Alexander Bruns

Zwangsvollstreckungsrecht, eBook


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16.23 f.). Die begrüßenswerte Kehrtwende des BGH mindert die Gefährlichkeit des Instituts der vollstreckbaren Urkunde und bedeutet einen unbedingten dogmatischen Fortschritt.

      16.28

      Wendet sich der Schuldner gegen die Wirksamkeit der vollstreckbaren Urkunde als eines Vollstreckungstitels (z.B. weil es an der Form fehle oder weil die Urkunde keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe), so ist die Erinnerung nach § 766 der richtige Rechtsbehelf[101].

      16.29

      Bestreitet der Schuldner die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel, so ist der Rechtsbehelf des § 732 gegeben (§ 797 Abs. 3)[102].

      16.30

      Bezog sich die Unterwerfungserklärung auf künftig fällig werdende Leistungen, so kommt bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse die Abänderungsklage nach § 323a Abs. 1 in Betracht[103].

      16.31

      Die saubere Abgrenzung dieser Rechtsbehelfe kann im Einzelfall zweifelhaft sein[104]. Der BGH nimmt an, dass die Vollstreckungsgegenklage unzulässig ist, wenn es schon aus formellen Gründen an der Vollstreckbarkeit des Titels fehlt, und gewährt statt dessen eine prozessuale Gestaltungsklage analog § 767 Abs. 1[105], die mit einer Vollstreckungsgegenklage verbunden werden kann[106]. Auch bei Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung aus materiellrechtlichen Gründen wies der BGH früher eine auf Einwendungen gegen den titulierten Anspruch gestützte Vollstreckungsgegenklage als unzulässig ab, weil kein vollstreckungsfähiger Titel vorliege[107]. An dieser Rechtsprechung hält er zu Recht nicht mehr fest[108] (näher Rn. 45.4). Zur Erleichterung des Rechtsschutzes sollte man dem Schuldner die freie Wahl unter konkurrierenden Rechtsbehelfen lassen. Macht der Schuldner etwa geltend, der Darlehensanspruch sei durch Erfüllung erloschen, so darf die Vollstreckungsgegenklage nicht deshalb abgewiesen werden, weil – z.B. mangels Bestimmtheit – ein wirksamer Vollstreckungstitel nicht vorliege, also die Rechtsbehelfe nach § 766 oder § 732 eingelegt oder eine prozessuale Gestaltungsklage analog § 767 Abs. 1 erhoben werden müssten. Grundsätzlich zu begrüßen ist es deshalb, wenn der BGH die Verbindung von Vollstreckungsgegenklage und prozessualer Gestaltungsklage analog § 767 Abs. 1 zulässt, doch schlägt diese „Hilfestellung“ ins Gegenteil um, wenn man mit dem BGH bei Unbestimmtheit des Gläubigers den Schuldner ausschließlich auf die Klauselerinnerung verweist[109]. Letztlich vermeidet nur das volle Wahlrecht, dass der Schuldner sich in einem Rechtsschutzlabyrinth verirrt und die Rechtsschutzgewährleistung ad absurdum geführt wird.

      Schadensersatz wegen ungerechtfertigter Vollstreckung kann nur nach allgemeinen Vorschriften, nicht nach § 717 Abs. 2 oder 3 verlangt werden (Rn. 15.64). Gewissen Schutz vor Vollstreckungsschäden bieten die Einstellungsvorschriften bei Einlegung eines Rechtsbehelfs (§§ 769, 732 Abs. 2; s. Rn. 9.4 ff., 45.34). Soweit die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt worden ist, haftet der vollstreckende Gläubiger, sofern dieser ein anderer als der in der vollstreckbaren Urkunde bezeichnete Gläubiger, etwa infolge von Abtretung, ist, nunmehr aufgrund des durch das Risikobegrenzungsgesetz 2008 eingeführten § 799a ZPO verschuldensunabhängig auf Schadensersatz.[110]

      16.32

      Setzt die Zwangsvollstreckung neben der Verurteilung des Schuldners zur Leistung noch die Verurteilung eines anderen Beteiligten zur Duldung der Vollstreckung voraus, dann kann diese Verurteilung in gewissen Fällen durch die Errichtung einer Urkunde ersetzt werden, in der der Duldungspflichtige die sofortige Zwangsvollstreckung in die seinem Recht unterworfenen Gegenstände bewilligt (§ 794 Abs. 2), so z.B. im Fall des § 743.

      16.33

      Weitere bundesrechtlich vorgesehene Vollstreckungstitel sind z.B. Auszug aus der Insolvenztabelle (§ 201 Abs. 2 InsO)[111], der rechtskräftig bestätigte Insolvenzplan (§ 257 Abs. 1 und 2 InsO), der Schuldenbereinigungsplan (§ 308 Abs. 1 InsO), der Restrukturierungsplan nach dem StaRUG (§ 71 Abs. 1 StaRUG), die Vorschuss- und Nachschussberechnungen im Insolvenzverfahren der Genossen (§§ 109 Abs. 2, 114 GenG), gerichtliche Beschlüsse und gerichtlich gebilligte Vergleiche im Verfahren nach dem FamFG (§ 86 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FamFG), vor dem Jugendamt abgegebene Verpflichtungserklärungen zur Leistung von Unterhalt an Kind oder Elternteil (§§ 59 Abs. 1 Nr. 3, 4; 60 SGB VIII)[112].

      Weitere Beispiele sind ferner der Zuschlagsbeschluss im Zwangsversteigerungsverfahren (§§ 93, 132 ZVG, s. Rn. 36.30, 36.42), Entscheidungen über Schadensersatzansprüche im Adhäsionsverfahren (§§ 406, 406b StPO)[113]. Landesrechtlich können nach § 801 weitere Vollstreckungstitel zugelassen werden[114].

      16.34

      Besitzt der Gläubiger einen der genannten Vollstreckungstitel, so fehlt für eine Leistungsklage zur Erwirkung eines Urteils über denselben Anspruch regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis. Nur ausnahmsweise kann es trotzdem gegeben sein, so z.B. dann, wenn an der Verwendbarkeit des vorhandenen Titels erhebliche Zweifel bestehen und mit Bedenken der Vollstreckungsorgane zu rechnen ist, ferner auch dann, wenn der Schuldner materielle Einwendungen gegen den Anspruch geltend gemacht hat und der Gläubiger mit der Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage rechnen müsste[115].

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