du ihn also wohl wieder zurückholen?
Lisa: Ja.
Anna Pawlowna: Und du willst dieses schändliche Subjekt wieder zu dir ins Haus lassen?
Lisa: Mama, ich bitte Sie, von meinem Manne nicht in solchen Ausdrücken zu reden.
Anna Pawlowna: Dein Mann ist er gewesen.
Lisa: Nein, er ist auch jetzt noch mein Mann.
Anna Pawlowna: Ein Verschwender, ein Trunkenbold, ein Liedrian ist er, und du kannst dich nicht von ihm trennen?
Lisa: Warum quälen Sie mich? Es ist mir so schon schwer genug ums Herz, und Sie scheinen mein Leid absichtlich noch vergrößern zu wollen.
Anna Pawlowna: Ich quäle dich! Nun, dann will ich abreisen. Das kann ich nicht mit ansehen.
Lisa (schweigt).
Anna Pawlowna: Ich sehe, daß ihr das wollt, und daß ich euch im Wege bin. Ich kann nicht hier bleiben. Ich verstehe euch gar nicht. Immer etwas Neues. Erst beschließt du, dich von ihm zu trennen; dann berufst du auf einmal einen Mann her, der in dich verliebt ist …
Lisa: Das ist nicht der Fall.
Anna Pawlowna: Karenin hat dir einen Heiratsantrag gemacht, und nun schickst du ihn zu deinem Manne, um diesen holen zu lassen. Was stellt das vor? Willst du deinen Mann eifersüchtig machen?
Lisa: Mama, es ist schrecklich, wie Sie da reden. Gönnen Sie mir Ruhe!
Anna Pawlowna: Nun, dann jage deine Mutter aus dem Hause und laß deinen liederlichen Mann herein! Aber ich werde das nicht abwarten. Lebt wohl; Gott sei mit euch; meinetwegen macht, was ihr wollt! (Sie geht hinaus und schlägt die Tür heftig zu.)
Lisa (läßt sich auf einen Stuhl sinken): Das fehlte noch!
Sascha: Nun, das ist nicht so schlimm. Es wird noch alles gut werden. Mama werden wir schon wieder beruhigen.
Anna Pawlowna: Dunjascha, meinen Koffer!
Sascha: Mama! So hören Sie doch! (Sie eilt ihr nach und zwinkert dabei ihrer Schwester zu.)
Zweites Bild
Afremow: Fedja, schläfst du?
Fedja (richtet sich auf): Schwatzt nicht! Jetzt: „Nicht der Abendstern”!
Ein Zigeuner: Das geht nicht, Fjodor Wasiljewitsch. Jetzt soll Mascha erst allein singen.
Fedja: Na, gut! Aber dann: „Nicht der Abendstern”! (Er legt sich wieder hin.)
Der Offizier: „Die Schicksalsstunde”!
Der Zigeuner: Einverstanden?
Afremow: Meinetwegen.
Der Offizier (zu dem Musiker): Nun, haben Sie es sich aufgeschrieben?
Der Musiker: Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Jedesmal klingt es anders. Und was ist das manchmal für eine Tonart! So gleich dieses hier. (Er ruft eine Zigeunerin herbei und fragt sie.) Stimmt das so? (Er singt.)
Die Zigeunerin: Ja, ganz richtig. Wundervoll.
Fedja (sich aufrichtend): Er wird es nicht aufschreiben können, und wenn er es aufschreibt und in einer Oper anbringt, so wird er alles verhunzen. Na, Mascha, dann mal los mit der „Schicksalsstunde”! Nimm die Gitarre! (Er steht auf, setzt sich vor sie hin und sieht ihr in die Augen.)
Mascha (singt).
Fedja: Gut gemacht! Bravo, Mascha! Na, aber jetzt: „Nicht der Abendstern”!
Afremow: Nein, warte mal! Erst mein Lied, mein Begräbnislied!
Der Offizier: Wieso denn Begräbnislied?
Afremow: Deswegen: wenn ich sterbe … du verstehst, ich werde sterben und im Sarge liegen, und dann werden die Zigeuner kommen … verstehst du? Das werde ich vorher meiner Frau zur Pflicht machen. Und wenn sie dann anstimmen: „Komm, mein Freund”, dann werde ich aus dem Sarge herausspringen, – verstehst du?! (Zu dem Musiker:) Das schreib einmal auf! Na, nun vorwärts! (Die Zigeuner singen.)
Afremow: Nun, was sagt ihr dazu? Jetzt: „Ihr meine braven Burschen”! (Die Zigeuner singen.)
Afremow (steht auf und macht ein paar Fechterbewegungen). (Die Zigeuner applaudieren ihm lächelnd und fahren fort zu singen.)
Afremow (setzt sich hin). (Das Lied ist zu Ende.)
Die Zigeuner: Bravo, Michail Andrejewitsch! Sie sind ein echter Zigeuner!
Fedja: Na, jetzt aber: „Nicht der Abendstern”! (Die Zigeuner singen.)
Fedja: Das ist mal ein Lied! Das ist mal ein Lied! Wundervoll! An das, was hier ausgesprochen wird, reicht keine Wirklichkeit heran! Ach, wie schön! Und warum kann der Mensch in ein solches Entzücken geraten, wenn es ihm doch nicht möglich ist, in diesem Zustande zu verharren?
Der Musiker (macht sich Notizen): Ja, es ist sehr originell.
Fedja: Nicht originell, sondern echt.
Afremow: Na … nun erholt euch! (Er nimmt die Gitarre und setzt sich zu Katja.)
Der Musiker: Im Grunde ist alles ganz einfach; nur der Rhythmus, der Rhythmus!
Fedja (macht ihm eine geringschätzige Handbewegung, geht zu Mascha und setzt sich neben sie auf das Sofa): Ach Mascha, Mascha, wie du mein ganzes Inneres umkehrst!
Mascha: Nun, und um was habe ich Sie gebeten?
Fedja: Um was? Um Geld? (Er nimmt welches aus der Hosentasche.) Na, schön; da, nimm!
Mascha (lacht, nimmt das Geld und steckt es in den Busen).
Fedja (zu den Zigeunern): Da soll ein Mensch daraus klug werden! Mir schließt sie den Himmel auf, und sie selbst bittet um ein Trinkgeld. Du verstehst ja nicht das geringste von dem, was du selbst tust.
Mascha: Wie sollte ich es nicht verstehen? Ich verstehe, daß ich, wenn ich jemanden liebe, mir für ihn mehr Mühe gebe und besser singe.
Fedja: Und mich liebst du?
Mascha: Gewiß tue ich das.
Fedja: Das ist herrlich! (Er küßt sie.) (Die Zigeuner und Zigeunerinnen gehen hinaus. Es bleiben nur die Paare zurück.)
Fedja: Ich bin ja aber verheiratet. Und dir wird es der Chor nicht erlauben.
Mascha: Der Chor ist eine gute Sache; aber das Herz bleibt doch immer das Herz. Wenn ich einen liebe, so liebe ich ihn, und wenn mir einer zuwider ist, dann ist er mir zuwider.
Fedja: Ach mir ist so wohl! Ist dir auch wohl?
Mascha: Natürlich ist mir wohl. Wenn wir nette Gäste hier haben, sind auch wir vergnügt.
Der Zigeuner (zu Fedja): Ein Herr fragt nach Ihnen.
Fedja: Was für ein Herr?
Der Zigeuner: Ich kenne ihn nicht. Er ist gut gekleidet. Trägt einen Zobelpelz.
Fedja: Ein vornehmer Herr? Na, gut, ruf ihn her!
Afremow: Wer mag dich denn hier aufsuchen?
Fedja: Weiß der Teufel! Wer kann etwas von mir wollen?
Fedja: Ah, Viktor! Na, dich hätte ich hier nicht zu sehen erwartet!