und Umrissen der Eisgipfel säumten Splitter von Kupferlasur, von dessen ruhigem Blau sich leuchtend das Tagesgestirn abhob. Als das letzte Steinchen eingesetzt war und der Kitt sich gefestigt hatte, stellte Peter die Ahnenbilder vor das Bild der Sonne. Zuletzt holte er das Glutbecken, stellte es in die untere Nische auf den Block, warf ein paar Wacholderbeeren und Fichtenharzperlen auf die Glut und legte den Feuerbohrer daneben. Dann erst holte er Eva.
Schräg fielen die Strahlen der untergehenden Sonne auf das Heiligtum und brachen sich im bunten Gefüge der hellen Steine. Wie verklärt sanken die beiden jungen Menschen auf die Knie. Sie ahnten die Schönheit der Schöpfung.
Sonnwendfeuer
Wie Eva erwartet hatte, war Peter nicht mehr so rauh und jähzornig, seit er mit ihr vor Beginn des Tagewerkes seine Gedanken sammelte. Er mußte Evas laut und innig gesprochene Gebete mitdenken, in denen sie gute Eingebungen erflehte und der Verstorbenen gedachte, die bei Gott weilten.
Zum Grübeln über das Geheimnisvolle hatte Peter wenig Neigung. Sein Denken war mehr aufs Schaffen gerichtet. Es galt, die kürzer werdenden Tage auszunützen. Weil es sich mit dem Drillbohrer leichter und rascher arbeiten ließ, machte es ihm Freude, die Stiele seiner Waffen und Werkzeuge zu durchlochen und Hängeriemen durchzuziehen. Immer wieder kehrte er zum langsam fortschreitenden Steinbohren zurück. Auch er bohrte nicht mehr mit der eingeschäfteten Steinspitze, sondern mit vorbereiteten Quarzsplitterchen, die sich unter dem Druck der harten Randschicht des Holunderstabes in den Serpentin einfraßen.
Endlich, als die Sonne schon nahe am Winterhorn unterging, war Peter mit seinem Bohrer durch den Beilstein gekommen. Die neuartige, schöne Steinaxt, in deren Öhr er einen gut ausgetrockneten Hartriegelstab schattete, war fertig, ein Ereignis, das ihn mit unsagbarer Freude erfüllte. Das mußte gefeiert werden!
Eva meinte, die Feier könnte am besten an dem Tage stattfinden, an dem die untergehende Sonne die Spitze des Winterhorns berühren würde; denn von da an müßte sie sich wenden und sich wieder der Henne nähern, dem Markstein der Frühlings-Tagundnachtgleiche.
Der Tag kam, ein frostiger Wintertag. Peter und Eva schichteten vor dem Räucherofen auf der Salzleiten einen Holzstoß auf, dessen Lohe den sinkenden Sonnenball grüßen sollte. Und so kam ihr erstes Sonnwendfeuer zustande. Seine lodernden Flammen röteten alle Hänge des Heimlichen Grunds. Die Felswände nahmen das Jauchzen der Höhlensiedler auf, warfen es einander zu, als freuten sie sich mit den beiden Menschenkindern, die knisternde Wacholderfackeln um ihre Köpfe wirbelten in der Vorahnung besserer Lebensbedingungen.
Salzkammer
Der Winter kehrte sich nicht daran, daß die Sonne schon ihre Frühlingsreise angetreten hatte. Fröste und Schneestürme hatten den Heimlichen Grund in ihrer Gewalt.
Den Höhlensiedlern war der Tag immer zu kurz. Eva, die nicht nur das Essen kochte, sondern auch die Vorräte pflegen mußte, nützte die hellsten Stunden zum Nähen und Flicken der Kleider und Schuhe. Peter hatte, um der hereindringenden Kälte zu wehren, die Licht- und Luftlöcher in der unteren Höhle verkleinert, und so war Eva gezwungen, den Arbeitsplatz in ihrer Kammer vor der nahezu vermauerten Lichtluke einzurichten. Sie hatte aus Waldreben einen Rahmen geflochten, eine Tierblase darübergespannt, das Ganze in die Luke geklemmt und die Ritzen ringsherum mit Moos abgedichtet. Nur gedämpft drang das Tageslicht in das Höhleninnere. Eva, die für ihre Arbeit Licht brauchte, setzte sich damit dicht unter die Luke. Es half nicht viel — am Fußboden war und blieb es dämmerig. Während sie dasaß und sann, wie dem abzuhelfen wäre, fiel ihr ein Gitter ein, das sie vor einiger Zeit aus Weidenruten geflochten und als Dörrplatte für Beeren benutzt hatte. Das kramte sie hervor, verkeilte die eine Längsseite unter der Luke in den Mauerspalten, stützte die andere mit zwei in den Boden eingelassenen Stäben und hatte nun einen erhöhten, gut beleuchteten Arbeitstisch. Ein Baumstrunk davor diente als Sitz. Rechts davon, zwischen Lichtluke und Hausaltar, stand ihr Webrahmen.
Auch Peter hatte seinen Sitzstrunk nahe vor seine Lichtluke geschoben und den höheren Werkstrunk davorgestellt. Um sein mit unsagbarer Mühe durchlochtes Steinbeil beim Schärfen nicht zu gefährden, hatte er in eine Grube des Höhlenbodens einen flachen, harten, feinkörnigen Quarzsandstein fest eingelassen. Mit leichtem Druck führte er den Beilstein unermüdlich über den Schleifstein hin und her, her und hin. Und siehe da: er wurde schärfer und schärfer! Angefeuert vom Erfolg schliff Peter aus Stein- und Knochensplittern Dolche, Grabmesser, Pfriemen, grobe Nadeln und Vorstecher. In abgesägte Zinken des Hirschgeweihes schäftete er Steinmesser, Meißel und Bohrer.
Die Behaglichkeit und Lebensfreude der Höhlensiedler wurde zeitweise durch ein unheimliches Glucksen gestört, das aus dem Berginnern kam. Jetzt, wo die Höhlenstuben gegen die Geräusche der Außenwelt abgeschirmt waren, fielen diese seltsamen Geräusche besonders nachts auf.
Peter war fest entschlossen, der Ursache auf die Spur zu kommen. Er nahm sich vor, ins Berginnere einzudringen. Er flocht aus Reisig zwei Fackeln, die er gut pichte. Dann brach er die Vermauerung des oberen Höhlenganges heraus, die Evas Stube nach dem Berginnern hin abschloß, schlug die vorspringenden Felskanten ab und erweiterte so den Spalt. Klopfenden Herzens drang er ein. Die Luft im Berginnern war feucht und kalt. Ein scharfer Zugwind trieb ihm den Rauch des rußenden Leuchtbrandes ins Gesicht. Über seinem Kopf hingen in den Nischen unzählige Fledermäuse, die hier ihren Winterschlaf hielten.
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