Ludwig Bechstein

Die schönsten Märchen


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Vieh darauf grast und kein Dieb danach gräbt — oder aber lieber ein Trühelein Immervoll, daraus man stetig Geldes nehmen mag, so viel man just bedarf.‹ — ›Ich dächte‹, nahm die Frau das Wort, ›du wärest vor allen Dingen so gütig und schenktest oder überließest einen der drei Wünsche mir, denn ich habe genug danach geseufzt und mich wund geknieet, dann kannst du dir noch immer wünschen, was du willst.‹ — ›Nun wohl‹, antwortete der Mann, ›Frauen sind oft klüger als die Männer, so wünsche denn.‹

      ›Ich wünsche‹, sprach die Frau, ›für mich das allerschönste Kleid, wie nie eine Frau der Welt eins getragen, schöner als das Kleid der größten Kaiserin!‹ Kaum hatte die Frau den Wunsch ausgesprochen, so war sie angetan mit dem herrlichsten Kleide, das war überreich besetzt mit Diamanten, Perlen, Gold und Silber, daß es nur so davon starrte.

      ›Ist das nicht ein dummer, unüberlegter Wunsch!‹ rief voll Unwillen der Mann. ›Du konntest damit allen Frauen Gewande wünschen, da wäre tausendfacher Segen auf dein Haupt vom Himmel von den Dürftigen herabgefleht worden, so hast du nur einen Wunsch des hoffärtigen und übermütigen Eigennutzes getan!‹

      ›Ei daß dich!‹ schrie die Frau. ›Pfui dich an, Mann, daß du mich also schiltst! Gefalle ich dir nicht in diesem schönen Kleide, so wette ich traun, daß ich andern desto besser gefallen werde. Lauf hin, du Hans Narr!‹

      ›Gauklerin!‹ schrie voller Zorn der Mann. ›Daß dir doch gleich das Kleid in deinen hoffärtigen Leib fahre!‹

      ›Wehe mir!‹ schrie die Frau — denn im Augenblicke verschwand das Kleid, das sie bedeckt hatte, und zog in ihren Leib und schmerzte sie, daß sie laut aufheulte und durchs Dorf lief und allen Bauern ihr Leid klagte, wie sie durch ihres Mannes Schuld so schrecklich leiden müsse. Darauf liefen die Bauern in hellen Haufen zu dem Manne und riefen ihm drohend zu, er solle seine Frau von ihrem Weh helfen, oder sie wollten ihn gleich erwürgen. Und da zückten sie schon ihre Messer und Schwerter gegen ihn.

      Wie der Mann solchen großen und grimmigen Bauernzorn sah und sahe, wie seine Frau litt, da sprach er: ›Ich wünsche in Gottes Namen, daß sie ihrer Schmerzen wieder ledig werde.‹

      Darob wurde die Frau heilfroh, und all ihr Schmerz war hinweg, denn der dritte Wunsch war nun getan, aber das Kleid kam nicht wieder zum Vorschein, und nun hatte der Mann keine gute Stunde mehr auf Erden und war der Spott aller Welt und starb bald genug vor Gram und Kummer. Darum merket wohl, mein werter Gastfreund, wenn Ihr Wünsche tut, daß Ihr nicht auf den Wegen der Toren wandelt.«

      »Und welche Wege meinst du?« fragte wieder der Häusler.

      »Der Toren Sitte«, sprach des Häuslers Gast, »ist Unrechtes begehren, Unrechtes trachten und nach dem Verluste Unrechtes klagen. Die Toren sind dreierlei Schlages: Toren, die nichts wissen und nichts können; Toren, die nichts wissen wollen, die Wissen und Können verachten, und Toren, die wissen und können und dennoch nicht das tun, was das Rechte ist, das sie doch einsehen sollten, und ihre Seele bewahren.«

      »Nun denn, dürfte ich wünschen«, sagte der Häusler, »so wünschte ich mir vorerst vor allen andern Schätzen die ewige Seligkeit; hernach Gesundheit und Zufriedenheit bis zu meinem Tode, und dann — wenn es nicht gegen Gottes Willen wäre, möchte ich wünschen, daß mein den Einsturz drohendes Häuslein wieder in guten Stand gesetzt wäre.«

      »Diese Eure Wünsche sind Gott genehm«, sagte der Gast, »und ich will Euch den Hauptwunsch dazu tun, daß sie alle drei in Erfüllung gehen!«

      Nach diesem guten Gespräche verließen die beiden Männer, der arme Alte und der arme Häusler, ihren Steinsitz und gingen in die Hütte, sprachen ihr Nachtgebet und legten sich zur Ruhe nieder.

      Der Reiche drüben hatte jedes Wort gehört, das jene sprachen, und machte seine Glossen darüber. »Man sollte nicht meinen«, brummelte er vor sich hin, »daß so ein alter Mann noch so kindisches Zeug auf die Bahn bringen könnte, so läppischen Märchen-Schnickschnack — aber freilich, das Alter macht kindisch, und Alter schützt nicht vor Torheit. O ihr Wünschelnarren!«

      Soeben wollte der Reiche sich nun auch zur Ruhe begeben, als er wahrnahm, daß ein eigentümlicher Lichtschimmer das Häuschen des Armen umfloß, während alle andern Häuser dunkel dalagen, und doch war es kein Feuerschein, auch nicht Wirkung des Mondlichtes, sondern ein reines Ätherlicht — dann schienen auch lichte Gestalten um das Häuschen zu schweben, und deren wurden mehr und mehr, die bewegten sich wundersam, ab und auf, als ob sie auf unsichtbaren Leitern schwebten; sie glitten um das Dach und um die Wände, und dabei war alles feierlich und tief still.

      Dem Reichen gruselte es — er meinte, es seien Gespenster, schlug sein Kreuz und suchte sein Lager, aber er konnte fast die ganze Nacht nicht schlafen, und am frühen Morgen, als kaum der Tag graute, war er, von einer innern Unruhe getrieben, schon wieder am Fenster — da sah er just den armen Alten an seinem Hause vorübergehen, der sich mithin früh aufgemacht hatte.

      »Hm!« murmelte der Reiche, »der ist bald auf den Beinen, das hat sicher einen Haken. Und er trägt einen Sack — gestern trug er keinen. Der hat gewiß da drüben etwas mitgehen heißen und ist durchgebrannt, derweil der Nachbar noch schläft. Geschieht dem Nachbar schon recht! Was geht es mich an?«

      Unter dieser Betrachtung wurde es draußen heller, des Reichen Frau war auch aufgestanden und sah aus dem Fenster nach dem Wetter, der Nebel verzog sich, und beide trauten ihren Augen nicht, als sie gegenüber ein ganz stattliches neues Bauernhaus stehen sahen, das zwar noch die Gestalt des alten hatte, aber in allen Teilen größer und schöner war.

      »Träum ich denn oder wach ich?« fragte der Reiche. »Ist denn wirklich der Wunsch in Erfüllung gegangen — wer war denn der Alte? Hilf Himmel! Sicherlich Sankt Petrus oder gar der liebe Gott selbst. Dummkopf, der ich war, ihn gestern so schnöde abzuweisen.«

      »Jawohl, Dummkopf!« rief die Frau. »Spute dich, reite nach, bitte ihm ab, gib ihm gute Worte. O Himmel, wie ist doch unsereins übel daran, wenn man so einen dummen Mann hat!«

      »Holla! Knecht! Pferd satteln! Ausreiten!« rief der Reiche stürmisch, steckte Geld zu sich und Eßwaren und galoppierte durchs Dorf, die Straße entlang — und bald genug holte er den Alten ein, tat aber nicht, als habe er ihn gestern gesehen.

      Gar freundlich rief er vom Pferde herunter: »Grüß Gott, Alter! Wie geht‘s? Ist das Leben noch frisch? Wo hinaus denn so früh? Was trägst du denn da im Sack?«

      »Dank dem Gruß! Nach Gottwalte!« antwortete der Wanderer.

      »Bist wohl ein recht armer Schlucker! Da hast du ein Geld!«

      »Danke! Danke!«

      »Aber was du im Sacke trägst, möcht ich wissen!«

      »Ach«, schien der Alte zu scherzen. »Es ist ein Sorgenbürdlein, lieber Herr, hab‘s einem armen Schlucker abgenommen.«

      »So, so!« lachte der Reiter. »Ich will nicht wissen, was darin ist — ich wünschte bloß —«

      »Aha! Ihr seid auch ein Wunschfreund«, unterbrach der arme Alte. »Das trifft sich gut — ich trage in diesem Sacke just drei Wünsche, die sich dem erfüllen, der sie tut. Er muß aber den Sack dazu nehmen.«

      »Gib her! Gib her!« rief habgierig der reiche Mann und langte nach dem Sacke. »Da — hast du auch ein Stück Brot und eine ganze Wurst! Du siehst, daß ich nicht geizig bin, wie mich meine Feinde und Neider ausschreien. Ich bin ein rechtlicher Mann, der auf Ordnung sieht und das Seinige zu Rate hält, aber ich gebe gern den Armen, die der Gaben würdig sind. Allen kann man freilich nicht helfen.«

      »Allen? — Nein, das ist bei Gott unmöglich!« sagte der Alte.

      »Ich habe doch immer sagen hören«, widersprach der Reiche, der den Sack bereits in der Hand hatte, »bei Gott sei kein Ding unmöglich, und sein Wille sei es, daß allen geholfen werde.«

      »O mein lieber Herr«, erwiderte der Arme, »das ist geistlich zu verstehen, nicht weltlich!«

      Der Reiche wendete sein Roß und sprengte wieder heimwärts. Der Kopf war ihm voller Wünschegedanken, es ging ihm darin herum