwaltungsaufwand erforderten.[61]

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      Staatsausgaben

      Mit dem spürbaren Rückgang der Militärausgaben nach 1815 konsolidierten sich allmählich die Staatsschulden. Der Aufbau ganz neuer Infrastrukturen änderte das; der Eisenbahnbau wurde zur Leitinvestition, die das Wirtschaftswachstum beschleunigte.[62] Die erste Staatsbahn nahm bereits 1838 im Herzogtum Braunschweig ihren