Gustav Freytag

Die Ahnen


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ihm nötig.«

      »Treu hast du bisher unseren Vertrag erfüllt«, versetzte Winfried herzlich. »Und gern gebe ich das Zeugnis, daß ich vor anderen Menschen dir dankbar bin, wenn es mir gelingt, die harten Nacken am Taufstein zu beugen. Denn die Furcht vor deinen Bewaffneten ist mein einziger irdischer Schutz, und glaube mir, kein Tag vergeht, wo nicht hier im Hofe von meinen Getreuen für dein Wohl gebetet wird.«

      Herr Gerold neigte ein wenig das Haupt. »Ganz willkommen ist mir, wenn du mir im Himmel gutes Gemach bereitest, denn ich selbst habe wenig Geschick dazu. Aber nicht weniger lieb wäre mir, wenn du mir auch auf anderen Wegen deine Treue bewährtest; und daß ich dir‘s geradeheraus sage: mir gefällt nicht, daß du den Boten des Ratiz freies Geleit zu dem Helden Karl ausgewirkt hast, und daß du über die Grenze bis in das Wendenland geschorene Boten laufen läßt, denn du handelst gegen meinen Vorteil und wohl auch gegen den eigenen.«

      »Erwäge auch,« versetzte Winfried ruhig, »daß ich nichts getan habe ohne dein Wissen. Mein Beruf ist, auf der Männererde den Frieden Gottes zu verkünden, wie durfte ich mich weigern, dem Helden Karl den friedfertigen Wunsch des Ratiz zu melden. Wir vernahmen, daß der Räuber mit manchem von seinem eigenen Volke verfeindet ist, und dem großen Frankenherrn selbst war willkommen, auch über die Slawen an der Grenze seine Herrschaft zu breiten.«

      »War es ihm willkommen,« versetzte Gerold zornig, »mir und anderen, die an der Grenze gebieten, wäre es verhaßt und unleidlich. Meinst du, daß wir den Ratiz als Grenzgrafen neben uns dulden werden, zu unserem Schaden an Land und an Zehnten? Und heut sage ich dir, mich freut‘s, daß es mir und meinen Fürsprechern gelungen ist, ihn bei Herrn Karl zu hindern. Ohne günstigen Bescheid kehren die Sorben zurück, und dem Ratiz ist befohlen, über die Saale zurückzuweichen.«

      »Und wenn er es nicht tut?« fragte Winfried.

      »Dann soll er der erste sein, den wir fällen, damit Furcht das Slawenvolk bändige.«

      »Wenn aber seine Landsleute ihm helfen?«

      »Das gerade ist, was ich will«, rief Gerold. »Meinst du, ich habe Lust, diesen Sommer mein Schwert müßig in der Scheide zu tragen?«

      »Und neu erhebt sich Mord und Brand und die Greuel des Grenzkrieges,« rief Winfried traurig, »zerstörte Höfe sehe ich, erschlagene Wirte, und die Wehrlosen gleich dem Vieh getrieben, verwildert auch die Herzen der Sieger.«

      »Ich habe dich weise gefunden auch in weltlichen Dingen,« versetzte Gerold, »diese Rede aber dünkt mir töricht. Ob du die Thüringe deiner Lehre unterwirfst, das hängt jetzt nicht allein von den Gebeten ab, die du ihnen vorsprichst, sondern von den Schlägen, welche ich mit einem Volksheer den Wenden zuteile. Denn die Heiden werden dir nur dann ihre Hälse zuneigen, wenn sie unter dem Christenbanner Sieg erhalten. Und wenn du einst die Ostvölker bekehren willst, so werden auch diese erst auf deine Worte hören, wenn sie erkennen, daß ihre Götzen nicht mehr Sieg spenden.«

      »Mein Werk ist es, den Völkern der Erde den Frieden des Gottesreiches zu verkünden,« antwortete Winfried, »dein Amt ist, die Feinde des Frankenherrn niederzuwerfen. Durch viele Jahre habe ich erfahren, daß die heilige Lehre nicht plötzlich Sinn und Gedanken der Männer wandelt, und manches Menschenalter mag vergehen, bevor die Christen selbst die Worte der Liebe und des Erbarmens begreifen. Ich weiß auch, daß nur ein Volk, welches den Heiden siegreich widersteht, sich den Christenglauben bewahrt, darum will ich, daß die Herrschaft der Franken sich so weit breite, als es mir gelingt, meinem Himmelsherrn Bekenner zu gewinnen. Mit dem hohen Fürsten Karl habe ich dies vereinbart, daß er der einzige weltliche Herr sein soll über alles bekehrte Heidenland, wie der Bischof zu Rom der einzige Vogt des Himmelsherrn. So weit wünsche ich dir Sieg, und ich darf zu dem Allwaltenden flehen, daß er ihn deiner Heldenkraft gewähre. Aber wenn du den Kampf begehrst aus Begierde nach Kriegsruhm und Beute, dann hüte dich, daß nicht auch dich die Strafe treffe, wenn du aus diesem kurzen Leben in das ewige hinübergehst.«

      »Meine Sorge um das Himmelreich habe ich in deine Hände gelegt, Bischof,« versetzte der Graf mit geheimem Bangen, »und ich vertraue, du wirst meinen Vorteil dort wahrnehmen, wie auch ich hier für den deinen kämpfen will, obgleich du mir zuweilen widerstehst. Und so laß uns wieder gute Gesellen sein; ich reite an die Grenze, und bald mag deine Fürbitte mir heilsam werden.«

      Er schritt klirrend aus der Tür, und Winfried sagte hinter ihm still zu sich selbst: »Ich hole mir bessere Freude bei meinen kleinen Pfleglingen.« Er wandelte in das Arbeitshaus, grüßte die Frauen und Kinder, schritt mit Walburg durch alle Räume, ließ sich berichten, was in seiner Abwesenheit getan war, und betrachtete die Werke des Webstuhls und die Schätze der Vorratskammer. Lächelnd rührte er an das Schleiertuch der Jungfrau, welches die eine Hälfte ihres Gesichtes deckte. »Ich muß die Kunst des Arztes rühmen, denn gut hat er dir die Wunde geheilt, und der Schade wird noch durch die Zeit gebessert. Bald kommt wohl einer und der andere und begehrt dich zur Hausfrau. Wir aber werden dich ungern missen, denn dein Sinn ist fest, und was deine Hand berührt, gedeiht. Du bist zur Hälfte geschleiert, vielleicht gibt Gott dir die Gnade, daß du dein ganzes Leben seinem Dienste weihst.«

      Da errötete Walburg, aber sie sah dem Bischof offenherzig in das Gesicht, als sie antwortete: »Oft kam mir der Gedanke, für mein Leben hierzubleiben, als ich mit der Wunde saß; denn selig ist der Frieden in deiner Nähe, und viel Leidvolles habe ich erfahren. Aber, mein Vater, auch ohne Gelöbnis bin ich gebunden an das Schicksal eines anderen. Zürne nicht, wenn ich dich an den Mann mahne, welcher frevelhaft das Eisen gegen dein Haupt gehoben hat.«

      Die Stirn des Bischofs umwölkte sich, war es Zorn gegen Ingram oder Unwille, weil jemand seinem Wunsche widerstand, im nächsten Augenblick sah er wieder gütig auf das Weib, welches flehend die Hände faltete. »Sie haben ihm den Frieden genommen, Walburg, nachdem er ihn vorher selbst verloren hatte.«

      »Deshalb will ich zu ihm, ehrwürdiger Vater.«

      »Du, Jungfrau?« fragte Winfried erstaunt, »in die Wildnis, in ein fernes Land, zu einem verachteten Haupte?«

      »Wo er auch atme, wie er auch lebe, in dem wilden Wald, unter dem Fels, bei Raubtieren und Raubgenossen, ich will zu ihm. Denn, Herr, ich bin‘s ihm schuldig.«

      »Deinem Vater im Himmel bist du schuldig, nichts zu tun, was gegen seine Gebote ist. Auch Zucht und Sitte sind dem Weibe geboten, und waghalsiges Preisgeben des eigenen Lebens ist ihm Unrecht.«

      »Ich verstehe die Lehre, ehrwürdiger Vater«, versetzte Walburg demütig. »Sonst habe ich mich züchtig gehalten und stolz gegen werbende Knaben, auch gegen ihn. Er aber hat seine Freiheit um mich gewagt und sein Leben. Frevelhaft war das Wagnis, ich weiß es, mein Vater, und allzu hart habe ich es ihm selbst gesagt, das reut mich jetzt. In Not und Elend ist er um meinetwillen gekommen, ich will gehen, ihn zu retten.«

      »Vermagst du das, Mädchen?«

      »Der liebe Gott wird mir gnädig sein«, antwortete Walburg.

      »Weißt du schon,« fragte Winfried prüfend, »ob er sich deine Nähe begehrt? Baust du auf das Verlangen, das er einst hatte, dich zu besitzen? Walburg, mein armes Kind, das Angesicht, welches er holdselig fand, hast du verdorben.«

      Walburg sah vor sich nieder, und um ihren Mund zuckte der Schmerz. »Bei Tag und Nacht habe ich daran gedacht, und ich fürchte sehr, mein Antlitz ist ihm verleidet. Aber mein toter Vater war sein Gastfreund, und er wird die Tochter als eine gute Bekannte aufnehmen, wenn er sich auch fortan ein anderes Weib begehren sollte.«

      »Wo birgt sich der Heillose?«

      »Oben im Bergwald, sein Diener Wolfram wird mich zu ihm führen.«

      »Und wenn ich dir verbieten wollte, dein Leben und deine Seele an die Wildnis zu wagen, was würdest du dann tun?«

      Walburg sank vor ihm auf die Knie, und die gerungenen Hände zu ihm aufhebend, antwortete sie leise: »Ich müßte doch gehen, ehrwürdiger Vater.«

      »Walburg«, rief der Bischof drohend, und zornig blitzten seine Augen. Schnell erhob sich Walburg. »Was hat dich getrieben, Herr, als du hierherkamst unter die Heiden? Dein heiliges Haupt gibst du täglich dem Haß und der Bosheit deiner Feinde preis. Sorglos und fröhlichen Herzens reitest du durch die Dörfer der Heiden und fragst nie,