treten.
»Vaya, quita, soga! Que cobardia, que bajeza, que infamia —pfui, pfui, pfui, welche Feigheit, welche Niederträchtigkeit, welche Ehrlosigkeit!« rief man von allen Seiten den Banderilleros zu, da sie den Espada so schmachvoll im Stiche ließen.
Das hatte die Wirkung, daß sie umkehrten und sich dem Büffel wieder näherten, ohne aber Crusada retten zu können, denn er war bereits tot. Aus diesem Grunde schenkte ihnen der Stier mehr Aufmerksamkeit als vorher; er machte Miene, zum Angriff überzugehen; da ergriffen sie zum zweitenmal die Flucht. Es war, als ob er genau wisse, auf welche Weise er ihr Entkommen verhindern könne, denn er rannte nach der Thür, wie um ihnen den Weg abzuschneiden. Sie konnten sich also nur auf die Bretterwand retten und eilten auf dieselbe zu; er sah das und hielt nun von seitwärts her dieselbe Richtung ein. Der erste von ihnen gelangte glücklich hinauf; der zweite auch; der dritte aber war nicht schnell genug; er that den Sprung und ergriff die obere Kante der Wand, doch ehe er den Leib emporzuziehen vermochte, war der Büffel hinter ihm und traf ihn mit dem einen Horn in den Schenkel. Glücklicherweise zog er das Horn zu einem neuen Stoße zurück; dadurch kam der Mann frei, und konnte sich, wenn auch blutend aber doch lebend, durch eine Anstrengung, zu welcher ihm die Todesangst doppelte Kräfte verlieh, vollends emporschwingen. Der zweite Stoß des Tieres traf die Wand so, daß das betreffende Brett zer-
brach. Das Tier wußte, wo es die Feinde zu suchen hatte, und stieß von neuem gegen die Wand, glücklicherweise an einer Stelle, welche durch die dahinter befindliche Säule einen festern Halt besaß. Aber die Säule erzitterte unter den fortgesetzten, wuchtigen Stößen; die Wand krachte in allen Fugen; sie mußte, wenn der Büffel nicht abließ, zusammenbrechen, und dann waren alle, die hinter derselben saßen, seinen Hörnern preisgegeben.
Es war also kein Wunder, wenn auf dieser Seite des Cirkus eine Panik eintrat, welche schnell weiter um sich griff. Man schrie und zeterte. Jeder, der sich bedroht sah, wollte sich retten. Man sprang auf die Sitze und Scheidewände, um nach den hintern Plätzen zu flüchten, und doch waren alle Plätze besetzt. Einer sprang auf und über den andern; man stürzte heulend und fluchend übereinander weg. Welche Unglücksfälle, welche Verletzungen mußte das ergeben! Da übertönte eine laute Stimme das wüste Geschrei:
»Quedad sentado – bleibt sitzen, Señores! Es ist keine Gefahr vorhanden. Ich nehme den Büffel auf mich.«
Der Vater Jaguar war es, der diese Worte rief. Er zog seinen Rock aus, um nicht von ihm gehindert zu werden, riß das Messer des Privatgelehrten abermals an sich und sprang gerade so, wie er es vorhin auf die Veranlassung des Jaguars gethan hatte, von Platz zu Platz auf die Scheidewand und von da in die Arena hinab.
Nicht auf seiner Seite, sondern auf der entgegengesetzten drohte die Gefahr. Darum rannte er über die Arena hinüber und stieß jenes Geschrei aus, welches die Indianer Nordamerikas bei ihren Jagd- und Kriegsangriffen hören lassen. Es ist das ein langgedehntes, in hohem Fisteltone gegebenes Hiiiiiih, bei welchem man die Finger möglichst schnell vibrierend gegen die Lippen bewegt, wodurch ein durchdringendes Tremolo entsteht, welches durch Buchstaben nicht bezeichnet werden kann.
Der aus den nördlichen Prairien stammende Bison kannte diesen Jagdruf; er hatte ihn aus dem Munde jagender Indianer wohl oft gehört. Als er ihn jetzt vernahm, fuhr er rasch herum; er sah den Vater Jaguar und ließ von der Wand ab, um den neuen Gegner zu erwarten.
Aber Hammer zeigte keine Eile, das Tier anzugreifen; das Messer in der Rechten, blieb er mitten in der Arena stehen. Da, wo noch vor einigen Augenblicken das wildeste Durcheinander geherrscht hatte, trat jetzt tiefe Stille ein. Nur eins war zu hören: der Name »Vater Jaguar« ging leise und erwartungsvoll von Mund zu Munde. Wollte dieser Mann sich wirklich nur mit dem Messer an das riesige Tier wagen? Riese gegen Riese! Aber was ist die Kraft selbst eines Athleten gegen die Stärke eines Bisons, zumal eines Bisons von dieser ausgewachsenen Größe! Es läßt sich denken, welch hohe Spannung sich jedes Zuschauers jetzt bemächtigte.
Der Büffel stierte den Vater Jaguar mit heimtückischem Blicke an; dieser wiederum hielt sein Auge ebenso scharf und offen und ohne Zucken auf ihn gerichtet wie vorhin auf den Jaguar. Das Tier begann sich in Bewegung zu setzen, langsam, Schritt um Schritt, als ob es wisse, daß es jetzt einen ganz andern, weit gefährlichern Feind vor sich habe. Hammer folgte dem gegebenen Beispiele und schritt auch vorwärts, ebenso langsam wie der Büffel. So näherten sie sich einander mehr und mehr, bis nur der Raum von wenigen Ellen sie noch trennte. Da war es mit der Zurückhaltung des Büffels zu Ende; er hob den Kopf, um ein zorniges Brüllen hören zu lassen, und senkte ihn dann tief zu Boden nieder, um zum Angriff überzugehen.
Alle Welt meinte, daß der Vater Jaguar zur Seite weichen werde; er that dies zum allgemeinen Entsetzen aber nicht, sondern blieb stehen, wo er stand. Jetzt war der Büffel da; seine Hörner mußten den Mann treffen, den eine plötzliche Angst bewegungslos gemacht zu haben schien. Der Vater Jaguar wurde in die Höhe geschleudert – ein einziger, aber vielstimmiger Schrei erscholl im Zuschauerraume. Aber was war denn das? Der Vater Jaguar war in aufrechter Haltung durch die Luft geflogen, kam hinter dem wütenden Bison auf die Füße und blieb da so ruhig stehen, als ob er seinen vorigen Platz gar nicht verlassen habe! Das Tier wendete sich und drang wieder auf ihn ein, warf ihn abermals in die Luft und hinter sich, drehte sich dann wieder um und schleuderte ihn in die Höhe, um ganz dasselbe Spiel immer wiederholen zu müssen.
Nun sah man allerdings, daß dieses fürchterlich gewagte Spiel vom Vater Jaguar beabsichtigt und mit ebenso großer Kühnheit wie Gewandtheit ausgeführt wurde. So oft der Stier die Hörner zum tödlichen Stoße hob, setzte ihm, allerdings keinen Augenblick zu früh oder zu spät, der verwegene Mann den rechten Fuß zwischen dieselben und ließ sich von ihm emporwerfen, um in einem weiten Sprunge hinter dem Tiere den Boden zu erreichen. Wäre vorher den Zuschauern erzählt worden, daß so etwas möglich sei, kein einziger hätte es geglaubt. Ihr Erstaunen war grenzenlos. Welche Kraft, Geschicklichkeit und Eleganz lag in jeder Bewegung Hammers! Es ging auf Leben oder Tod, und dennoch sah man seine Lippen lächeln, und dennoch führte er jede seiner Bewegungen mit einer Leichtigkeit und Sicherheit, mit einer Ruhe aus, als ob es sich um eine harmlose Unterhaltung handle.
Je ruhiger er blieb, desto unruhiger wurde der Stier. Daß er den Feind nicht zu beschädigen vermochte, sondern ihn immer und immer wieder unverletzt hinter sich stehend fand, brachte ihn in Wut. Er brüllte vor Grimm; seine Bewegungen und Wendungen wurden hastiger und unsicher; seine Augen unterliefen mit Blut, wodurch er am Sehen verhindert wurde. Schon kam es vor, daß er den Gegner nicht deutlich stehen sah und mit den Hörnern in die Luft stieß. Das hatte der Vater Jaguar abwarten wollen. Wieder war er emporgeworfen worden, und wieder kam er hinter dem Stiere zu stehen; da blieb er dieses Mal nicht halten, sondern sprang schnell seitwärts nach vorn. Der Büffel, eben im Begriff, sich umzudrehen, kehrte ihm dabei die Seite zu – ein kühner, federkräftiger Sprung, und Hammer saß ihm auf dem Rücken. Das Messer blitzte in seiner Hand; die Klinge desselben drang genau da ein, wo der letzte Hals- an den ersten Rückenwirbel stößt. Der Büffel blieb mehrere Sekunden, ja fast eine Minute, starr und völlig bewegungslos stehen; dann ging ein Zittern durch seine mächtigen Glieder, und er brach, ohne einen Laut hören zu lassen, da, wo er stand, leblos zusammen, wobei der Vater Jaguar von seinem Rücken glitt, um dann dem gestürzten Tiere das Messer aus dem Nacken zu ziehen.
Es war, als ob niemand glauben könne, daß dies keine Täuschung sei. Keine Lippe bewegte sich; aller Augen warteten, daß der Büffel aufspringen und den Angriff wieder beginnen werde. Dem Vater Jaguar war es sehr gleichgültig, ob man
ihm applaudierte oder nicht. Er gab seinen drei Kameraden, welche neben ihm gesessen hatten, einen Wink, den sie verstanden. Sie kamen mit gewandten Sprüngen auf demselben Wege, den er selbst vorhin eingeschlagen hatte, zu ihm in die Arena herab und brachten ihm seinen Rock. Sie entwickelten dabei gerade wie er eine Elasticität der Gliedmaßen, welche man wohl eher bei einem Seiltänzer als bei so feingekleideten Señores gesucht hätte. Nachdem Hammer seinen Rock wieder angelegt hatte, verließ er mit ihnen die Arena durch die Thür, welche für das Publikum bestimmt war.
Jetzt wagten sich mehrere Campeadores herein. Sie sahen den Büffel liegen und näherten sich ihm in sehr vorsichtiger Weise, um ihn zu untersuchen. Die Toreadores, welche sich auf und über die Rettungswand geflüchtet hatten, folgten diesem Beispiele. Noch regten sich die Zuschauer nicht, so sehr standen