Felix Dahn

Ein Kampf um Rom


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der Tugend nach Römerin ist.

      Ihr zuliebe will ich meine Muße den verhaßten Geschäften opfern. Aber nur unter der Bedingung, daß dies mein letztes Staatsamt sei. Ich übernehme deinen Auftrag und stehe dir für Rom mit meinem Kopf.«

      »Gut, hier findest du die Vollmachten, die Dokumente, deren du bedarfst.«

      Cethegus durchflog die Urkunden. »Dies ist das Manifest des jungen Königs an die Römer, mit deiner Unterschrift. Seine Unterschrift fehlt noch.« Amalaswintha tauchte die gnidische Rohrfeder in das Gefäß mit Purpurtinte, deren sich die Amaler, wie die römischen Imperatoren, bedienten: »Komm, schreibe deinen Namen, mein Sohn.« Athalarich hatte während der ganzen Verhandlung stehend und mit beiden Armen vorgebeugt auf den Tisch gestützt, Cethegus scharf beobachtet. Jetzt richtete er sich auf: er war gewohnt, in seinen Formen die Rechte eines Thronfolgers und eines Kranken zu gebrauchen: »Nein«, sagte er heftig, »Ich schreibe nicht. Nicht bloß, weil ich diesem kalten Römer nicht traue, nein, ich traue dir gar nicht, du stolzer Mann! — Es ist empörend, daß ihr, während mein hoher Großvater noch atmet, schon an seiner Krone herumtappt, ihr Zwerge nach der Krone des Riesen. Schämt euch eurer Fühllosigkeit. Hinter jenen Vorhängen stirbt der größte Held des Jahrhunderts und ihr denkt nur an die Teilung seiner Königsgewänder.«

      Er wandte ihnen den Rücken und schritt langsam nach dem Fenster zu, wo er den Arm um seine schöne Schwester schlang und ihr schimmervolles, glänzendes Haar streichelte.

      Lange stand er so, sie achtete seiner nicht. Plötzlich fuhr sie auf aus ihrem Sinnen: »Athalarich«, flüsterte sie, hastig seinen Arm fassend und hinausdeutend auf die Marmorstufen, »wer ist der Mann dort im blauen Stahlhelm, der eben um die Säule biegt? Sprich, wer ist es?« »Laß sehn«, sagte der Jüngling sich vorbeugend, »der dort? Ei, das ist Graf Witichis, der Besieger der Gepiden, ein wackrer Held.« Und er erzählte ihr von den Taten und Erfolgen des Grafen im letzten Kriege.

      Indessen hatte Cethegus die Fürstin und den Minister fragend angesehen. »Laß ihn!« seufzte Amalaswintha. »Wenn er nicht will, zwingt ihn keine Macht der Erde.« Weiteres Fragen des Cethegus ward abgeschnitten, indem sich der dreifache Vorhang auftat, der das Schlafgemach des Königs von allem Geräusch des Vorzimmers schied. Es war Elpidios, der griechische Arzt, der, die schweren Falten aufhebend, berichtete, der Kranke, eben aus langem Schlummer erwacht, habe ihn fortgeschickt, um mit dem alten Hildebrand allein zu sein: dieser wich nie von seiner Seite.

      SECHSTES KAPITEL

      Das Schlafgemach Theoderichs, schon von den Kaisern zu gleichem Zweck benutzt, zeigte die düstre Pracht des späten römischen Stils. Die überladenen Reliefs an den Wänden, die Goldornamentik der Decke schilderten noch Siege und Triumphzüge der römischen Konsuln und Imperatoren: heidnische Götter und Göttinnen schwebten stolz darüber hin, überall in der Architektur und Dekoration waltete drückender Prunk.

      Dazu bildete einen merkwürdigen Gegensatz das Lager des Gotenkönigs in seiner schlichten Einfachheit. Kaum einen Fuß vom Marmorboden erhob sich das ovale Gestell von rohem Eichenholz, das wenige Decken füllten. Nur der köstliche Purpurteppich, der die Füße verhüllte, und das Löwenfell mit goldnen Tatzen, ein Geschenk des Vandalenkönigs aus Afrika, das vor dem Bette lag, bekundeten die Königshoheit des Kranken. Alles Gerät, das sonst das Gemach erfüllte, war prunklos, schlicht, fast barbarisch schwer.

      An einer Säule im Hintergrund hing der eherne Schild und das breite Schwert des Königs, seit vielen Jahren nicht mehr gebraucht. Am Kopfende des Lagers stand, gebeugten Hauptes, der alte Waffenmeister, die Züge des Kranken sorglich prüfend: dieser, auf den linken Arm gestützt, kehrte ihm das gewaltige, das majestätische Antlitz zu. Sein Haar war spärlich und an den Schläfen abgerieben durch den langjährigen Druck des schweren Helmes, aber noch glänzend hellbraun, ohne irgend graue oder weiße Spuren. Die mächtige Stirn, die blitzenden Augen, die stark gebogene Nase, die tiefen Furchen der Wangen sprachen von großen Aufgaben und von großer Kraft, sie zu lösen, und machten den Eindruck des Gesichts königlich und hehr: aber die wohlwollende Weichkeit des Mundes bekundete, trotz des grimmigen und leise ergrauenden Bartes, jene Milde und friedliche Weisheit, mit welcher der König ein Menschenalter lang für Italien eine goldne Zeit zurückgeführt und sein Reich zu einer Blüte erhoben hatte, die damals schon Sprichwort und Sage feierten.

      Lange ließ er mit Huld und Liebe das goldbraune Adlerauge auf dem riesigen Krankenwart ruhen. Dann reichte er ihm die magere aber nervige Rechte. »Alter Freund«, sagte er, »nun wollen wir Abschied nehmen.«

      Der Greis sank in die Knie und drückte die Hand des Königs an die breite Brust. »Komm, Alter, steh auf: muß ich dich trösten?«

      Aber Hildebrand blieb auf den Knien und erhob nur das Haupt, daß er dem König ins Auge sehen konnte. »Sieh«, sprach dieser, »ich weiß, daß du, Hildungs Sohn, von deinen Ahnen, von deinem Vater her tiefere Geheimkunde hast von der Menschen Siechtum und Heilung, als alle diese griechischen Ärzte und lydischen Salbenkrämer. Und vor allem; du hast mehr Wahrhaftigkeit. Darum frage ich dich, du sollst mir redlich bestätigen, was ich selbst fühle: sprich, ich muß sterben? heute noch? noch vor Nacht?«

      Und er sah ihn an mit einem Auge, das nicht zu täuschen war. Aber der Alte wollte gar nicht täuschen, er hatte jetzt seine zähe Kraft wieder. »Ja, Gotenkönig, Amalungen-Erbe, du mußt sterben«, sagte er: »Die Hand des Todes hat über dein Antlitz gestrichen. Du wirst die Sonne nicht mehr sinken sehen.«

      »Es ist gut«, sagte Theoderich, ohne mit der Wimper zu zucken. »Siehst du, der Grieche, den ich fortgeschickt, hat mir noch von ganzen Tagen vorgelogen. Und ich brauche doch meine Zeit.«

      »Willst du wieder die Priester rufen lassen?« fragte Hildebrand, nicht mit Liebe. — »Nein, ich konnte sie nicht brauchen. Und ich brauche sie nicht mehr.« — »Der Schlaf hat dich sehr gestärkt und den Schleier von deiner Seele genommen, der sie so lange verdunkelt. Heil dir, Theoderich, Theodemers Sohn, du wirst sterben wie ein Heldenkönig.«

      »Ich weiß«, lächelte dieser, »die Priester waren dir nicht genehm an diesem Lager. Du hast recht. Sie konnten mir nicht helfen.« — »Nun aber, wer hat dir geholfen?«

      »Gott und ich selbst. Höre. Und diese Worte sollen unser Abschied sein! Mein Dank für deine Treue von fünfzig Jahren sei es, daß ich dir allein, nicht meiner Tochter, nicht Cassiodor das vertraue, was mich gequält hat. Sprich: was sagt man im Volk, was glaubst du, daß jene Schwermut war, die mich plötzlich befallen und in dieses Siechtum gestürzt hat?« — »Die Welschen sagen: Reue über den Tod des Boëthius und Symmachus.« — »Hast du das geglaubt?« — »Nein, ich mochte nicht glauben, daß dich das Blut der Verräter bekümmern kann.« »Du hast wohlgetan. Sie waren vielleicht nicht des Todes schuldig nach dem Gesetz, nach ihren Taten. Und Boëthius habe ich sehr geliebt. Aber sie waren tausendfach Verräter! Verräter in ihren Gedanken. Verräter an meinem Vertrauen, an meinem Herzen. Ich habe sie, die Römer, höher gehalten als die Besten meines Volkes. Und sie haben, zum Dank, meine Krone dem Kaiser gewünscht, dem Byzantiner Schmeichelbriefe geschrieben: sie haben einen Justin und einen Justinian der Freundschaft des Theoderich vorgezogen: mich reut der Undankbaren nicht. Ich verachte sie! Rate weiter! Du, was hast du geglaubt?« — »König: dein Erbe ist ein Kind, und du hast ringsum Feinde.« Der Kranke zog die kühnen Brauen zusammen: »Du triffst näher ans Ziel. Ich habe stets gewußt, was meines Reiches Schwäche. In bangen Nächten hab’ ich geseufzt um seine innere Krankheit, wann ich am Abend beim Gastgelag den fremden Gesandten den Stolz höchster Zuversicht gezeigt hatte. Alter, du hast, ich weiß, mich für allzu sicher gehalten. Aber mich durfte niemand beben sehen. Nicht Freund noch Feind. Sonst bebte mein Thron. Ich habe geseufzt, wann ich einsam war, und meine Sorge allein getragen.« — »Du bist die Weisheit, mein König, und ich war ein Tor!« rief der Alte. »Sieh«, fuhr der König fort, mit der Hand über die des Alten streichend, »ich weiß alles, was dir nicht recht an mir gewesen. Auch deinen blinden Haß gegen die Welschen kenne ich. Glaube mir, er ist blind. Wie vielleicht meine Liebe zu ihnen war.« Hier seufzte er und hielt inne. »Was quälst du dich.« — »Nein, laß mich vollenden. Ich weiß es, mein Reich, das Werk meines ruhmvollen, mühevollen Lebens, kann fallen, leicht fallen. Und vielleicht durch Schuld meiner Großmut gegen