einem prächtigen Hause wohnte. Türsteher hüteten sein Tor, und im Palaste strotzte es von goldnem und silbernem Gerät. Die beiden Spanier hätten es am liebsten eingepackt, aber Beutemachen war noch nicht an der Zeit. Das Stadtoberhaupt bewirtete seine Gäste, nahm Schwein und Hühner voll Lob und Freude in Empfang und zeigte den beiden Fremden die Burg und die Stadt. Erstere war aus grobbehauenen Steinen errichtet, machte einen großartigen Eindruck und nahm einen großen Flächenraum ein. In ihrer Nähe stand ein Sonnentempel, wiederum reich an goldnen und silbernen Dingen.
Als Molina und sein Begleiter gegen Abend wieder auf dem Schiffe eintrafen und Bericht erstatteten, dünkte dem Capitano alles das stark übertrieben. Deshalb sandte er am nächsten Morgen den bewährten Ritter Pedro de Candia zur Stadt, um Molinas märchenhafte Erzählung nachzuprüfen. Don Pedro führte seinen Auftrag in voller Rüstung aus, sein Schwert am Koppel, eine Hakenbüchse auf der Schulter.
Die Leute von Tumbez gerieten ob des im grellen Sonnenschein unheimlich funkelnden Panzers in noch größeres Staunen denn Tags vorher. Um diese Wirkung ins Wunderbare zu steigern, schoß Don Pedro seine Hakenbüchse gegen ein Holzbrett ab. Beim Knall des Gewehrs fiel die Menge vor Schreck in die Knie. Um die Göttlichkeit des Fremdlings auf die Probe zu stellen (so berichtet die Sage), ließ man nun einen Jaguar, der seit langem eingesperrt war, los. Die wohl hornalte Bestie setzte sich dem Ritter gemütlich zu Füßen. Da trug die Volksmenge den »Überirdischen« jubelnd nach dem goldreichen Sonnentempel.
Sicher ist, daß sich Don Pedro eines überaus freundlichen Empfanges zu erfreuen hatte. Auch ihm zeigte man Stadt und Burg und sogar das Innere des Tempels. Als er am Abend zu Pizarro zurückkehrte und ihm Bericht erstattete, fand er nicht genug begeisterte Worte.
In der Tat war Tumbez eine blühende Hafen- und Handelsstadt. Gelegen am gleichnamigen Fluß, war es unter der Regierung des zwölften Inkakönigs, Topak Yupanki dem Großen, um 1475 zum Reiche Perú gekommen. Durch ein Netz von Bewässerungsgräben war das ursprünglich trockene und wenig fruchtbare Küstenland dieser Gegend in ein wahres Paradies verwandelt. Der Goldreichtum des Flusses hatte das Seine dazu beigetragen; kurzum Tumbez war damals ein kleines Marseille. Zwei Jahrzehnte später (1548), als Pedro Cieza de Leon, der älteste Schilderer Perús (in seiner Cronica del Peru, Sevilla 1553), die Stadt besuchte, lag die einst gewaltige Burg in Trümmern; die Stadt war entvölkert und verkehrslos, ihre ehedem herrliche Umgebung verwüstet und verödet. So wenige Jahre spanischer Herrschaft hatten ein Land von vielhundertjähriger Kultur in die Barbarei zurückgeworfen! Seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts ist Tumbez in neuem Aufblühen. Noch immer ist die Vegetation hier üppiger und frischer als sonstwo an der heute ganz kahlen Küste.
Pizarro und die Horde der Abenteurer berauschte sich am Berichte Molinas und Candias. So war die Kunde vom Goldlande Perú doch kein Märchen! Offenbar war es an Schätzen noch viel reicher als das so fabelhaft reiche Mexiko. Es galt also, den Zug des Cortes zu wiederholen. Am liebsten hätten die Spanier die schöne Stadt auf der Stelle geplündert und einen Beutezug ins Innere unternommen. Aber Pizarro war klug und weise; er verbot Plündern und Raub bei Todesstrafe und gestattete nur ehrlichen Tauschhandel. Hätte er die Zucht seiner Leute damals nicht mit aller Strenge aufrecht erhalten, so wäre Perú vier Jahre später nicht erobert worden. Es kann kein Zweifel bestehen: der gute Eindruck, den die Spanier 1527 in Tumbez gemacht haben, hat den Untergang des Inkareiches begründet. Nie hat sich die herzliche Gastfreundschaft eines Volkes blutiger gerächt als die der Peruaner, da sie die Spanier zum ersten Male begrüßten. Es wäre ihr gutes Recht gewesen, die habgierigen Eindringlinge allesamt mit Knütteln totzuschlagen! Wer ein Kulturvolk aus Eroberungslust antastet, hat keinen Anspruch auf Barmherzigkeit.
Von Tumbez aus fuhr die Karavelle der Spanier weiter nach Süden, immer an der Küste hin, lief im Hafen von Paita ein und erreichte, etwa Ende September 1527, die Mündung des Sana (unter dem 7. südlichen Breitengrade). Überall erblickte man saubere Dörfer und stattliche Farmen, bebaute Fluren, Heeresstraßen und Brücken, Kanäle und Teiche, zahllose Merkmale von Reichtum und Gesittung; Auf den Hügeln am Sana sah man eine peruanische Begräbnisstätte. In einem Tempel standen Mumien, behangen mit Gold und Edelsteinen. Man verstand sich im alten Perú auf diese merkwürdige Kunst ähnlich wie im alten Ägypten. Und nirgends zeigten sich die Peruaner den Fremdlingen feindlich.
Die Fahrt ging bis zum 9. Breitengrade, bis zur Bucht von Kasma. Pizarro wäre noch weiter gefahren, aber seine Mannschaft rebellierte. Ohne Zaudern gab er nach; denn der Zweck seiner großen Erkundungsfahrt war bestens erreicht.
Von der Heimreise ist ein seltsames Zwischenspiel zu berichten. Man legte an einem Orte an, den die Spanier Santa Cruz tauften. Daselbst hatte eine vornehme Indianerin ihre Besitzung. Als die Karavelle vor Anker gegangen war, kam sie auf einer Gondel, um die Fremdlinge zu sehen. Pizarro empfing sie voll Galanterie und beschenkte sie mit allerlei abendländischem Tand. Von ihr eingeladen, machte er am andern Abend seinen Gegenbesuch, begleitet von einigen seiner Offiziere. Eine Ehrenpforte aus grünem Laub und bunten Blumen empfing ihn. Während des lukullischen Mahles tanzten und sangen Jungfrauen und Jünglinge. Bei Tisch fragte die peruanische Edeldame den Capitano, was die Fremden in dies Land führe. Da ließ er sich die Standarte reichen, die sein Stabstrompeter zu tragen pflegte, hielt eine kleine heitere Rede, in der er sagte, er sei im Namen seines Kaisers gekommen, um dies Paradies samt der Schönen darin zu erobern. In der Schlußwendung bat er sie, zum Zeichen, daß sie den neuen Herrn anerkenne, das Banner zu schwenken. Die Indianerin, der ein Dolmetscher die Worte vermittelte, nahm es lachend entgegen und tat wie ihr geheißen. Pizarro küßte ihr die Hand, stolz und frohgemut, daß ihm die erste Eroberung im fremden Lande so leicht geworden war.
Im Vorbeifahren landete man abermals in Tumbez. Der verliebte Alonso de Molina und noch ein andrer blieben in der Stadt. An ihrer Stelle schifften sich zwei oder drei Tumbezianer ein, um mit nach Panama zu fahren und Spanisch zu lernen. Schließlich sollten die beiden Kranken von der Isla Gargona geholt werden. Einer war gestorben; der andre samt den Indianern, die ihn gepflegt hatten, wurde mitgenommen.
Nach einer Abwesenheit von 18 Monaten, genau am letzten Tage der vom Statthalter gewährten Frist, wohl am 31. Oktober 1527, lief Pizarros Schiff im Hafen von Panamá ein.
Seine Wiederankunft erregte das größte Aufsehen. Allgemein hatte man geglaubt, Pizarro und Genossen seien verlorene Leute. Jetzt bestaunte man alle die mitgebrachten Beutestücke, besonders die seltsamen Schafe. Man gönnte und neidete den Entdeckern ihren Ruhm, je nachdem man an die Aussicht auf ein zweites Mexiko glaubte oder bezweifelte.
Pedro de los Rios, der Statthalter, verhielt sich den Hoffnungen und Plänen des Capitano gegenüber gänzlich ungläubig; zum mindesten stellte er sich aus Mißgunst so. Das Vorhandensein eines reichen Kulturlandes im Süden war zwar unleugbar. Es zu unterwerfen, forderte aber zweifellos erhebliche militärische und wirtschaftliche Mittel. Die Sache erheischte also Geld und Menschen, die seiner Kolonie abgingen, und eine gewisse Verantwortung hatte er obendrein. Alle Utopien abwehrend, erklärte er gemessen und nüchtern, einen neuen Staat errichten auf Kosten des von ihm verwalteten älteren, dünke ihn untunlich. Und weitere Menschenleben aufs Spiel zu setzen, könne er nicht zulassen. Für die paar goldenen und silbernen Kleinigkeiten und das Dutzend Lamas seien schon genug brave Leute geopfert.
Keiner der drei Verbündeten ließ sich abschrecken. Das nötige Geld mußte beschafft werden, und es gab keine andre Hilfe als einen Appell an den Kaiser, und dies wiederum konnte nur durch die Person eines der drei Entdecker mit Erfolg geschehen. Wer war der geeignetste dazu? Luque war durch sein Amt an Panama gefesselt. Der von Gestalt kleine, im Verkehr mit hohen Herren unbeholfene, obendrein durch den Verlust des einen Auges entstellte Almagro, eine brave Wachtmeisternatur ohne diplomatische Fähigkeiten, traute sich selber nicht an diese schwierige Mission. Es blieb Franz Pizarro übrig, der Weltmann genug war, bedachtsam und zielbewußt, um auch am allerhöchsten Ort die rechten Worte zu finden. Seine Geistesgegenwart verließ ihn nie. Feigheit und Furcht kannte er nicht, und keiner konnte die Mühsale und Gefahren der bisherigen Entdeckungsfahrten und die Wunder und Schätze des neuen Goldlandes so anschaulich und verführerisch schildern wie er. Er war ein geborener Erzähler.
Gleichwohl sträubte er sich vor seinen beiden Gefährten. Insgeheim mißtraute er ihnen, überzeugt, daß auch sie ihm innerlich mißtrauten. Er hatte keine Freunde in der Welt als sich selber und seinen Stern. Vor einer neuen Fahrt in den Süden,