Gerstäcker Friedrich

Nach Amerika! Ein Volksbuch. Fünfter Band


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nie ein Wort davon erwähnt – «

      »Also Sie kennen ihn?«

      »Ich bin mit ihm über See nach New-Orleans gekommen.«

      »Er ist zurück?« rief der für Henkel gehaltene Mann, von seinem Stuhle aufspringend; »davon weiß ich ja keine Sylbe.«

      »Seit Anfang Oktober – aber – wenn Sie denn wirklich nicht der Henkel sind, und ich gebe Ihnen mein Wort darauf, ich hätte mir noch vor ein paar Minuten ruhig den Kopf darauf abschneiden lassen, dann lösen Sie mir wenigstens ein Räthsel, und sagen mir was der Name Soldegg bedeutet?«

      »Das ist einfach gelöst,« lachte der junge Mann, und Hopfgarten hätte jetzt wieder seine Seligkeit zum Pfande setzen wollen daß er seinen Reisegefährten, und nicht dessen Zwillingsbruder vor sich habe, wäre ihm nicht die vollständige Ruhe und Unbefangenheit des Mannes im Wege gewesen. »Der Kaufmann Henkel ist unser Stiefvater; meine Mutter hieß Soldegg von ihrem ersten Mann, unserem Vater; mein Bruder, der mit unserem Stiefvater in dessen Geschäft trat, nahm auch seinen Namen an, und nennt sich nur noch manchmal Henkel Soldegg oder Soldegg Henkel. Ich selber führe nur den Namen Soldegg.«

      »Hm, hm, hm,« murmelte Hopfgarten, mit dem Kopf dazu schüttelnd, leise vor sich hin, »wenn man's in einem Buche läse, würde man's nicht glauben. Es ist wahr,« fuhr er dann, zu Soldegg wieder aufschauend und ihn mit den Augen messend, fort, »es liegt etwas in Ihrem ganzen Wesen das Henkel nicht hatte. – Sie stehen kräftiger, entschlossener, freier da, möchte ich fast sagen – Henkel hatte mehr etwas Scheues, Gedrücktes, Unsicheres – trug sich auch nicht so g'rade in den Schultern.«

      »Läßt sich wohl denken,« lachte der junge Mann, »er ist an Stubensitzen gewöhnt, und hinter riesigen Büchern und dem Schreibtisch groß geworden, ich dagegen habe ein freies fröhliches Jägerleben im Wald dafür geführt. Er mag reicher bei seiner Beschäftigung geworden sein – aber ich tausche dennoch nicht mit ihm.«

      »Sie wissen daß er verheirathet ist?«

      »Er schrieb mir einmal daß er heirathen würde; hat er seine Frau mitgebracht?«

      »Nehmen Sie mir's nicht übel,« sagte Hopfgarten, der den Fremden wieder ein paar Secunden stutzig und aufmerksam betrachtet hatte; »aber wenn wir Beide zusammen über den Henkel sprechen, kommt es mir bei Gott so vor, als ob wir mit einander Komödie spielten.«

      Soldegg lachte.

      »Ich habe schon komische Verwechselungen erlebt,« sagte er, »und das einzige Merkmal, an dem uns unsere Freunde unterscheiden konnten, war eine kleine rothe Narbe, die Joseph über dem linken Auge hat, und die mir fehlt.«

      »Ich habe sie nie bemerkt,« sagte Hopfgarten.

      »Das glaub' ich, Sie werden ihn früher nie so genau betrachtet haben – wenn Sie ihn jetzt wieder sehn wird das anders sein, aber – sehn Sie ihn wirklich wieder in nächster Zeit?«

      »Ich habe einen wichtigen Brief für ihn bei mir,« sagte Hopfgarten, der sein Mistrauen doch noch nicht ganz bewältigen konnte, und dem plötzlich ein Gedanke aufstieg, den fraglichen Bruder auf die Probe zu stellen.

      »So?« sagte dieser aber vollkommen ruhig, »dann haben Sie wohl Einige von seinen Bekannten im inneren Land gefunden?«

      »Einen Mr. Goodly,« sagte Hopfgarten lauernd.

      »Kenn' ich nicht,« erwiederte Soldegg kopfschüttelnd, und ohne die geringste Theilnahme zu verrathen, »aber würden Sie die Freundlichkeit haben, auch für mich ein paar Zeilen meinem Bruder übergeben?«

      »Recht gern,« sagte Hopfgarten, der doch endlich überzeugt wurde, daß der wirkliche Henkel nie im Stande gewesen wäre diese Rolle so zu spielen, das ganz abgerechnet, daß er nicht den mindesten Grund dazu hatte, »aber mit der Post würde er ihn viel schneller erreichen, denn ich gehe nicht direkt nach New-Orleans zurück.«

      »Es wird ihn mehr freuen die Zeilen durch Jemand zu erhalten, der mich persönlich gesprochen hat« sagte Soldegg.

      »Das allerdings; wissen Sie seine Adresse?«

      »Ich werde den Brief an seine Firma adressiren,« sagte Soldegg – »ist er nicht dort, mag ihn die weiter befördern. Haben Sie aber keine Zeit die aufzusuchen,« setzte er nach einigen Augenblicken hinzu – »so öffnen Sie nur den Brief – ich schreibe ihm keine Geheimnisse – und schicken ihn dann durch die Briefpost an das unten angegebene Haus.«

      »Ich sehe ihn jedenfalls« sagte Hopfgarten, »und werde ihn selber übergeben; wann schreiben Sie den Brief?«

      »Noch heute Abend – es kann sein, daß ich morgen sehr früh aufbreche.«

      Der Barkeeper rief in diesem Augenblick den Fremden zu dem indeß bereiteten Abendbrod, die übrigen Gäste gingen großentheils zu Bett, mit ihnen Soldegg, der, als er an dem Deutschen vorüberging, ihm eine freundliche gute Nacht zurief.

      »Soll mich der Böse holen,« murmelte Hopfgarten, als jene das Zimmer verlassen, zwischen den Zähnen und einem eben in Arbeit befindlichen Hühnerbein durch, »wenn mich nicht des Burschen Gesicht und ganzes Wesen auf die Länge der Zeit zur Verzweiflung bringen könnte. Solch eine Ähnlichkeit ist noch gar nicht dagewesen – aber er ist's nicht – wahrhaftig nicht, denn mit dem Brief hab' ich ihm auf den Zahn gefühlt. Wenn da – 'was nicht richtig war – wenn er nur mit einer Miene gezuckt hätte, dann wußt' ich woran ich war – Sie, Barkeeper« – setzte er dann lauter zu dem besagten Individuum hinzu, das sich eben eifrig damit beschäftigte die wenigen im Zimmer befindlichen Lichter – das eine was auf Herrn von Hopfgartens Tisch stand ausgenommen – auszublasen – »kannten Sie den Herrn mit dem ich vorhin sprach?«

      »Den Gentleman mit den Kamaschen?« sagte der Barkeeper, ohne sich weiter nach dem Frager umzusehn.

      »Denselben.«

      »Nein.«

      »Sie wissen nicht wo er herkommt.«

      »Nein, glaube von oben.«

      »Von Norden?«

      »Ja – «

      »Und heißt?«

      »Wenn ich ihn morgen früh sehe will ich ihn fragen,« sagte der Barkeeper, schob beide Hände in seine Hosentaschen und ging pfeifend zur Thür hinaus.

      Als Herr von Hopfgarten am andern Morgen zum Frühstück hinunter kam, übergab ihm der Barkeeper einen Brief, den »Mr. Soldegg« für ihn zurückgelassen. Er hatte noch eine Weile auf den Herrn gewartet, da er aber so lange schlief, konnte er nicht länger zögern und war fortgeritten. Die Adresse des Briefes lautete:

      Joseph Henkel Esqre. care of Henkel & son 17. Canalstreet New-Orleans.

      Capitel 2

      Die Farm in der Wildniß

      Es war Frühling geworden in dem weiten Land; der Wald hatte sich mit frischem saftigen Grün bedeckt, und tausende von Blüthen keimten an den schwellenden Zweigen und füllten die Wildniß mit ihrem süßen Duft. Der Hirsch zog zur Salzlecke Nachts, der Truthahn balzte in den Fichten Hügeln und aus dem gelben Laub hervor, das auf dem Boden wie ein dicker Teppich lagerte, drängten sich Gräser, Kräuter und Blumen heraus, und öffneten schlaftrunken ihre Kelche dem wärmenden Sonnenstrahl.

      Wie die Vögel so fröhlich zwitscherten in dem jungen Laub, und die Frösche quakten, und die Heuschrecken mit ihrem wunderlich regelmäßigen Zirpen den Wald belebten; wie das Alles so neu und frisch aussah in der schönen jungen Welt, und der Thau wieder so klar und blitzend an den Halmen perlte. – So neu und frisch – auch das kleine Grab, das dort unter der schlanken Eiche aufgeworfen war, und mit der braunen Erde scharf gegen das gelbe Laub des Bodens, gegen die grünen Büsche abstach, die sich dicht darüber schmiegten.

      Unter dem Hügel schlummerte Olnitzki's jüngstes Kind, und die Mutter hatte wochenlang, von der Schwester gepflegt, das Lager hüten müssen, bis sich der Körper wieder von einem hitzigen Fieber, das ihn ergriffen, und den Folgen der schlaflosen kummervollen Nächte die sie durchwachte, nur in etwas erholen konnte.

      War ihr da auch seit einigen Tagen gestattet worden das Lager wieder zu verlassen,