Charles Sealsfield

Tokeah


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Hütten und Dörfer mit sich führen. Mitten in diesem tobenden Sturme ließ sich ein leises Tappen an dem Fensterladen der oben beschriebenen Hütte vernehmen, dem bald darauf ein starkes Pochen oder vielmehr heftige Schläge folgten, die die Balken, aus welchen die Hütte gezimmert war, in ihren Grundfesten erschütterten. Nicht lange nach dieser Aufforderung öffnete sich die Tür zur Hälfte, ein Kopf streckte sich heraus in die finstere Nacht, als wollte er den Grund rekognoszieren, während in demselben Augenblicke der Schaft eines Karabiners vorrückte, zweifelsohne um dem Inwohner die fernere Mühe des Öffnens zu ersparen. Zu gleicher Zeit trat eine lange Gestalt heran, riß die Türe weit auf und schritt mit starken Schritten in die Stube, wo sie vor dem Feuerplatze ihren Sitz nahm, hinter ihr drein eine Gruppe von Wesen, die halb schreitend, halb trabend ihrem Führer in einer Linie und im tiefsten Schweigen folgten.

      Es dauerte ziemlich lange, bis ungefähr zwanzig dieser Nachtgestalten in die Hütte eingedrungen waren. Als der Zug sein Ende erreicht hatte, schloß sich die Türe wieder; ein kolossaler Mann näherte sich dem Feuerplatze, wo ein dicker Klotz noch glimmte, warf einige Scheite darauf und zündete einen der Pechspäne an, die in einem Haufen in der Nähe lagen, dann, auf den Schenktisch gemessenen Schrittes zutretend, ergriff er ganz ruhig ein Talglicht und setzte es angezündet auf den Tisch.

      Das kunstlose – beinahe rohe Innere der Hütte, so ganz dem Äußern entsprechend, ließ sich nun deutlicher im düstern Schein des Talglichtes – und des allmählich auflodernden Feuers ersehen. Auf einem Stuhle vor dem Feuerplatze saß der Mann, der zuerst eingetreten war, eine blutbefleckte Wolldecke über den ganzen Leib geworfen, so daß Gesicht und Gestalt verhüllt waren. Hinter ihm auf dem Lehmboden kauerte eine Gruppe von zwanzig Indianern auf ihren Hüften, ihre Schenkel ineinander verschlungen, ihre Gesichter gleichfalls in ihre nassen Wolldecken gehüllt, an denen große Blutflecken anzudeuten schienen, daß der Charakter der Expedition, von der sie kamen, ziemlich blutig gewesen sei.

      Gegenüber dem Feuerplatze stand in der Ecke der Schenktisch, hinter dessen Gitterwerk ein Dutzend schmutziger Flaschen und noch schmutzigere Gläser und Krüge aufgestellt waren. Drei blau angestrichene Fäßchen mit der Überschrift French Brandy, Gin, Monongehala standen eine Stufe tiefer. Ein Haufen von Hirsch-, Biber-, Bären- und Fuchsfellen zur linken Seite reichte beinahe bis zum Geländer und zeugte von lebhaftem Verkehr mit der kupferfarbigen Rasse. Zunächst diesem erhob sich ein ungeheures Himmelbett, umringt von drei niedrigern Bettstellen und einer Wiege oder vielmehr einem Troge, einem Fragment von einem hohlen Baume, an dessen Ende Stücke von Brettern genagelt waren. In diesen verschiedenartigen Behältnissen genoß die Familie des Gastgebers, den lauten, ziemlich groben Lungentönen nach zu urteilen, einer unerschütterlichen und vollkommenen Ruhe. Die Wände der Stube zeigten die rohen und unbehauenen Baumstämme, deren einzige Ornamente breite Streifen von Lehm waren, welche die Zwischenräume ausfüllten.

      In dieser Stube nun, die, nach ihren mannigfaltigen Bestimmungen zu schließen, der Leser sich ziemlich geräumig vorstellen muß, sah man den Wirt beschäftigt, die Stühle und Bänke, die die Eindringer ohne weiteres über den Haufen geworfen hatten, wieder in Ordnung zu bringen, und dies ganz in der ruhigen, kalten, trotzigen Manier, die einen hätte vermuten lassen sollen, seine Gäste seien eher Nachbarn, als soeben von einer blutigen Expedition zurückgekehrte Wilde, vielleicht gekommen, seinen und der Seinigen Bälge als Zugabe zu ihrer Expedition mit sich zu nehmen. Nachdem er den letzten Stuhl an seinen Ort gestellt, setzte er sich selbst zunächst dem Manne, der als Führer der Bande den Platz im Vordergrunde genommen hatte.

      Einige Minuten mochten so beide gesessen sein, als der letztere sich aufrichtete und einen Teil seines Hauptes entblößte, dessen andere Hälfte mit einem Stücke von Kaliko verbunden war, an dem kleine Knoten geronnenen Blutes gleich Fransen hingen. Der Hinterwäldler warf einen Seitenblick auf den Indianer, wandte jedoch sein Auge in der nächsten Sekunde dem knisternden Feuer zu.

      »Hat mein weißer Bruder keine Zunge?« nahm endlich der Indianer das Wort, »oder läßt er sie warten, um sie desto besser zu krümmen?«

      Die letzten Worte waren in einem tiefen, höhnischen Kehlentone gesprochen.

      »Er will anhören, was der Häuptling sagen wird«, erwiderte mürrisch-trocken der Amerikaner.

      »Gehe und rufe dein Weib«, sprach der Indianer in demselben tiefen Baßtone.

      Der Wirt erhob sich, wandte sich gegen das gewaltige Ehebett und sprach, nachdem er die Vorhänge auseinander getan, mit seiner Frau, die sich im Bette aufgerichtet und wie es schien, eher neugierig als ängstlich, der kommenden Dinge geharrt hatte. Nach einem kurzen Zwiegespräch kam das Weib aus ihrem Hinterhalte. Sie war eine derbe Dame, breitschulterig und vollgewichtig, mit einem Zuge in ihrem eben nicht sehr zart geformten Gesichte, der deutlich aussprach, daß sie nicht leicht außer Fassung gebracht werden könne. Ihr Überrock von Linsey-Woolsey, für täglichen und nächtlichen Gebrauch bestimmt, hob ihre gewaltige Gestalt noch mehr heraus, als sie festen Schrittes und beinahe aufgebracht neben ihrem Ehemanne heranschritt. Die drohende Ruhe ihrer Besucher jedoch, ihre blutigen Köpfe und Wolldecken, nun erhellt durch die hochaufschlagende Flamme, erschienen so üble Vorbedeutungszeichen, daß das gute Weib sichtlich zusammenschrak. Ihre ersten Schritte, die rasch und zuversichtlich auf die Indianer gerichtet waren, begannen zu wanken, und mit einem unwillkürlichen Schauder drehte sie sich nach der Seite, wo ihr Mann wieder seinen Sitz genommen hatte. Eine Minute verging in düsterm Schweigen.

      Der Indianer erhob nun sein Haupt, ohne jedoch aufzublicken, und sprach im strengen Tone: »Höre, Weib, was ein großer Krieger dir sagen wird, dessen Hände offen sind und der das Wigwam seines Bruders mit vielen Hirschhäuten füllen wird. Für dieses wird er bloß wenig von seiner Schwester verlangen, und dieses wenige mag sie leicht geben. Hat meine Schwester,« fragte der Indianer mit erhöhter Stimme, einen Blick auf das Weib richtend, »hat sie Milch für eine kleine Tochter?«

      Das Weib sah den Indianer verwundert an.

      »Will sie«, fuhr dieser fort, »ein weniges von ihrer Milch einer kleinen Tochter geben, die sonst wegen Mangels sterben würde?«

      Die Züge des lauschenden Weibes heiterten sich in dem Maße auf, als es ihr klar zu werden anfing, daß der Indianer etwas von ihr wolle und es also in ihrer Gewalt stände, eine Gunst zu gewähren oder auch zu versagen. Sie dehnte sich von der Seite ihres Ehemanns dem Indianer zu und schien mit Sehnsucht nähere Aufschlüsse über eine so sonderbare Zumutung zu erwarten.

      Der Indianer, ohne sie im mindesten eines Blickes zu würdigen, öffnete die weiten Falten seiner Wolldecke und zog ein wunderschönes Kind, in kostbare Pelze gehüllt, hervor.

      Das Weib stand einige Augenblicke wie erstarrt über die liebliche Erscheinung; Verwunderung und Erstaunen schienen ihre Zunge gefesselt zu haben. Neugierde jedoch, dieses liebliche Wesen näher zu besehen und vielleicht Muttergefühl lösten nun auf einmal diese.

      »Guter Gott!« rief sie, während sie beide Hände ausstreckte, das Kind zu empfangen. »Guter Gott! Was für ein lieblich, wunderlieblich kleines Ding und guter Eltern Kind muß es auch noch sein. Ihr könnt Euch drauf verlassen. Schwören wollte ich. Schaut nur einmal die Felle und die feinen Spitzen. Habt Ihr in Euerm Leben so etwas gesehen? Wo habt Ihr das Kind her? Armes, kleines Ding! Jawohl will ich›s füttern. Es ist ja kein rotes Kind.«

      Die Dame schien guter Lust zu sein, ihrer Verwunderung noch eine Weile freien Lauf zu lassen; ein bedeutsamer Wink ihres Mannes jedoch schloß ihr den Mund. Der Häuptling, ohne sie der geringsten Aufmerksamkeit zu würdigen, entfaltete das blaue Fuchspelzchen, streifte es dem Kinde ab und schickte sich an, es aus dem Überröckchen zu ziehen. Es war ihm nach einiger Mühe gelungen, dem Kinde auch dieses abzuziehen; allein ein drittes, viertes und fünftes erschien, in welche die Kleine gleich wie ein Seidenwurm in seine Kokons eingehüllt war. Der Indianer verlor mit einem Male die Geduld und sein Schlachtmesser ergreifend, schnitt er dem Kinde die drei noch übrigen Kleidchen vom Leibe, es dann nackt der Wirtin hinhaltend.

      »Eingefleischter Satan!« kreischte das schaudernde Weib, indem sie das Kind mit Gewalt aus seinen Händen riß.

      »Halt!« sprach der Indianer, kalt und unbeweglich auf den Hals des Kindes blickend, von dem ein goldnes Kettchen mit einer kleinen Medaille hing. Das Weib, ohne ein Wort zu sagen, streifte die Kette dem Kinde