Gustav Freytag

Die Ahnen


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ist die beste Botschaft, die du seit lange gehört, und wahrhaft jedes Wort; ich selbst sah das Land und sprach die Männer. Vom Main waren wir nordwärts geritten über die Grenze der Burgunden, durch mageren Kiefernwald und sandige Heide, da erblickten wir von der Höhe ein weites Tal, darin ein rinnendes Wasser, das sie den Bach der Schicksalsfrau, der heiligen Idis, nennen. Steile Hügel mit Laubwald, auf der Wiese so hohes Gras, daß unsere Rosse Mühe hatten durchzuschreiten. Dort weiß ich eine Berglehne, wohl geeignet für eines Königs Burg: wie von einer Warte sieht man über das Idistal und über die Wälder bis weit hinter den Main.«

      Ingo lachte. »Auch du, grauer Wanderer, hoffst auf Zimmerarbeit und einen warmen Sitz am eigenen Herde? Seltsam ist das Schicksal des Fahrenden, der Fürst weist mich von seinem Hofe, der Bauer bietet mir ein Land, gerade da wir wieder dahinziehen ohne Haft auf dem Boden, der Wolke ähnlich, die unter der Sonne treibt. Nur eines fürchte ich, du verständiger Wirt: durch die Mauern des Königs Bisino muß ich zu dem Idisbach reiten.«

      »Meide den König,« mahnte Bero, »weiche über die Grenze, so wirst du seiner ledig.«

      »Zürne nicht,« antwortete Ingo, »wenn ich diesmal in die Gefahr springe wie ein fahrender Recke und nicht herumgehe wie ein seßhafter Mann. Ich selbst habe dem König auf seine Ladung die Antwort gegeben, daß ich kommen werde, und ich halte mein Wort, obgleich er mir abhold ist. Auch du wirst die Fahrt nicht schelten. Denn meide ich jetzt noch den König, so erkennt er meinen feindlichen Sinn, und wenn unsere Knaben, wie du willst, im Frühjahr einen Holzring unweit seiner Landesmark zimmern, so würde seine Rache den Siedlern am Idisbach schnell ein finsteres Schicksal bereiten.« Er ergriff die Hand des Bauern. »In anderem will ich deinem Rate folgen, und darum sage mir jetzt, wie ich um den Landbesitz mit deinen Gastfreunden handeln soll, damit wir uns in der grünen Reisezeit durch Bündnis vereinen.«

      Die Helden neigten die Häupter und saßen lange in Beratung, während draußen die Schalmei und Sackpfeife tönte und die jauchzenden Paare zum Tanze zogen.

      7. Ingo am Königshofe

      Auf einer Anhöhe hielt Wolf, der den Vortrab führte, und wies mit der Hand in die Ferne. Vor der reisigen Schar erhob sich aus der schneebedeckten Landschaft der mächtige Steinbau einer Königsburg, hohe Mauern, dicke Türme mit Zinnen, dazwischen die rotbraunen Ziegeldächer der Königshäuser, ein schreckhafter Anblick für die Landgenossen. »Leicht mögen die Vögel in solchen Käfig hineinkommen, aber herauszufliegen wird nicht jedem gelingen«, brummte Berthar. Ein kurzer Hornton klang von den fernen Zinnen. »Dort rührt sich der Türmer, jetzt trabt, damit sie unseren Eifer erkennen.«

      Durch einen Hohlweg zwischen zwei Felsen ritten die Fremden dem steinernen Außenwerk zu, welches der Brücke vorgebaut und auf seiner Höhe mit bewaffneten Mannen besetzt war. »Die Knaben haben die Tore geschlossen, um sich auf unseren Besuch zu bereiten«, rief der Alte und schlug an den eisernen Klöpfel des Tores. Von der Höhe fragte der Türmer nach Namen und Begehr. Ingo antwortete. Aber lange harrte die Schar, und ungeduldig stampften die Rosse, bevor das schwere Tor sich knarrend öffnete und die Brücke dahinter zur Erde sank. Die Reiter sprengten in den Hofraum der Burg, an allen Türen drängten sich bewaffnete Männer; der Sprecher des Königs trat den Gästen entgegen, noch einmal klang Frage und Antwort, dann riet der Mann mit umwölkter Miene abzusteigen und geleitete die Helden, welche ihre Rosse am Zügel führten, vor die große Königshalle. »Wo weilt der Wirt?« rief Berthar unwillig gegen den Sprecher, »mein Herr ist nicht gewöhnt, die Schwelle des Hauses zu betreten, bevor der Hauswirt darauf steht.« Aber in dem Augenblicke öffnete sich die Tür der Halle, König Bisino stand im Kreise seiner Edeln am Eingang, neben ihm Frau Gisela. Ingo trat auf die Stufen und neigte sich. »Lange haben wir vergeblich auf dich gewartet, Fremdling, und säumig war der Lauf deines Rosses aus dem Walde zu meinem Sitz«, begann der König mit düsterem Blick. Sogleich aber trat Frau Gisela einen Schritt vor, sie bot dem Helden die weiße Hand zum Willkommen und winkte grüßend mit dem Haupt seinem Gefolge zu. »Da ich ein Kind war, nicht größer als hier mein Sohn, sah ich dich, Herr, in der Halle der Burgunden; aber wir denken vergangener Zeit und alter Freundschaft. Reiche dem Vetter die Hand«, befahl sie dem Knaben, »und siehe zu, daß du ein Held wirst, gerühmt in dem Volk wie er.«

      Das Kind hielt dem Gaste die Hand hin, Ingo hob den Kleinen zu sich empor und küßte ihn, und der Knabe hing sich sogleich vertraulich um den Hals des Mannes. Jetzt trat auch der König näher; zwischen dem Königspaar schritt Ingo in die Halle und tauschte mit beiden Worte der Begrüßung, bis der König dem Sprecher befahl, die fremden Gäste zur Herberge zu führen. Ingo kehrte zu seinem Gefolge zurück, die Mienen der Thüringe wurden freundlicher, ein und der andere Krieger trat zu den Fremden, begrüßte sie und begleitete sie an den Saal, der zur Wohnung der Gäste bestimmt war. Die Diener trugen Speise und Trank, Polster und Decken. Und wieder kam der Sprecher des Königs und lud Ingo zum Königsmahle.

      Es war später Abend, als Ingo von einem Kämmerer des Königs und dem Fackelträger geleitet zu der Herberge seiner Mannen zurückkehrte. An der Tür des Saales saß Berthar allein, das Schlachtschwert hielt er zwischen den Beinen, der Schild lehnte am Pfosten, im Fackellicht schimmerte sein grauer Bart und der Panzer unter dem Lodenrock. Ingo entließ grüßend die Diener des Königs, Berthar steckte die Fackel in die große Tülle des eisernen Leuchters, der mannshoch in der Mitte des Raumes ragte. Der Lichtschein fiel auf die Reihen der Männer, die auf den Polstern am Boden schliefen, das Schwert an der Seite, zu ihren Häuptern Helm und Panzerhemd. »Du hieltest treue Wache, Vater,« sprach Ingo, »wie behagen dir unsere neuen Wirte?«

      »Sie schielen,« lachte der Alte, »das Sprichwort gilt, je größer ein König, um so wilder die Flöhe in der Schlafdecke, die er dem zugewanderten Gast breitet. Mager war die Abendkost, die der Wirt bot, aber die Königin sandte Wein und süßes Zubrot, und deine Knaben liegen satt und reisemüde bei ihrem Heerschild. Es ist ein geräumiger Bau,« fuhr er fort, in die dunklen Winkel spähend, »dort auf der Bühne ist dir in einer Laube das Herrenlager aufgeschlagen. Merke, mein König, unter den Steinwänden der Riesenburg ist dies der einzige hölzerne Saal, abseit steht er an der Mauer, die ihn im Rücken überragt, und wenn einer der Königsmannen etwa bei Nacht eine Fackel an das Holzwerk legt und die Tür schließt, dann lodert der Saal still in Flammen auf, und das Knistern wird die Ruhe des Burgherrn wenig stören.«

      Ingo wechselte einen Blick des Verständnisses mit dem Alten und fragte leiser: »Wie war der Gruß der Königsmannen?«

      »Sie schlichen wie Füchse um das Nest, wenig sind sie an Hofsitte gewöhnt, sie prahlten mit der Macht ihres Gebieters und betrachteten prüfend unsere Waffen. Ich merke, Herr, sie hoffen alle, daß sie mit uns scharfen Schwertschlag tauschen werden. Mein König war zuweilen von Feinden umringt, nie aber war das Gehege so fest.«

      »Noch weiß König Bisino nicht, was er befehlen soll,« versetzte Ingo, »und die Königin ist uns wohlgesinnt.«

      »Keiner vom Hofgesinde rühmte mir, daß die Königin schön sei,« versetzte der Alte, »daraus erkenne ich, daß sie ihre Herrin fürchten. Vielleicht hilft die Furcht meinem König diese Nacht zu ruhigem Schlaf. Ich lösche die Fackel, damit ihr Schein nicht einem Speer die Ruhestätte verrät. Stets ist dem Gaste die erste Nacht in der Herberge die sorgenvollste.«

      »Vielleicht auch die letzte«, versetzte Ingo. »Mir ziemt die Wache, Vater, dich sende ich auf das Lager.«

      »Meinst du, der Alte würde schlafen, wo sich dein Auge nicht schließt?« Er trug für Ingo einen Sessel in die Nähe des Eingangs, wo der Schatten den Sitzenden deckte, dann lagerte er selbst wieder auf seinem Schemel, legte die Hände auf den Schwertgriff, lauschte nach dem Geräusch im Hofe und schaute zuweilen nach dem Sternenhimmel der frischen Winternacht. »Auch die Sterne dort oben sitzen, wie man sagt, auf silbernen Stühlen und wehren das Unheil von dem bedrängten Manne, welcher flehend zu ihnen aufsieht«, begann Berthar fromm. »Ich bin ein alter Stamm, und es ist Zeit, daß ich gefällt werde; auch für dich, mein König, habe ich zuweilen den Kampf mit edlen Feinden ersehnt, als ruhmvolles Ende deiner Mühen. Jetzt aber schaue ich am Walde ein gutes Weib, das dir treu gesinnt ist, und jetzt fürchte ich für dich die finstere Nachtwolke, welche uns vom Sternenlichte trennt, und ich fürchte den Nachtsturm, wenn er um dies Holzdach fährt. Denn in der Finsternis wird, so denke ich, der König tun, was ihm sein