Felix Dahn

Ein Kampf um Rom


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sprang auf: »Das darf nicht sein«, rief er. »Das tut nicht gut. Sie gehört dem Staat, nicht dieser Leiche. Um so weniger, als ich von Gift flüstern hörte. Der junge Tyrann hatte viele Feinde. Wie steht es damit?«

      »Sehr ungewiß. Der griechische Arzt Elpidios, der die Leiche untersuchte, sprach zwar von einigen auffallenden Erscheinungen. Aber, wenn Gift gebraucht worden, meinte er, müßte es ein sehr geheimes, ihm völlig fremdes sein. In dem Becher, daraus der Arme den letzten Trunk getan, fand sich nicht die leiseste Spur verdächtigen Inhalts. So glaubt man allgemein, die Aufregung habe das alte Herzleiden zurückgerufen und dieses ihn getötet. Aber doch ist es gut, daß man dich von dem Augenblick, da du die Versammlung verließest, immer vor Zeugen gesehen: der Schmerz macht argwöhnisch.«

      »Wie steht es um Kamilla?« forschte der Präfekt weiter. — »Sie soll von ihrer Betäubung noch gar nicht erwacht sein; die Ärzte fürchten das Schlimmste. — Aber ich kam, dich zu fragen: Was soll nun weiter geschehen? Die Regentin sprach davon, die Untersuchung gegen dich niederzuschlagen.« — »Das darf nicht sein!« rief Cethegus. »Ich fordre die Durchführung. Eilen wir zu ihr.« — »Willst du sie am Sarge ihres Sohnes stören?« — »Ja, das will ich! Deine zarte Rücksicht bebt davor zurück? Gut, komme du nach, wenn ich das Eis gebrochen.«

      Er verabschiedete den Besuch und rief seine Sklaven, ihn anzukleiden. Bald darauf schritt er, in dunkelgraues Trauergewand gehüllt, hinab zu dem Gewölbe, wo die Leiche ausgestellt lag. Gebieterisch wies er die Wachen und die Frauen Amalaswinthens hinweg, die den Eingang hüteten, und trat geräuschlos ein.

      Es war die niedrig gewölbte Halle, in der ehedem die Leichen der Kaiser mit Salben und Brennstoffen für den Scheiterhaufen bereitet worden. Das schweigende Gelaß, mit dunkelgrünem Serpentin getäfelt, von kurzen dorischen Säulen aus schwarzem Marmor getragen, war nie von der Tageshelle beleuchtet: auch jetzt fiel auf die düstern byzantinischen Mosaiken auf dem Goldgrund der Wandplatten kein andres Licht als von den vier Pechfackeln, die an dem Steinsarkophag des jungen Königs mit unstetem Schimmer flackerten.

      Dort lag er, auf einem tiefroten Purpurmantel, Helm, Schwert und Schild zu seinen Häupten.

      Der alte Hildebrand hatte ihm einen Eichenkranz um die dunkeln Locken gewunden. Die edeln Züge ruhten in ernster, bleicher Schöne.

      Zu seinen Füßen saß in langem Trauerschleier die hohe Gestalt der Regentin, das Haupt auf den linken Arm gestützt, der auf dem Sarkophage ruhte, der rechte hing schlaff herab. Sie konnte nicht mehr weinen.

      Das Knistern der Pechflammen war das einzige Geräusch in dieser Grabesstille. —

      Lautlos trat Cethegus ein, nicht unbewegt von der Poesie des Anblicks. Aber mit einem Zusammenziehen der Brauen war dies Gefühl wie ein Anflug von Mitleid erstickt. »Klarheit gilt es«, sprach er zu sich selbst, »und Ruhe.« Leise trat er näher und ergriff die herabgesunkene Hand Amalaswinthens. »Erhebe dich, hohe Frau, du gehörst den Lebendigen, nicht den Toten.«

      Erschrocken sah sie auf: »Du hier, Cethegus? Was suchst du hier?«

      »Eine Königin.«

      »Oh, du findest nur eine weinende Mutter!« rief sie schluchzend. — »Das kann ich nicht glauben. Das Reich ist in Gefahr, und Amalaswintha wird zeigen, daß auch ein Weib dem Vaterland den eignen Schmerz opfern kann.«

      »Das kann sie«, sagte sie, sich aufrichtend: »Aber sieh auf ihn hin. — Wie jung, wie schön —! Wie konnte der Himmel so grausam sein.« — »Jetzt oder nie«, dachte Cethegus. »Der Himmel ist gerecht, streng, nicht grausam.«

      »Wie redest du? Was hat mein edler Sohn verschuldet? Wagst du ihn anzuklagen?« — »Nicht ich! Doch eine Stelle der Heiligen Schrift hat sich erfüllt an ihm: ‘Ehre Vater und Mutter, auf daß du lang lebest auf Erden.’ Die Verheißung ist auch eine Drohung. Gestern hat er gefrevelt gegen seine Mutter und sie verunehrt in trotziger Empörung: — heute liegt er hier. Ich sehe darin den Finger Gottes.«

      Amalaswintha verhüllte ihr Antlitz. Sie hatte dem Sohn an seinem Sarge seine Auflehnung herzlich vergeben. Aber diese Auffassung, diese Worte ergriffen sie doch mächtig und zogen sie ab von ihrem Schmerz zur liebgewordenen Gewohnheit des Herrschens. »Du hast, o Königin, die Untersuchung gegen mich niederschlagen wollen und Witichis zurückberufen. Letzteres mag sein. Aber ich fordere die Durchführung des Prozesses und feierliche Freisprechung als mein Recht.«

      »Ich habe nie an deiner Treue gezweifelt. Weh mir, wenn ich es jemals müßte. Sage mir: ich weiß von keiner Verschwörung! und alles ist abgetan.« — Sie schien seine Beteuerung zu erwarten. Cethegus schwieg eine Weile. Dann sagte er ruhig: »Königin, ich weiß von einer Verschwörung.«

      »Was ist das?« rief die Regentin und sah ihn drohend an. — »Ich habe diese Stunde, diesen Ort gewählt«, fuhr Cethegus mit einem Blick auf die Leiche fort, »dir meine Treue entscheidend zu besiegeln, daß sie dir unauslöschlich möge ins Herz geschrieben sein. Höre und richte mich.« — »Was werd’ ich hören?« sprach die Königin wachsam und fest entschlossen, sich weder täuschen noch erweichen zu lassen. »Ich wär’ ein schlechter Römer, Königin, und du müßtest mich verachten, liebte ich nicht vor allem mein Volk. Dies stolze Volk, das selbst du, die Fremde, liebst. Ich wußte wie du es weißt —, daß der Haß gegen euch als Ketzer, als Barbaren in den Herzen fortglimmt. Die letzten strengen Taten deines Vaters hatten ihn geschürt. Ich ahnte eine Verschwörung. Ich suchte, ich entdeckte sie.« — »Und verschwiegst sie!« sprach die Regentin, zürnend sich erhebend. — »Und verschwieg sie. Bis heute. Die Verblendeten wollten die Griechen herbeirufen und nach Vernichtung der Goten sich dem Kaiser unterwerfen.« — »Die Schändlichen!« rief Amalaswintha heftig. — »Die Toren! Sie waren schon so weit gegangen, daß nur ein Mittel blieb, sie zurückzuhalten: ich trat an ihre Spitze, ich ward ihr Haupt.« — »Cethegus!« — »Dadurch gewann ich Zeit und konnte edle, wenn auch verblendete Männer von dem Verderben zurückhalten. Allgemach konnte ich ihnen die Augen darüber öffnen, daß ihr Plan, wenn er gelänge, nur eine milde mit einer despotischen Herrschaft vertauschen würde. Sie sahen es ein, sie folgten mir, und kein Byzantiner wird diesen Boden betreten, bis ich ihn rufe, ich — oder du.«

      »Ich! rasest du?« — »Nichts ist den Menschen zu verschwören!’ sagt Sophokles, dein Liebling. Laß dich warnen, Königin, die du die dringendste Gefahr nicht siehst. Eine andre Verschwörung, viel gefährlicher als jene römische Schwärmerei, bedroht dich, deine Freiheit, das Herrschaftsrecht der Amaler, in nächster Nähe — eine Verschwörung der Goten.« —

      Amalaswintha erbleichte.

      »Du hast gestern zu deinem Schrecken ersehn, daß nicht deine Hand mehr das Ruder dieses Reiches führt. Ebensowenig dieser edle Tote, der nur ein Werkzeug deiner Feinde war. Du weißt es, Königin, viele in deinem Volk sind blutdürstende Barbaren, raubgierig, roh: sie möchten dies Land brandschatzen, wo Vergil und Tullius gewandelt. Du weißt, dein trotziger Adel haßt die Übermacht des Königshauses und will sich ihm wieder gleichstellen. Du weißt, die rauhen Goten denken nicht würdig von dem Beruf des Weibes zur Herrschaft.« — »Ich weiß es«, sprach sie stolz und zornig.— »Aber nicht weißt du, daß alle diese Parteien sich geeinigt haben. Geeinigt gegen dich und dein römerfreundlich Regiment. Dich wollen sie stürzen oder zu ihrem Willen zwingen. Cassiodor und ich, wir sollen von deiner Seite fort. Unser Senat, unsre Rechte sollen fallen, das Königtum ein Schatten werden. Krieg mit dem Kaiser soll entbrennen. Gewalt, Erpressung, Raub über uns Römer hereinbrechen.« — »Du malst eitle Schreckbilder!« — »War ein eitles Schreckbild, was gestern geschah? Wenn nicht der Arm des Himmels eingriff, warst nicht du selbst wie ich der Macht beraubt? Warst du denn noch Herrin in deinem Reich, in deinem Hause? Sind sie nicht schon so mächtig, daß der heidnische Hildebrand, der bauerische Witichis, der finstre Teja in deines betörten Sohnes Namen offen deinem Willen trotzen? Haben sie nicht jene rebellischen drei Herzöge zurückberufen? Und deine widerspenstige Tochter und —« — »Wahr, zu wahr!« seufzte die Königin.

      »Wenn diese Männer herrschen dann lebt wohl, Wissenschaft und Kunst und edle Bildung! Leb’ wohl, Italia, Mutter der Menschlichkeit! Dann lodert in Flammen auf, ihr weißen Pergamente, brecht in Trümmer, schöne Statuen. Gewalt