Sonnleitner Alois Theodor

Die Höhlenkinder im Steinhaus


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boten besseren Windschutz als die dünnen, geflochtenen Wände der Pfahlhütten.

      Der Schneefresser

      Sooft es noch schneite, auf den Hängen der Sonnleiten blieb der Schnee nicht mehr liegen. Über Goldprimeln und blühenden Heidekräutern gaukelten langgeschwänzte, gelbe Falter und weiße mit roten Augenflecken. Vom besonnten Werkplatz schauten Peter und Eva sorgenfrei hinüber zur schneebedeckten Grableiten und hinunter zum winterlich öden Steinfeld. Eva sang bei der Arbeit mit Ringamseln und Goldhähnchen um die Wette. Wie die Vögel reihte sie tiefe und hohe Töne aneinander und freute sich daran. Unter der Südwand, wo keine Steinschläge drohten, hallten Peters Axtschläge wider. Er rodete einen Bestand von Fichten und Buchen, Eva brauchte Platz für ihre Nutzpflanzen; sie sollte das Wildgemüse nicht mehr im weiten Talgrund zusammensuchen müssen. Er gab es von vornherein auf, die starken Bäume mit Axt und Säge zu fällen; es genügte, jeden Stamm auf der Sonnenseite tief einzukerben; den Rest konnte der nächste Föhnsturm besorgen.

      Und der »Schneefresser« kam, noch ehe die Grableiten grünte. Es war gegen Abend eines ungewöhnlich hellen Frühlingstages. Glanzlos versank die Sonne zwischen blutigroten Wolkenbänken. Von fernher klang ein noch nie gehörtes Rauschen rieselnder Wasser und bewegter Baumkronen. Erst als der Mond, umgeben von einem blaßgelblichen Hof, über den Salzwänden emporstieg, suchten Eva und Peter ihr Lager auf. Der Schneefresser war unterwegs, endlich! Dennoch sprangen sie entsetzt auf, als frühmorgens das Krachen eines stürzenden Baumriesen jäh ihren Schlaf beendete. Sie lauschten dem Heulen in der Luft, dem Stürzen der angekerbten Bäume, dem Surren und Sirren stiebender Sandkörner. Zeitweise aussetzend, dann wieder mit erneuter Wut an der Blockhütte zerrend, dauerte der heiße Sturm den Tag über und tat die von ihm erwartete Arbeit.

      Gegen Abend wurde es still. Alles war gut vorübergegangen! War es das wirklich? Aus der Höhle kam ein feines Klingen, dann ein kurzes Aufheulen des Sturmes im Walde. Eine schwere Luftwoge prallte gegen die Vorderwand der Blockhütte, so daß sie aufächzte und bebte. Peter und Eva sprangen gleichzeitig von ihren Sitzen. Sie fühlten den Hüttenboden unter ihren Füßen wanken, hörten das Gebälk der Wände und des Daches in den Kerben scharren und kreischen. Ehe sie sich recht besinnen konnten, wurde das Dach über ihren Köpfen weggerissen; Balken, Stangen, Schilfbündel wirbelten steil an der Felswand hoch. Asche und glühende Kohlen wurden vom Herd weg nach allen Seiten zertragen. Brüllend vor Schreck zerrte unten die Geiß an ihren Riemen. Da schlüpfte Eva hinab und schnitt sie los, damit sie sich ins Freie flüchten könnte. Sie selbst floh in die Bärenhöhle. Dorthin stürzte auch Peter und ihm nach die drei Fuchshunde. Hand in Hand standen die ihres Heimes Beraubten in der finsteren Höhle und lauschten dem Entsetzlichen, dem sie entronnen waren. Draußen schlug ein Sturmstoß von unten her an, hob Bodenhölzer und Seitenbohlen, als wären sie dürres Reisig, und trieb sie scheuernd die Felswand hinauf.

      Peters Werk war vernichtet. Eva sah nicht die Zornestränen an seinen Wimpern, sie fühlte nur sein stoßweises Schluchzen, das Zucken seiner Hand. Da legte sie ihm ihren Arm um den Hals und sprach auf ihn ein:

      »Schau, Peter — wir haben ja uns, uns ist nichts geschehen. Es hätt‘ auch anders kommen können. Wir sind ja schon im Frühling — und bald wird‘s Sommer. Im Herbst wär‘s schlimmer gewesen, viel schlimmer.«

      Peter wühlte nachdenklich im Fell seines Lieblingshundes. Eva hatte recht. Gut, daß es jetzt schon so gekommen war. Und wie so oft in schlaflosen Nächten überlegte er, was zu tun sei. Zurück in die niederen, dämmerigen Bärenhöhlen? Nein, niemals! Er würde eine Höhle bauen, eine geräumige Höhle — aus schweren Felstrümmern und Mörtel — genau unter der Südwand, wo kein Steinschlag drohte das Dach aus schweren Baumstämmen — und Felsbrocken darauf — kein Sturm sollte es abdecken können — allen Stürmen sollte es trotzen, sein Steinhaus — für immer!

      Brandstätten auf der Sonnleiten

      Um die Mittagsstunde des nächsten Tages verließen Peter und Eva die Höhlen, lockten die Geiß, banden sie im Freien an und suchten die vom Sturm verstreuten Trümmer ihrer Blockhütte und ihr Gerät zusammen. Alles Werkholz wurde vor der Höhle für den neuen Bau bereitgeschichtet. Zwischen der Südwand und dem Gewirr gestürzter Bäume gelangten sie zu einer mannsstarken Fichte, nahe am Felsen, eine stürzende Buche hatte sie gestreift. Neben der geschundenen Fichte lag die riesenhafte Buche, weit abseits ihr abgeknickter Wipfel und zwischen beiden ein toter Buntspecht. In der oberen Bruchhälfte des Buchenstammes war die Bodenmulde der kunstvoll gezimmerten Nisthöhle zu sehen, die Decke der Spechtwohnung samt dem Flugloch fand sich im Bruch des Wipfelstückes. Sinnend betrachtete Peter die zerstörte Höhle, die der Vogel mit großem Fleiß gezimmert hatte. Er nahm den keilförmigen Schnabel des Spechtes zwischen die Finger und prüfte mit dem Daumen die Schneide der steilgestellten Spitzkante. Er reckte den Vogelhals, der wie ein kurzer Axtstiel den Kopf mit dem lebendigen Werkzeug geführt hatte. Je länger er den Schnabel betrachtete, um so auffallender erschien ihm dessen Ähnlichkeit mit seiner eigenen Axt.

      Kopfschüttelnd machte er Eva auf diese Ähnlichkeit aufmerksam. Auch sie betrachtete das Wunder und meinte dann in ihrer schlichten Art: »Ja, Gott hat den Axtschnabel des Spechts früher erfunden als du deine Axt; Enten und Gänsen hat er Ruderfüße früher wachsen lassen, als du das Ruder erfunden hast.«

      Peter arbeitete von nun an täglich bis zur Abenddämmerung, während neben der künftigen Hausfichte ein Reisigfeuer prasselte. Eva schaffte das Astholz weg und stapelte es vor der Bärenhöhle auf. Die Säge kreischte, die Axt klang. So ging es wochenlang, bis die Stämme kahl waren. Mit Hilfe eines Hebebaumes rollte Peter die entasteten Fichten so weit an den Waldrand, daß der Bauplatz unter der Südwand frei wurde. Die Stämme der alten Buchen aber lagen massig auf dem künftigen Gartengrund. Sie mit der Säge zu zerlegen, war unmöglich.

      Die Zeit der Erdbeerblüte war da, und mit dem Bau des Steinhauses mußte begonnen werden, wenn es vor dem Winter unter Dach kommen sollte. Drei Wochen lang brannte Peter Kalk, schmiedete Werkzeuge und schleppte Steine; seine Handflächen bedeckten sich mit Schwielen. Aber köstlich waren die Feierstunden, in denen es nicht wenig zu lachen gab; denn Bläff und Einäugel hatten Junge, schiefergraue Wollknäuel, die miteinander balgten, ihre Mütter zausten und den eigenen Schwänzen nachjagten.

      Als es wärmer wurde, schlugen in den Schlupfwinkeln unter dem Holz Schlangen ihr Heim auf und sonnten sich auf den Baumstümpfen. Diese neuen Gäste waren unerwünscht. Peter schaffte große Bündel Fichtenreisig unter die verstümmelten Kronen der liegenden Baumriesen und wartete auf einen ruhigen Tag, um Feuer anzulegen. Dem Walde zu säuberte er einen breiten Bodenstreifen von dürrem Gezweig und Laub; ein nackter Saum sollte das Weitergreifen des Feuers verhindern.

      An einem windstillen Abend knatterten die Fichtenreiser. Qualmend, zischend leckten die Flammen an den abgestorbenen Stämmen und züngelten senkrecht empor. Als die Nacht anbrach, stieg vom breiten Glutherd wogendes Feuer auf, krachend zerbarsten die Stämme; durch die flimmernde, heiße Luft flatterten von allen Seiten zahllose Nachtfalter und Schwärmer dem ungewohnten Lichte zu. Mit versengten Flügeln fielen sie zu Boden. Peter, der das Feuer bewachte und es mit einem nassen Zweigbesen bewaffnet umkreiste, fegte glimmende Reiser und sterbende Schmetterlinge in die Glut, aber auch Schlangen, die ihre Schlupfwinkel verlassen hatten, und solche, die von fernher dem Feuerschein zugekrochen waren.

      Ein Platzregen kurz vor Sonnenaufgang löschte das Feuer. Weiße Dampfwolken stiegen von den schwelenden Stammresten auf, ein dicker Brei aus Asche und Holzkohle floß zähe über die verheerte Sonnleiten hinunter bis zum Kastanienwäldchen, wo er sich staute. Schlaftrunken taumelte Peter zur Höhle.

      Zwei Tage später schafften Peter und Eva die verkohlten Holzreste an den Waldrand, säuberten die Brandstätte und begannen den künftigen Gartenboden aufzulockern. Dabei verbog Eva den dünnen Stiel von Peters bronzenem Handspaten. Da bog sie den Stiel so, daß aus dem Spaten eine Haue entstand, mit der sich wie mit dem gekrümmten Finger einer Hand scharren ließ. Peter schäftete sie rasch in einen längeren Stiel, und nun griff sie im Schwung tiefer in die Erde ein.

      Doch Evas erster Versuch, frisch ausgegrabenes Wildgemüse einzupflanzen, mißlang kläglich. In der Sonne blieb keiner der Pflänzlinge am Leben. Um doch noch im gleichen