Georg Ebers

Die Nilbraut


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Spuren eines männlichen Fußes im Staube entdeckt. Sie war seltsam gebildet, und statt fünf Zehen gab es ihrer nur drei zu erkennen. Dein Hiram wurde gebracht, und es fanden sich bei ihm ebensoviel Zehen wie auf dem Marmor, nicht weniger, nicht mehr. Ein Hengst hat ihn im Stall Deines Vaters getreten, und der Arzt ihm zwei seiner Zehen abnehmen müssen; das ist dem Stotterer mühsam genug abgefragt worden. An der andern Seite der Schwelle war eine kleinere Spur, aber so wenig die Hunde acht auf sie gaben, ich habe sie bemerkt und sicher festgestellt, — wie, brauchst Du nicht zu erfahren — daß Du es gewesen, die dort gestanden. Er, der kein Recht hat, dies Haus zu betreten, ist in dieser Nacht in unser Tablinum, unsere Schatzkammer gedrungen. Denke Dich nun in die Seele der Richter! Wie schwer kann wohl gegen solche Thatsachen das bloße Wort einer Jungfrau ins Gewicht fallen, von der jedermann weiß, daß sie mit meiner Mutter nichts weniger als eins ist, und der alles darauf ankommen muß, ihren Diener zu retten.«

      »Nichtswürdig!« rief Paula. »Aber Hiram hat den Stein nicht gestohlen, Du weißt es ja selbst, wer es gethan hat. Der Smaragd, den er verkaufte, mein Eigentum war er, und sehen sich diese Steine wirklich so ähnlich, daß selbst der Verkäufer...«

      »Ja, ja! Er konnte sie nicht unterscheiden. Böse Dämonen sind bei alledem im Spiel, teuflische, hämische Geister. Es möchte einem der Verstand dabei stille stehen, wenn das Leben nicht so voll von Wundern wäre. Du selbst bist ja das größte! Hast Du dem Syrer den Smaragd zu verkaufen geboten, um mit dem Erlös aus diesem Hause zu fliehen? Du schweigst? So traf ich doch wohl das Rechte! Was kann der Vater Dir sein, Du liebst die Mutter nicht, und den Sohn — Paula, Paula, Du thust ihm doch vielleicht Unrecht! — Ihn hassest Du, ihm zu schaden ist Dir eine Lust.«

      »Weder Dir noch irgend einem andern möchte ich weh thun,« versetzte das Mädchen, »und Deine Vermutung ist falsch. Dein Vater versagt mir die Mittel, den meinen zu suchen...«

      »Und Du hast Dir Geld schaffen wollen, um weiter nach dem längst Verstorbenen zu forschen. Selbst die Mutter gibt zu, daß Du die Wahrheit liebst, und hat sie recht, und es freut Dich in der That nicht, mich zu verderben, so höre mich, folge meinem Rat, erfülle meine Bitte! Ich verlange nichts Großes.«

      »Dann rede.«

      »Weißt Du, was eines Mannes Ehre bedeutet? Brauch’ ich Dir zu sagen, daß ich ein verlorener, geächteter Mensch bin, wenn ich um dieser That des hirnlosesten Leichtsinns willen von den Richtern des eigenen Hauses verurteilt werde? Dem Vater kann es das Leben kosten, wenn er erfährt, daß das ›Schuldig‹ über mich verhängt ward, und ich — ich — was aus mir würde, wenn dies geschähe, ich kann es nicht absehen... ich... Gott, Gott, schütze mich vor Wahnsinn! Aber Ruhe, Ruhe... Die Zeit drängt... Wie anders steht es mit Deinem Diener; er scheint schon jetzt bereit, die Schuld auf sich zu nehmen; denn wie man ihn auch ausfragt, er behauptet Schweigen. Thue Du dasselbe, und heben die Richter lebhaft die Verbindung hervor, in der Du in dieser Nacht mit dem Syrer gestanden — die Hunde fanden seine Spuren auf Deiner Treppe — so sprich die Vermutung aus, der treue Mann habe sich des Smaragden bemächtigt, um Dein Verlangen zu befriedigen, Deinen Vater, seinen lieben Herrn, weiter zu suchen. Kannst Du Dich entschließen, dies schwere Opfer zu bringen, — o, daß ich es fordern muß! — so schwöre ich Dir bei allem, was mir heilig ist, bei Dir selbst und bei dem Haupt meines Vaters, daß ich Hiram in spätestens drei Tagen ungeschlagen und ungefoltert, fürstlich beschenkt aus der Haft entlasse und ihm selbst die Wege bahne, zu fliehen, wohin er nur mag, oder ist es Dir lieb, Deinen Verstorbenen weiter zu suchen. — Schweige, halte Dich gelassen im Hintergrunde; das ist alles, was ich verlange, und daß ich mein Wort halten werde, daran wenigstens, nicht wahr, daran zweifelst Du nicht?«

      Tief atmend hatte sie ihm zugehört. Sie empfand Mitleid, tiefes Mitleid mit ihm, wie er da bittend und von tiefer innerer Pein gemartert vor ihr stand, ein Missethäter, der es immer noch nicht fassen konnte, es zu sein, und der auf das Zutrauen baute, das er gestern noch berechtigt gewesen, von aller Welt zu fordern. Wie ein schöner, stolzer Baum, in den der Blitz geschlagen, und der nun wankend und mit geborstenem Stamme beim nächsten Unwetter zu Boden stürzen muß, wenn ihn der Gärtner nicht stützt, stand er vor ihr, und am liebsten hätte sie alles, was ihr von ihm zugefügt worden war, vergessen und seine Hand freundlich und tröstend ergriffen; aber ihr tief verletzter Stolz half ihr die kühle, ablehnende Haltung wahren, die es ihr bis jetzt zu behaupten gelungen.

      Zaudernd und gemessen willigte sie ein, so lange er sein Versprechen halte, zu schweigen. Weniger um seinet- als um seines Vaters willen werde sie sich zu seiner Mitschuldigen machen; doch damit sei alles aus zwischen ihnen, und sie werde die Stunde segnen, welche sie von ihm und den Seinen für alle Ewigkeit trenne.

      Der letzte Teil ihrer Rede klang unsagbar abweisend und hart, und sie mußte sich eines solchen Tones bedienen, um nicht zu verraten, wie tief sie sein Unglück und das Erlöschen des Sonnenscheins in seinem Wesen ergreife, der auch ihr einst das Herz so selig erwärmt; ihn aber wehte es eisig an aus ihren Worten, aus denen schnöde Mißachtung und feindseliger Groll zu sprechen schien. Mühsam hielt er an sich, um sich nicht abermals zu heftigen Worten hinreißen zu lassen. Es war ihm fast leid, ihr sein Geheimnis anvertraut, sie um Gnade gebeten, nicht den Dingen ihren Lauf gelassen und sie, kam es zum Aeußersten, mit sich ins Verderben gezogen zu haben. Lieber wollte er Ehre und Ruhe einbüßen, als sich noch einmal vor dieser erbarmungslosen, kaltherzigen Feindin demütigen. In diesem Augenblick haßte er sie wirklich, und er wünschte sich, mit ihr kämpfen zu dürfen, ihren Stolz zu brechen und die Besiegte, um Erbarmen bettelnd, vor seinen Füßen zu sehen. Mühsam, mit glühenden Wangen und gepreßter Stimme schloß er:

      »Trennung von Dir, Dir, ist für uns alle das Beste. Halte Dich bereit, bald werden die Richter Dich rufen.«

      »Gut,« lautete die Antwort, »ich schweige, Du aber sorgst für die Rettung des Syrers; ich habe Dein Wort.«

      »Und so lange Du dem Deinen treu bleibst, werd’ ich es halten; sonst,« fuhr es ihm über die vor Empörung bebenden Lippen, »sonst Kampf bis aufs Messer!«

      »Bis aufs Messer!« versetzte sie mit funkelnden Augen. »Aber noch eins! Ich habe Beweise, daß der Smaragd, den ihr bei Hiram gefunden, mir gehört hat, bei allen Heiligen, ich hab’ sie!«

      »Desto besser für Dich,« versetzte er dumpf. »Wehe uns beiden, wenn Du mich zwingst, zu vergessen, daß Du ein Weib bist!« Damit verließ er raschen Schrittes den Saal.

      Zwölftes Kapitel.

      Mit geballter Faust und grollendem Blick stieg Orion die Treppe hinunter. Das Herz that ihm weh zum Zerspringen.

      Was hatte er gethan, was war aus ihm geworden!

      So durfte ein Weib ihm begegnen, ein Weib, das er seiner Liebe gewürdigt, das schönste, edelste der Weiber, das hochmütigste, rachedürstigste, hassenwerteste zugleich! Er hatte einmal das Wort gelesen: »Wer etwas Niedriges begangen, um das auch nur ein anderer weiß, der trägt das Todesurteil seiner Ruhe in den Falten seines Gewandes.« Er fühlte die Wucht dieses Urteils, und die andere, die Mitwisserin, war Paula, war diejenige, von der er am meisten gewünscht hätte, daß sie zu ihm hinaufschauen möge. Seligkeit auf Erden hätte es ihm noch gestern geschienen, sie in den Armen halten, sie sein nennen zu dürfen, jetzt fühlte er nur den einen Wunsch, sie zu demütigen, sie zu strafen. Und daß ihm die Hände gebunden waren, daß er wie ein Verurteilter von ihrer Gnade abhing! Es war nicht zu fassen, war unerträglich! Aber sie sollte ihn kennen lernen! Wie ein weißer Schwan war er bis dahin durchs Leben gezogen; wenn diese unseligen Stunden, wenn dies Weib ihn zum Geier machte, war es nicht seine, war es ihre Schuld! Bald sollt’ es sich erweisen, wer der Stärkere war von ihnen beiden. Wie man ein Weib nur immer züchtigen kann, mußt’ er sie strafen, und wenn der Weg dazu durch Verbrechen und Elend führte! Daß der Arzt ihre Neigung gewonnen habe, fürchtete er nicht; denn mit wunderbarer Sicherheit empfand er, daß trotz aller Feindseligkeit, die sie ihm zu fühlen gab, ihr Herz ihm und nur ihm gehöre. »Das Goldstück der Liebe,« sagte er sich, »hat zwei Seiten: zärtliches Verlangen und bitteren Haß; jetzt zeigt sie mir diesen, aber wie verschieden auch Bild und Schrift an der Münze sein mögen, wenn man sie klingen läßt, gibt es doch nur einen Ton, und der liegt auch in ihren verletzendsten Worten.«

      Bei der Familientafel entschuldigte