Gabriel Ferry

Der Waldläufer


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zum Schwiegersohn nur einen Mann geträumt, schön, einsichtig und brav genug, um diese Grenzen gegen die indianischen Horden zu verteidigen, und ich würde alles bei ihm gefunden haben. Aber jetzt habe ich für Rosarita höhere Aussichten.«

      »Und vielleicht würdet Ihr nicht unrecht gehabt haben«, erwiderte der Mönch ernst. »Was ich erraten … was ich erfahren … habe, könnte aus Tiburcio einen noch viel begehrenswerteren Schwiegersohn machen, als Ihr ahnt.«

      »Es ist zu spät!« sagte der Hacendero. »Mein Wort ist gegeben, und ich werde es nicht wieder zurücknehmen.«

      »Dennoch habe ich gerade von ihm mit Euch zu sprechen«, erwiderte der Mönch. »Und wie dem auch sein mag, vielleicht wird es Euch nicht leid tun, mich anzuhören.«

      Die beiden Reiter waren gerade, nachdem sie durch den Palisadengürtel geritten waren, an den Fuß einer Treppe gelangt, die auf eine weite Halle und von da in den Salon der Hacienda führte. Es war dies ein weiter Saal, der durch eine Luftströmung, wie es in den heißen Ländern gewöhnlich ist, ständig kühl erhalten wurde. Feine chinesische, ausgezeichnet gearbeitete Matten bedeckten den Fußboden, der aus großen Werksteinen bestand, und andere, noch reicher gezeichnete Matten dienten als Vorhänge an den Fenstern. Die mit Kalk geweißten Mauern hoben sich durch einige seltene ausgemalte Kupferstiche in goldenen Rahmen ab; lederne Putacas, kleine Gesimse in den Ecken – auf denen in silbernen Braseros für die Raucher Kohlen, mit weißer Asche bedeckt, bereitlagen —, Sessel und ein Pfühl aus Palmrinde von englisch-amerikanischem Gepräge bildeten das ganze Hausgerät.

      Auf einem Tisch aus geglättetem Balsaholz ließen poröse Krüge das frische Wasser durchschimmern, das sich in ihnen befand. Breite Melonenschnitten boten auf einer großen silbernen Platte ihr rötliches Fleisch dar, das ein schmackhafter Saft mit rosigen Tröpfchen überstreute; Pitallas zeigten den dunklen Purpur ihrer Kerne neben Melonen und halbgeöffneten Granatäpfeln. Endlich waren auch noch Orangen, Grenadillen und süße Limonen da, und alle Früchte der heißen Klimate, die den Durst reizen beziehungsweise löschen, zeugten von den gastfreundlichen Absichten Don Agustins.

      »Erwartet Ihr denn Gäste?« fragte der Mönch beim Anblick dieser Vorbereitungen.

      »Don Estévan de Arechiza hat mich von seiner Ankunft heute abend mit einem ziemlich zahlreichen Gefolge in Kenntnis gesetzt, und ich treffe meine Maßnahmen, um einen so ausgezeichneten Gast würdig zu empfangen. Doch laßt hören, Fray José-Maria, was Ihr mir zu sagen habt!«

      Jeder setzte sich in einen Schaukelstuhl, von denen wir oben gesprochen haben, und während der Hacendero sich nachlässig, die Zigarre im Mund, darin wiegte, begann der Mönch zu erzählen.

      »Ich fand die alte Frau auf einer Steinbank ruhend an der Tür ihrer Hütte; denn sie hatte sich bis dahin schleppen können, um meine Ankunft zu erwarten.

      ›Seid gesegnet, mein Vater!‹ sprach sie zu mir. ›Ihr kommt noch zur rechten Zeit, um meine letzte Beichte zu empfangen. Mit Eurer Erlaubnis aber sollt Ihr, während Ihr Euch ein wenig ausruht, das mit anhören, was ich jetzt demjenigen sagen will, den ich immer als meinen Sohn angesehen habe und dem ich eine Rache zu hinterlassen habe, wenn ich nicht mehr sein werde.‹«

      »Wie denn, mein Vater?« unterbrach Don Agustin. »Ihr habt diesen Bruch des göttlichen Gesetzes erlaubt, das sagt: Die Rache ist mein, spricht der Herr!«

      »Warum nicht?« fragte der Mönch. »Darf nicht in diesen Einöden, in denen wir keine Tribunale haben, ein jeder an deren Stelle treten?« Nach dieser kurzen Rechtfertigung fuhr der Mönch fort: »Ich setzte mich also und hörte.

      ›Dein Vater ist nicht als ein Opfer der Indianer gefallen, wie wir es geglaubt haben‹, sagte die Kranke, sich an Tiburcio wendend; ›sein Begleiter hat ihn vielmehr erwürgt, um sich eines Geheimnisses zu bemächtigen, das ich dir sogleich sagen werde – aber nur dir allein!‹

      ›Gott allein, meine Mutter‹, erwiderte Tiburcio, ›könnte uns auch nur diesen Mann wiederfinden lassen, der uns unbekannt ist.‹

      ›Gott allein?‹ rief die Witwe mit verächtlicher Miene. ›Ist das die Sprache eines Mannes? Wenn die Indianer kommen, das Vieh des Vaqueros zu stehlen, sagt er dann: ›Gott allein kann mir zeigen, was daraus geworden ist?‹ Nein, er sucht, und sein Auge weiß die Spur zu finden. Von heute an, wenn ich deiner nicht mehr bedarf, wirst du es machen wie der Vaquero, und du wirst den Mörder wiederfinden. Das ist der letzte Wunsch der Frau, die deine Kindheit behütete, und du wirst ihn erfüllen!‹

      ›Ich werde gehorchen, Mutter‹, erwiderte der junge Mann.

      ›Höre, was ich dir noch zu sagen habe!‹ fuhr sie fort. ›Die Ermordung Arellanos‘ ist keine Vermutung – sie ist eine Wirklichkeit! Folgendes hat mir ein Vaquero gesagt, der aus der Gegend jenseits von Lubac zurückkehrte. Einige Tage zuvor war er zwei Reisenden begegnet; der eine war dein Vater, der andere war ihm nicht bekannt. Der Vaquero, der denselben Weg als sie zu verfolgen hatte, war durch Untersuchung ihrer Spuren zu der Überzeugung gekommen, die er mir mitteilte: Dicht an der Stelle, wo die beiden Reisenden übernachtet hatten, bewies das niedergetretene und mit Blut überschwemmte Gras, daß hier der Schauplatz eines schrecklichen Kampfes gewesen war. Die blutigen Spuren führten bis zu einem Fluß, in den wahrscheinlich das Opfer hineingestürzt war. Dieses Opfer war Marcos; denn weiterhin hatte der Vaquero die Richtung, die der Mörder eingeschlagen hatte, an der in den Sand gedrückten Hufspur seines Pferdes wiedererkannt; das Pferd nämlich, das dieser Mann ritt, strauchelte zuweilen auf dem linken Vorderfuß. Außerdem mußte in dem Kampf der Mörder am Fuß verwundet worden sein, denn der Eindruck des einen Fußes war viel tiefer als der des anderen und bewies offenbar, daß er seit kurzer Zeit hinke.‹«

      Der Hacendero hörte aufmerksam auf diese Probe des Scharfsinns seiner Landsleute, von dem sich zu überzeugen er täglich so viele Gelegenheiten hatte.

      Der Mönch fuhr in seiner Erzählung fort. »›Höre mich!‹ nahm die Sterbende wieder das Wort. ›Schwöre, Arellanos zu rächen, und du sollst reich genug sein, daß deine Wünsche selbst von dem stolzesten und reichsten Mädchen – wäre es auch von der Tochter Don Agustin Peñas, für die deine Neigung mir nicht entgangen ist – günstig aufgenommen werden würden. Heute kannst du ohne Torheit daran denken, denn du kannst ebenso reich sein als ihr Vater. Sage mir, ob du schwörst, überall den Mörder Arellanos‘ zu verfolgen.‹

      ›Ich schwöre es!‹ antwortete Tiburcio.

      Hierauf«, schloß der Franziskaner, »händigte die alte Frau ihrem Sohn ein Papier ein, auf dem Arellanos bei seiner Abreise die Marschroute verzeichnet hatte, die er selbst zu verfolgen gedachte. ›Mit den Schätzen, die dieses Papier dich wird finden lassen‹, fuhr die Sterbende fort, ›kannst du, wenn du willst, die Tochter eines Vizekönigs bestechen. Jetzt, mein Kind, da ich deinen Eid habe, laß mich diesem heiligen Mann beichten; ein Sohn darf niemals die Beichte der Mutter hören!‹«

      Der Mönch erzählte nun mit wenigen Worten den Tod der Witwe Arellanos‘; darauf schloß er mit den Worten: »Seht, Don Agustin, das nahm mich ganz in Anspruch und bewog mich zu dem Wort, daß Tiburcio Arellanos, obwohl von unbekanntem Herkommen, nichtsdestoweniger ein sehr annehmbarer Vorschlag für die schöne Doña Rosarita sei.«

      »Ich stimme bei«, sagte Don Agustin; »aber ich habe Euch schon gesagt, mein Wort ist an Don Estévan de Arechiza verpfändet!«

      »Wie? Dieser Spanier«, fragte der Mönch, »sollte Euer Schwiegersohn werden?«

      Der Hacendero lächelte mit geheimnisvoller Miene. »Er? Nein«, sagte er, »aber ein anderer! Don Estévan würde diese Verbindung nicht eingehen.«

      »Pest!« rief der Mönch. »Er ist schwer zu befriedigen!«

      »Vielleicht hat er ein Recht dazu«, erwiderte Don Agustin, mit derselben Miene lächelnd.

      »Aber wer ist denn dieser Mann?« fragte der erstaunte Mönch abermals.

      In dem Augenblick, als Don Agustin antworten wollte, kam ein Diener in das Zimmer, in dem diese Unterredung stattfand. »Don Agustin«, sagte er, »es sind zwei Reisende an der Eingangspforte, die Eure Gastfreundschaft für diese Nacht in Anspruch nehmen. Der eine von ihnen behauptet, mit Euch bekannt zu sein.«

      »Sie