Gustav Weil

Tausend Und Eine Nacht


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und seine Abwesenheit kann nur von kurzer Dauer sein.« Der Vezier ging hinaus, um ihn zu suchen, fand aber an seiner Stelle den Buckligen, mit dem Kopfe auf dem Boden und die Füße in die Höhe gestreckt. Ganz erstaunt fragte er ihn: »Was soll diese Stellung heißen? wer hat dies getan?« —»Warum auch«, erwiderte betrübt der Bucklige, »habt ihr mich mit der Geliebten der Büffel und Geister vermählt?«

      Nun sagte der Vezier: »Komm doch einmal heraus, was bleibst du in diesem engen Raume?« — »Ich darf diesen Ort nicht verlassen«, erwiderte der Bucklige, »bis nach Sonnenaufgang; denn als ich gestern hier ein Bedürfnis verrichten wollte, kam mir auf einmal eine schwarze Katze miauend in den Weg, sie ward immer höher, bis sie die Größe eines Büffels erreichte, dann sagte sie mir etwas in die Ohren; doch lasse mich jetzt und gehe deines Weges, Gott wird meine Unschuld belohnen und meine junge Frau verdammen.« Der Vezier führte ihn jedoch heraus und der Bucklige ging sogleich zum Sultan, um ihm von allem, was vorgefallen, Bericht zu erstatten. Der Vezier hingegen kehrte betroffen zu seiner Tochter zurück, nicht wissend, was er von dieser ganzen Geschichte denken solle. Er fragte dann noch einmal seine Tochter, was denn in der letzten Nacht mit ihr vorgegangen. »Ich weiß von nichts anderem, mein Vater«, erwiderte sie, »als daß ich bei dem geschlafen, in dessen Gegenwart ich aufgeputzt worden bin; auch liegt hier auf dem Stuhl sein Turban, sein Kaftan und ein Sacktuch, und unter der Matratze liegen seine Beinkleider, in denen etwas eingewickelt ist, ich weiß nicht was.« Als der Vezier den Turban seines Neffen Hasan betrachtete und ihn umkehrte, sagte er: »Wahrhaftig, dies ist der Turban eines Veziers nach der Tracht der Mossulaner.« Er bemerkte dann auch, was in der Kappe eingenäht war und er für ein Amulett hielt, dann fand er in den Beinkleidern den Beutel, worin 1000 Dinare waren; er öffnete das Papierchen, das darin war und las: »Hiermit verkauft Hasan aus Baßrah dem Juden Ishak die Ladung des ersten Schiffes für 1000 Dinare, die er schon erhalten.« Als er dies gelesen, fiel er ohnmächtig zu Boden.

      Als der Vezier wieder zu sich kam, fuhr Djafar in seiner Erzählung vor dem Kalifen fort, und das von seines Bruders Hand geschriebene, eingenähte Papier auch noch entdeckte, war sein Erstaunen grenzenlos; er wendete sich dann zu seiner Tochter und sprach: »Weißt du, wer dich diese Nacht umarmte? Es war, bei Gott! dein Vetter, und hier sind 1000 Dinare als deine Morgengabe; gelobt sei der Allmächtige, der alles so geleitet, wie es vor meinem Streite mit meinem Bruder Nuruddin geschehen sollte: nun möchte ich nur wissen, wie es eigentlich mit dieser ganzen Geschichte sich verhält.« Er warf dann noch einen Blick auf seines Bruders Papier, küßte es mehrere Male, dann weinte er laut über seinen Bruder und sprach folgende Verse:

      »Ich sehe Spuren von ihnen und vergehe vor Sehnsucht, und vergieße Tränen an der Stelle, wo sie verweilt; dann bitte ich den, der mich mit ihrer Trennung heimgesucht, daß er mich wieder mit ihnen vereine.«

      Er durchlas dann die Schrift seines Bruders und fand darin, wie er nach Baßrah gekommen, sich verlobt und geheiratet und wie seine Frau einen Sohn geboren hatte. Als er mit vielem Erstaunen die Begebenheiten seines Bruders mit den seinigen verglich, fand er, daß, wie er es vorher beschlossen, er und sein Bruder an demselben Tage heirateten und an demselben Tage Väter geworden, und daß nun sein Neffe seiner Tochter Gemahl ward. Er ging sodann mit dem Papier und dem Beutel zum Sultan und erzählte ihm alles, was vorgefallen. Der Sultan war höchst erstaunt darüber und befahl, daß alles dieses in die Chronik aufgeschrieben werde. Der Vezier ging dann nach Hause, um seinen Neffen zu erwarten, der aber nicht kam; er erwartete ihn sieben Tage lang und konnte nichts von ihm hören. Hierauf beschloß er, etwas zu tun, was noch niemand vor ihm getan hatte. Er nahm Tinte und Papier und schrieb darauf ein Verzeichnis von allem, was im Zimmer war, und von dem Platze, wo jedes Stück sich befand, ließ es dann hinwegräumen und nahm auch den Turban, den Beutel und die Beinkleider in Verwahrung.

      Nach neun Monaten gebar die Tochter des Veziers von Kahirah einen Sohn mit einem Vollmondsgesichte wie der leuchtende Morgen; man färbte seine Augenbrauen mit Kohel, gab ihm eine Amme und nannte ihn Adjib. Als Adjib sieben Jahre alt war, schickte ihn sein Großvater in die Schule und empfahl dem Lehrer, über seine Erziehung und Ausbildung mit der größten Sorgfalt zu wachen. Als Adjib einige Jahre die Schule besuchte, fing er an, die übrigen Schulkinder durch Schlagen und Schimpfen zu plagen. Die Kinder klagten dies ihrem Lehrer und dieser sagte ihnen: »Ich will euch ein Mittel angeben, womit ihr gewiß Adjib von euch entfernt halten könnt. Wenn er morgen wieder zur Schule kommt, so setzt euch um ihn herum, schlagt ein Spiel vor und sagt dann zueinander, es dürfe niemand mitspielen, der nicht den Namen seines Vaters und seiner Mutter wüßte; wer den Namen seiner Eltern nicht kenne, sei ein Bastard.« Als am folgenden Tage Adjib, der Sohn Hasans, in die Schule kam, taten die Kinder, wie ihnen der Lehrer geraten; sie sagten: »Wir wollen etwas spielen, und wer es weiß, wie sein Vater und seine Mutter heißt, darf mitspielen.« Die Kinder sagten dann eines nach dem anderen: »Ich heiße so, mein Vater heißt so und meine Mutter so.« Als die Reihe an Adjib kam, sagte er: »Ich heiße Adjib, meine Mutter Sittulhasan und mein Vater Schemsuddin.« Da schrieen die Kinder: »Wo denkst du hin? der ist wahrhaftig nicht dein Vater.« — »Wehe euch!« versetzte hierauf Adjib; »der Vezier Schemsuddin soll nicht mein Vater sein?« Die Kleinen lachten ihn aus und schlugen die Hände zusammen und sagten: »Gott bewahre uns vor der Gesellschaft eines Jungen, der seinen Vater nicht kennt; der darf nicht mit uns spielen und nicht neben uns sitzen.« Als Adjib sah, wie alle Kinder von ihm wegrückten, fing er an, heftig zu weinen. Da sagte ihm der Lehrer: »Weißt du nicht, daß der Vezier Schemsuddin nicht dein Vater, sondern dein Großvater, Vater deiner Mutter Sittulhasan, ist? Deinen Vater aber kennt niemand, denn als der Sultan deine Mutter mit einem Buckligen verheiratete, kam ein Geist und schlief bei ihr; da also dein Vater unbekannt ist, so kannst du, gleichsam als Bastard, nicht mit den übrigen Kindern gleichen Rang ansprechen, denn auch der Sohn des Kaufmanns und des Gemüsehändlers kennt seinen Vater — von dir weiß man nur, daß der Vezier dein Großvater ist, niemand aber kennt deinen Vater.«

      Als Adjib dies hörte, verließ er die Schule und lief weinend zu seiner Mutter. Diese sagte ihm: »Warum weinst du, mein Sohn? Gott lasse nie deine Augen Tränen vergießen!« Er erzählte ihr, was in der Schule vorgefallen, und fragte sie, wer sein Vater sei? »Der Vezier von Kahirah«, antwortete Sittulhasan. »Du lügst«, erwiderte Adjib, »der Vezier ist dein Vater und mein Großvater; wer aber ist mein Vater?« Sittulhasan ward hierdurch wieder schmerzlich an ihren Gatten, den Vater des Kindes, gemahnt: sie erinnerte sich der Nacht, die sie bei ihm zugebracht, fing an heftig zu weinen und rezitierte folgende Verse:

      »Sie haben mein Herz mit der Liebe bekannt gemacht und sind dann weggegangen, und nun steht die Wohnung leer, ohne meinen Geliebten. Entfernt hat er sich von Haus und seinen Bewohnern, er besucht uns nicht, und es ist, als besuche uns niemand mehr. Seitdem die Freunde sich entfernt, ist auch meine Geduld, mein Trost und meine Erwartung dahin. Mit ihm ist auch meine Freude verschwunden; als er mich verließ, fand ich auch keine Ruhe mehr. Die Trennung macht das Blut meiner Augen fließen; viele Tränen vergoß ich bei ihrer Entfernung, wenn einen Tag nur meine Sehnsucht nach ihnen unbefriedigt blieb, so seufzte ich in meiner Erwartung. Im Innersten meines Herzens ist ihr Bild, leidenschaftliche Liebe und Erinnerung. O ihr, deren Andenken Oberkleid ist, so wie eure Liebe mein Unterkleid, gibt es kein Lösegeld für den Gefangenen eurer Liebe? Gibt es keinen Verband für den von euerer Liebe Zerknirschten? Gibt es kein Heilmittel für den, der nach eurer Nähe schmachtet? Gibt es keine Ansicht für den, den eure Trennung tötet? O Freunde, wie lange wird dies noch dauern, wie lange werdet ihr mich noch fliehen?«

      Als sie diese Verse gesprochen und mit ihrem Sohne weinte, trat ihr Vater ins Zimmer und fragte sie um die Ursache ihrer Tränen. Sittulhasan erzählte ihm, was ihrem Sohne in der Schule widerfahren, und er mußte auch weinen, als er an seinen Bruder und Neffen dachte, dessen Geschichte ihm ein Geheimnis war. Er ging hierauf zum Sultan, teilte ihm die ganze Geschichte mit, küßte die Erde vor ihm und beschwor ihn, ihm zu erlauben, nach dem Orient bis Baßrah zu reisen, um seinem Neffen nachzuforschen und ihm überall hin Empfehlungsschreiben mitzugeben, damit er ihn leichter auffinden und mitbringen könne. Der Sultan gab seinen Bitten nach; der Vezier nahm die Empfehlungsschreiben mit größter Freude, dankte dem Sultan, verabschiedete sich bei ihm, machte die Vorbereitungen zur Reise und verließ dann Kahirah mit seiner Tochter und ihrem Sohne Adjib.

      Nach einer Reise von zwanzig Tagen kam der Vezier von Kahirah mit seiner Tochter und seinem