Gerstäcker Friedrich

Eine Mutter


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glauben Sie wirklich, daß mir das als Schauspieler verloren wäre?« lächelte Rebe. »Hier gerade kann es mir bedeutend nützen, und wenn meine Liebe zur Kunst…«

      »Jetzt hören Sie auf,« schrie Pfeffer – »Liebe zur Kunst – wenn ich den Blödsinn nur nicht mehr hören müßte – Liebe zur – ich hätte bald 'was gesagt, Herr Horatius! – Apropos, ist der Horatius etwa Ihr Theatername, und glauben Sie, daß er sich besonders hübsch auf dem Zettel ausnehmen soll, wenn es zum Beispiel heißt: Horatio, Herr Horatius Rebe?«

      »Ich bin so getauft,« lächelte der junge Mann, »und – möchte mich doch auch nicht gern wieder umtaufen.«

      »Aber Sie haben doch, zum Teufel, auch noch andere Namen!« rief Pfeffer. »Weshalb nehmen Sie nicht einen von denen?«

      »Allerdings, Herr Pfeffer,« sagte Rebe etwas verlegen, »aber die anderen klingen eben auch nicht besser. Ich heiße mit meinem vollen Namen Horatius Scipio Quintus.«

      »Nanu bitt' ich aber zu grüßen!« rief Pfeffer erstaunt. »Weiter nichts?«

      »Mein Vater war ein armer Schullehrer,« fuhr Rebe fort, »der für die Alten schwärmte – er ist lange todt,« fügte er leise hinzu, »und ich mochte ihn nicht dadurch noch im Grabe kränken, daß ich den ihm einst lieb gewesenen Namen verwarf.«

      »Sehr ehrenwerth, Herr Horatius Cocles – Rebe, wollt' ich sagen,« brummte Pfeffer, »aber ich glaube, Sie haben Ihren todten Papa noch viel mehr damit gekränkt, daß Sie unter die Komödianten gegangen oder, wenn Ihnen der Ausdruck besser gefällt, Mime geworden sind. Keinesfalls hätten Sie zu studiren gebraucht, um ein schlechter Schauspieler zu werden.«

      »Aber ich hoffe ein guter zu werden, Herr Pfeffer.«

      »Da haben wir wieder die Hoffnung, und indessen beschäftigen Sie sich mit Hinaustragen von Stühlen und Ableiern von kleinen Rollen!«

      »Weil ich keine größeren bekommen kann!« rief Rebe. »Ist denn der Director auch nur dazu zu bewegen, mir einmal einen Versuch zu gestatten? Erlaubt er mir denn nur ein einziges Mal, zu zeigen was ich wirklich kann? Ach, mein bester Herr Pfeffer, wenn Sie es nur ein einziges Mal dahin bringen könnten, daß ich…«

      »Bleiben Sie mir vom Leibe,« rief Pfeffer; »ich habe mit der ganzen Schmiere nichts zu thun! Ich spiele meine Rolle ab, und damit Basta – wenn Ihnen eine von denen zusagen sollte, mit dem größten Vergnügen – in das Andere mische ich mich nicht. So viel sage ich Ihnen aber: – hier – wenn Sie wirklich Talent hätten – kommen Sie zu nichts; Handor spielt Alles, also eine Aussicht bleibt Ihnen nicht, und deshalb bitte ich Sie sehr ernstlich, daß Sie dem armen Mädchen, dem Jettchen, keine weiteren Sparren in den Kopf setzen!«

      »Aber, bester Herr Pfeffer!«

      »Ich glaube, Sie haben mich verstanden?«

      »Vollkommen!«

      »Schön, dann brauchen wir auch weiter nichts darüber zu reden, und ich…«

      Er wurde hier unterbrochen, denn in dem Moment flog die Thür auf und herein stürzte in größter Eile und mit einem »Allerseitigen Guten Morgen« Fräulein Bassini, Pfeffer's älteste Schwester, ebenfalls Mitglied des hiesigen Stadttheaters – mit einem riesigen Toupet von hochrothen Locken, dabei decolletirt und sehr phantastisch angezogen. Sie machte auch nicht viel Umstände.

      »Fürchtegott,« rief sie, »ich habe meine Dose vergessen und muß in die Probe – borg' mir die Deinige.«

      Fräulein Bassini – wie sie mit ihrem Theaternamen hieß, da ihr der Name Pfeffer zu prosaisch klang – spielte Charakter- und Anstandsdamen. Sie war aber »jeder Zoll eine Schauspielerin« und, wenn auch schon im Anfange der Vierzig – was sie übrigens hartnäckig leugnete –, doch noch so liebenswürdig kokett, wie ein junges Mädchen von siebzehn Jahren.

      »Schon wieder einmal,« sagte Pfeffer, wie es übrigens schien, nicht sehr erbaut von dem Überfall; »merkwürdig, daß Du nie etwas von Deiner Auftakelei vergißt. Frauenzimmer, wie siehst Du heute Morgen wieder aus – gerad' wie ein Pfingstochse!«

      »Du bist und bleibst ein Grobian!« rief Fräulein Bassini, indem sie ohne Weiteres die auf dem Tisch stehende Dose an sich nahm und einsteckte – »was müssen denn nur andere Leute von Dir denken. – Guten Morgen, Herr Rebe!«

      »Und willst Du nicht einmal zu Deiner Schwester hinübergehen? Sie ist nicht recht wohl.«

      »Es hat schon zehn Uhr geschlagen, und ich komme im ersten Act,« rief Fräulein Bassini, und damit war sie aus der Thür verschwunden.

      Als sie dieselbe öffnete, sah Rebe draußen in der Küche Henriette stehen.

      »Also, mein lieber Herr Pfeffer?«

      »Nun, ich denke, Sie haben auch Probe; Sie machen ja wohl einen von den Ballgästen?«

      »Leider,« seufzte der junge Mann, »aber ich komme erst am Schluß des zweiten Actes.«

      »War mir sehr angenehm,« sagte Pfeffer mit einer Miene, als ob er ihn eben so lieb wie nicht zur Thür hinausgeworfen hätte.

      Rebe machte eine Verbeugung und verließ das Zimmer. Wie er die Thür hinter sich zudrückte, traf er vorn in der kleinen, halbdunkeln Küche, die ihr Licht nur durch ein Thürfenster des Vorsaales erhielt, Jettchen.

      »Mein liebes Fräulein, ich danke meinem Schicksal, daß ich Ihnen wenigstens Guten Morgen sagen kann.«

      »Guten Morgen, Herr Rebe,« erwiderte Henriette leise.

      »Ihre Frau Mutter ist nicht wohl?«

      »Hoffentlich nur eine Erkältung.«

      »Hoffentlich – und Sie arbeiten so fleißig?«

      »Ich muß ja wohl.«

      »Sie glauben nicht, wie lang mir der gestrige Tag geworden ist – wie lang mir mein übriges Leben werden wird.«

      »Ich verstehe Sie nicht,« sagte Jettchen leise.

      »Ihr Onkel hat mir mit ziemlich deutlichen Worten das Haus verboten – und ich fühle selber, daß er dabei in seinem Rechte ist. Zürnen Sie mir nicht, mein liebes Jettchen, wenn ich seinem Befehl gehorche – ich sehe ein, daß es sein muß.«

      Drinnen im Zimmer klingelte es.

      »Die Mutter verlangt nach mir,« rief das junge Mädchen.

      »Leben Sie wohl,« Jettchen, sagte Rebe und reichte ihr die Hand, die sie schüchtern nahm – aber wieder klingelte es – und sich losreißend, flog sie in das Zimmer zurück. Horatius Rebe aber sah ihr wehmüthig nach und verließ dann in einer recht gedrückten und traurigen Stimmung das Haus, welches er kurz vorher so freudig betreten hatte.

      2.

      Unter den Buden

      Der Wagen mit dem jungen Paar und den Kindern, der vorhin Henriettens Aufmerksamkeit erregt, fuhr noch eine Strecke durch das Menschengewühl im Schritt, bis er einen freieren Platz erreichte. Dort ließ der Kutscher die Pferde ein wenig austraben, und bald hielt das leichte Fuhrwerk vor einem nicht sehr großen, aber außerordentlich freundlich gelegenen herrschaftlichen Haus, an dessen Gartenpforte schon verschiedene dienstbare Geister standen, um die erwartete Herrschaft in Empfang zu nehmen.

      Der junge Mann war, wie nur der Wagen hielt, rasch zuerst hinausgesprungen, und seine beiden Kleinen aufnehmend und den herbeieilenden Mädchen übergebend, half er der jungen Frau ebenfalls aus dem Wagen – aber sie bedurfte kaum seiner Hülfe.

      Es war eine reizende, schlank gewachsene Gestalt, mit wundervollen goldblonden Haaren und lebendigen, aber doch so seelenvollen Augen, die aber kaum ihre Hand auf seinen Arm stützte, so leicht sprang sie selbst von dem Wagen herab. Aber unten blieb sie stehen, und einen halb neugierigen, halb ängstlichen Blick umherwerfend, sagte sie mit leiser, fast zitternder Stimme:

      »Und sind wir denn wirklich hier in Haßburg, Felix? Haben wir endlich unser lang ersehntes Ziel erreicht?«

      »Haßburg, gewiß,« lächelte ihr Gatte, indem er ihren Arm in den seinen zog und, von den Kindern und den Dienern gefolgt,