die Nester; brennt alles nieder, und sucht mir Spuren. Ich muß wissen, wo diese Ungläubigen hingekommen sind!«
Jetzt war es Zeit für mich, wenn ich überhaupt hier etwas nützen sollte.
»Halef, wenn mir etwas Uebles geschieht, so nimmst du dieses weiße Tuch hinweg. Es ist ein Zeichen für Ali Bey!«
Nach diesen Worten richtete ich mich empor und wurde sofort bemerkt.
»Ah,« rief der Miralai, »da ist ja einer! Komm herunter, du Sohn eines Hundes; ich will Auskunft haben!«
Ich nickte und trat zurück.
»Halef, du verschließest die Türe hinter mir und lässest ohne meine Erlaubnis niemand ein. Wenn ich deinen Namen rufe, öffnest du sofort!«
Ich nahm ihn mit hinab und trat vor das Haus; die Türe schloß sich hinter mir. Sofort hatten die Offiziere einen Kreis um mich gebildet.
»Wurm, der du bist, antworte auf meine Fragen, sonst lasse ich dich schlachten!« befahl mir der Oberst.
»Wurm?« fragte ich ruhig. »Nimm und lies!«
Er blitzte mich wütend an, ergriff aber doch den großherrlichen Ferman. Als er das Siegel erblickte, drückte er das Pergament an seine Stirn, aber nur leicht und beinahe verächtlich, und überflog den Inhalt.
»Du bist ein Franke?«
»Ein Nemtsche.«
»Das ist gleich! Was tust du hier?«
»Ich kam, um die Gebräuche der Dschesidi zu studieren,« antwortete ich, indem ich den Paß wieder in Empfang nahm.
»Wozu das! Was geht mich dieses Bu-djeruldi an! Warst du in Mossul beim Mutessarif?«
»Ja.«
»Hast du von ihm die Erlaubnis, hier zu sein?«
»Ja. Hier ist sie.«
Ich reichte ihm das zweite Blatt entgegen; er las es und gab es mir wieder.
»Das ist richtig; aber – — —«
Er hielt inne, denn es prasselte jetzt drüben am Abhang ein sehr kräftiges Gewehrfeuer los, und zu gleicher Zeit vernahmen wir den Hufschlag schnell gehender Pferde.
»Scheïtan! Was ist das da oben?«
Diese Frage war halb an mich gerichtet; daher antwortete ich:
»Es sind die Dschesidi. Du bist umzingelt, und jeder Widerstand ist vergebens.«
Er richtete sich im Sattel auf.
»Hund!« brüllte er mich an.
»Laß dieses Wort, Miralai! Sagst du es noch einmal, so gehe ich!«
»Du bleibst!«
»Wer will mich halten? Ich werde dir jede Auskunft erteilen, aber wisse, daß ich nicht gewohnt bin, mich unter einen Miralai zu stellen. Ich habe dir gezeigt, unter welchem Schutze ich stehe, und sollte dies nicht helfen, so weiß ich mich selbst zu schützen!«
»Ah!«
Er erhob die Hand, um nach mir zu schlagen.
»Halef!«
Mit diesem lauten Rufe drängte ich mich zwischen die Pferde hindurch; die Türe öffnete sich, und kaum hatte ich sie hinter mir zugeschoben, so knirschte die Kugel einer Pistole im Holze. Der Miralai hatte auf mich geschossen.
»Das galt dir, Sihdi!« meinte Halef besorgt.
»Komm herauf!«
Noch während wir die Treppe erstiegen, vernahmen wir draußen ein wirres Rufen, untermischt mit Rossegestampf, und als ich oben anlangte, sah ich die Nachhut der Dragoner hinter der Krümmung des Tales verschwinden. Es war der reine Wahnsinn, sie gegen die Geschütze zu jagen, die nur durch einen Schützenangriff von den Seiten des Berges aus hätten zum Schweigen gebracht werden können. Der Miralai war sich über seine Situation ja gar nicht klar, und ein Glück war es für ihn, daß Ali Bey das Leben der Menschen schonen wollte; denn droben am Heiligtume und auf den Pfaden bis zur halben Höhe des Berges standen die Türken so dicht, daß jede Kugel der Dschesidi ein oder gar mehrere Opfer finden mußte.
Da erdröhnte der Donner der Kanonen von neuem. Die Kartätschen und Granaten mußten, wenn gut gerichtet war, eine fürchterliche Verwüstung unter den Reitern hervorbringen, und dies bestätigte sich nur gar zu bald; denn der ganze untere Teil des Tales bedeckte sich mit fliehenden Reitern, laufenden Dragonern und reiterlosen Pferden.
Jetzt war der Miralai ganz steif vor Wut und Entsetzen; aber es mochte ihm dabei die Erkenntnis kommen, daß er anders zu handeln habe. Er bemerkte meinen Kopf, der nach unten schaute, und winkte mir. Ich erhob mich wieder.
»Komm herab!«
»Wozu?«
»Ich habe dich zu fragen.«
»Und auf mich zu schießen?«
»Es galt nicht dir!«
»Nun wohl, so frage! Ich werde dir von oben antworten; du hörst dann meine Worte ebenso deutlich, als wenn ich bei dir stünde. Aber« – und dabei gab ich Halef, der mich sofort verstand, einen Wink – »aber siehst du diesen Mann? Er ist mein Diener; er hat die Büchse in der Hand und zielt auf dich. Sobald sich eine einzige Waffe gegen mich erhebt, erschießt er dich, Miralai, und dann werde ich grad so sagen wie du, nämlich: Es galt nicht dir!«
Halef kniete hart am Rande der Plattform und hielt seine Büchse auf den Kopf des Obersten gerichtet. Dieser wechselte die Farbe, ob vor Angst oder vor Wut, das weiß ich nicht.
»Tut das Gewehr fort!« rief er.
»Es bleibt!«
»Mensch, ich habe fast zweitausend Soldaten hier; ich kann dich zermalmen!«
»Und ich habe diesen einen bei mir; ich kann dich mit einem Winke zu deinen Vätern senden!«
»Die Meinen würden mich fürchterlich rächen!«
»Es würden viele von ihnen zugrunde gehen, ehe es ihnen gelänge, in dieses Haus zu dringen. Uebrigens ist das Tal von viertausend Kriegern umschlossen, denen es ein Leichtes ist, euch innerhalb einer halben Stunde aufzureiben.«
»Wie viele, sagst du?«
»Viertausend. Schau hinauf auf die Höhen! Siehst du nicht Kopf an Kopf? Dort steigt ein Mann hernieder, der mit seinem weißen Turbantuche weht. Es ist gewiß ein Bote des Bey von Baadri, der mit dir verhandeln soll. Gewähre ihm ein sicheres Geleite, und empfange ihn der Sitte gemäß; das wird zu deinem Besten dienen!«
»Ich brauche deine Lehren nicht. Die Rebellen sollen nur kommen! Wo sind die Dschesidi alle?«
»Laß dir erzählen! Ali Bey hörte, daß du die Pilger überfallen solltest. Er sandte Boten aus und ließ die Truppen aus Mossul, Diarbekir und Kjerkjuk beobachten. Die Frauen und Kinder wurden in Sicherheit gebracht. Er stellte deinem Anzuge nichts in den Weg, aber er verließ das Tal und schloß dasselbe ein. Er ist dir weit überlegen an Anzahl der Krieger und auch in Beziehung auf das Terrain. Er befindet sich in Besitz deiner Artillerie mit ihrer ganzen Munition. Du bist verloren, wenn du nicht freundlich mit seinem Abgesandten verhandelst!«
»Ich danke dir, Franke! Ich werde erst mit ihm verhandeln und dann auch mit dir. Du hast das Bu-djeruldi des Großherrn und den Ferman des Mutessarif und machst doch gemeinschaftliche Sache mit ihren Feinden. Du bist ein Verräter und wirst deine Strafe finden!«
Da drängte Nasir Agassi, der Adjutant, sein Pferd zu ihm heran und sagte ihm einige Worte. Der Oberst deutete auf mich und fragte:
»Dieser wäre es gewesen?«
»Er war es. Er gehört nicht zu den Feinden; er ist zufällig ihr Gast und hat mir das Leben gerettet.«
»So werden wir weiter darüber reden. Jetzt aber kommt in jenes Gebäude!«
Sie ritten nach dem Tempel der Sonne, stiegen vor demselben ab und traten ein.
Mittlerweile war der Parlamentär von Fels zu Fels springend, in grader Linie herab in das Tal und über den Bach herübergekommen.