Эрнст Гофман

Lebens-Ansichten des Katers Murr / Житейские воззрения кота Мурра


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ist ein schöner herrlicher Traum des Himmels – nur ein Traum, ein leerer Traum.«—

      «Sie scheinen«, nahm Kreisler das Wort,»Gnädigste, für Träume eben nicht sehr portiert, und doch sind es lediglich die Träume, in denen uns recht die Schmetterlingsflügel wachsen, so daß wir dem engsten, festesten Kerker zu entfliehen, uns bunt und glänzend in die hohen, in die höchsten Lüfte zu erheben vermögen. Jeder Mensch hat doch am Ende einen angebornen Hang zum Fliegen, und ich habe ernste honette Leute gekannt, die am späten Abend sich bloß mit Champagner, als einem dienlichen Gas, füllten um in der Nacht, Luftballon und Passagier zugleich, aufsteigen zu können.«—

      «Sich so geliebt zu wissen«, wiederholte die Prinzessin noch bewegter als vorher.

      «Und«, sprach, als die Prinzessin schwieg, Kreisler weiter, was die Liebe des Künstlers betrifft, wie ich sie zu schildern mich bemüht, so haben Sie, Gnädigste! freilich das böse Beispiel des Herrn Leonhard Ettlinger vor Augen, der Musikant war, und lieben wollte wie die guten Leute, worüber sein schöner Verstand freilich etwas wacklicht werden konnte, aber eben deshalb mein ich, war Herrn Leonhard kein echter Musikant. Diese tragen die erkorne Dame im Herzen und wollen nichts als ihr zu Ehren singen, dichten, malen, und sind in der vorzüglichsten Courtoisie den galanten Rittern zu vergleichen, ja was unschuldsvolle Gesinnung betrifft, ihnen vorzuziehen, da sie nicht verfahren wie sonst diese, die blutdürstiger Weise, waren nicht gleich Riesen, Drachen bei der Hand, die schätzbarsten Leute niederstreckten in den Staub, um der Herzensdame zu huldigen!«—

      «Nein«, rief die Prinzessin, wie erwachend aus einem Traum,»es ist unmöglich, daß in der Brust des Mannes ein solch reines Vestas Feuer sich entzünden sollte! – Was ist die Liebe des Mannes anders, als die verräterische Waffe, die er gebraucht, einen Sieg zu feiern, der das Weib verdirbt, ohne ihn zu beglücken.«—

      Kreisler wollte sich eben über solche absonderlichen Gesinnungen einer siebzehn-, achtzehnjährigen Prinzessin höchlich verwundern, als die Türe aufging, und Prinz Ignatius hineintrat.

      Der Kapellmeister war froh, ein Gespräch zu enden, das er sehr gut mit einem wohleingerichteten Duett verglich, in dem jede Stimme ihrem eigentümlichen Charakter getreu bleiben muß. Während die Prinzessin, so behauptete er, im wehmütigen Adagio beharrt, und nur hie und da einen Mordent, einen Pralltriller angebracht, sei er als ein vorzüglicher Buffo und erzkomischer Chanteur mit einer ganzen Legion kurzer Noten parlando dazwischengefahren, so daß er, da das Ganze ein wahres Meisterstück der Komposition und der Ausführung zu nennen, nichts weiter gewünscht, als der Prinzessin und sich selbst zuhören zu können aus irgendeiner Loge oder einem schicklichen Sperrsitz.

      Also Prinz Ignatius trat hinein mit einer zerbrochenen Tasse in der Hand, schluchzend und weinend.

      Es ist nötig, zu sagen, daß der Prinz, unerachtet hoch in die zwanzig, doch sich noch immer nicht von den Lieblingsspielen der Kinderjahre trennen konnte. Ganz vorzüglich liebte er schöne Tassen, mit denen er stundenlang in der Art spielen konnte, daß er sie in Reihen vor sich hinstellte auf den Tisch, und diese Reihen immer anders und anders ordnete, so daß bald die gelbe Tasse neben der roten, dann die grüne bei der roten usw. stehen mußte. Dabei freute er sich so innig, so herzlich, wie ein frohes zufriedenes Kind.

      Das Unglück, worüber er jetzt lamentierte, bestand darin, daß ihm der kleine Mops unversehens auf den Tisch gesprungen war, und die schönste der Tassen herabgeworfen hatte.

      Die Prinzessin versprach, dafür zu sorgen, daß er eine Mundtasse im neuesten Geschmack aus Paris erhalten solle. Da gab er sich zufrieden, und lächelte mit dem ganzen Gesicht. Jetzt erst schien er den Kapellmeister zu bemerken. Er wandte sich zu ihm mit der Frage, ob er auch viele schöne Tassen besitze. Kreisler wußte schon, von Meister Abraham hatte er es erfahren, was man darauf zu antworten. Er versicherte nämlich, daß er keineswegs solche schöne Tassen besitze, wie der gnädigste Herr, und daß es ihm auch ganz unmöglich sei, so viel Geld darauf zu verwenden, als der gnädige Herr es tue.

      «Sehn Sie wohl«, erwiderte Ignaz sehr vergnügt,»ich bin ein Prinz und kann deshalb schöne Tassen haben, wie ich nur mag, aber das können Sie nicht, weil Sie kein Prinz sind, denn weil ich nun einmal ganz gewiß ein Prinz bin, so sind schöne Tassen —. «Tassen und Prinzen, und Prinzen und Tassen gingen nun durcheinander in immer mehr verwirrter Rede, und dabei lachte und hüpfte Ignatius und klopfte in die Hände vor seligem Vergnügen! – Hedwiga schlug errötend die Augen nieder, sie schämte sich des imbezillen Bruders, sie fürchtete mit Unrecht Kreisler's Spott, dem nach seiner innersten Gemütsstimmung, des Prinzen Albernheit, als ein Zustand des wirklichen Wahnsinnes, nur ein Mitleid erregte, das eben nicht wohltun konnte, vielmehr die Spannung des Augenblicks vermehren mußte. Um den armen nur abzubringen von den unseligen Tassen, bat die Prinzessin ihn, die kleine Handbibliothek in Ordnung zu bringen, die in einem zierlichen Wandschrank aufgestellt war. Ganz vergnügt, unter fröhlichem Gelächter, begann der Prinz sogleich die sauber gebundenen Bücher herauszunehmen, und sie, nach dem Format sorglich ordnend, so hinzustellen, daß die goldnen Schnitte nach außen stehend eine blanke Reihe formten, worüber er sich über alle Maßen freute.

      Fräulein Nannette stürzte hinein, und rief laut:»Вer Fürst, der Fürst mit dem Prinzen!«—»O mein Gott«, sprach die Prinzessin,»meine Toilette, in der Tat, Kreisler, wir haben die Stunden verplaudert, ohne daran zu denken. – Ich habe mich ganz vergessen! Mich und den Fürsten und den Prinzen. «Sie verschwand mit Nannetten in das Nebengemach. Prinz Ignaz ließ sich in seinem Geschäft gar nicht stören.

      Schon rollte der Staatswagen des Fürsten heran; als Kreisler sich unten an der Haupttreppe befand, stiegen eben die beiden Laufer in Staatslivree aus der Wurst. – Das muß näher erklärt werden.

      Fürst Irenäus ließ nicht ab von dem alten Brauch; und so hatte er zur selben Zeit, als kein schnellfüßiger Hanswurst in bunter Jacke vor den Pferden herzulaufen genötigt, wie ein gehetztes Tier, in der zahlreichen Dienerschaft von allen Waffen auch noch zwei Laufer, artige hübsche Leute von gesetzten Jahren, wohlgefüttert, und nur zuweilen von Unterleibsbeschwerden geplagt, wegen der sitzenden Lebensweise. Viel zu menschenfreundlich war nämlich der Fürst gesinnt, um irgendeinem Diener zuzumuten, daß er sich zu Zeiten umsetzte in ein Windspiel, oder einen andern vergnügten Köter, um indessen doch die gehörige Etikette im Ansehen zu erhalten, mußten die beiden Laufer, fuhr der Fürst in Gala aus, vorauffahren auf einer passablen Wurst, und an schicklichen Stellen, wo z. B. einige Gaffer sich versammelt, etwas die Beine rühren als Andeutung des wirklichen Laufs. – Es war hübsch anzusehen. —

      Also, – die Laufer waren eben ausgestiegen, die Kammerherrn traten ins Portal, und ihnen folgte Fürst Irenäus, an dessen Seite ein junger Mann von stattlichem Ansehen daherschritt, in reicher Uniform der neapolitanischen Garde, Sterne und Kreuze auf der Brust. – »Je vous salue Monsieur de Krösel «sprach der Fürst, als er Kreisler erblickte. – Krösel pflegte er zu sagen, statt Kreisler, wenn er bei festlichen feierlichen Gelegenheiten französisch sprach, und sich auf keinen deutschen Namen recht besinnen konnte. Der fremde Prinz – denn den jungen stattlichen Mann hatte doch wohl die Fräulein Nannette gemeint, als sie rief, daß der Fürst komme mit dem Prinzen – nickte Kreislern im Vorbeigehen flüchtig zu mit dem Kopfe, eine Art der Begrüßung, die Kreislern selbst von den vornehmsten Personen ganz unausstehlich war. Er bückte sich daher bis tief an die Erde auf solch burleske Weise, daß der dicke Hofmarschall, der überhaupt Kreislern für einen ausgemachten Spaßmacher, und alles für Spaß hielt, was er tat und sprach, nicht umhin konnte, etwas zu kichern. Der junge Fürst warf aus seinen dunklen Augen Kreislern einen glühenden Blick zu, murmelte zwischen den Zähnen:»Hasenfuß«, und schritt dann schnell dem Fürsten nach, der sich mit milder Gravität nach ihm umschaute. – »Für einen italienischen Gardisten«, rief Kreisler laut lachend dem Hofmarschall zu,»spricht der durchlauchtige Herr ein passables Deutsch, sagen Sie ihm, beste Exzellenz, daß ich ihm dafür mit dem auserlesensten Neapolitanisch dienen und dabei kein artiges Romanisch, am wenigsten aber als Gozzische Maske schnödes Venetianisch einschwärzen, kurz kein X für ein U machen will. – Sagen Sie ihm, beste Exzellenz —. «Aber die Exzellenz stieg schon, die Schultern hoch heraufgezogen, als Bollwerk und Schutzschanze der Ohren, die Treppe hinauf. —

      Der