Gerstäcker Friedrich

Nach Amerika! Ein Volksbuch. Dritter Band


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die Einwanderer, von denen sich nur Eltrich getrennt hatte seine eigenen Geschäfte desto rascher besorgen zu können, nicht Augen genug zu sehen, nicht Ohren genug zu hören hatten, und im Anfang wirklich wie von einem wilden, hirnverdrehenden Traum befangen an der Levée hinauf, der eigentlichen Stadt zugingen, und herüber und hinüber gestoßen, denn sie schienen allen Menschen heute im Weg, endlich unfern von da stehen blieben wo eine Anzahl Männer und Frauen, neben aufschichteten Kisten und Koffern auf der Levée saßen und das Wogen und Drängen der Weltstadt still und die Hände in den Schooß gelegt, an sich vorüber strömen ließen.

      »Das sind Deutsche!« rief Steinert, mit der Hand nach ihnen hinüber deutend – »die können uns auch vielleicht Auskunft geben wohin wir uns am Besten wenden, mitten in die Stadt zu kommen; wir wollen sie jedenfalls fragen.«

      »Und wo wir hier Arbeit kriegen« sagte da ein Oldenburger, »Donnerwetter, seit wir hier auf dem Damm herum laufen ist mir ganz wunderlich zu Muthe geworden; ich glaubte erst wir würden den Fuß nicht an Land setzen können, ohne daß die Amerikaner auf uns zukämen, und uns frügen was wir den Tag oder Monat für Lohn haben wollten, und jetzt bekümmert sich keine Menschen-Seele um uns, und die Leute thun gerade so, als ob wir gar nicht in der Welt wären.«

      »Guten Tag Landsleute« sagte Steinert als sie sich den Leuten näherten, und die Männer und Frauen drehten rasch den Kopf nach ihm um, und erwiederten den Gruß.

      »Auch erst angekommen?« frug der eine Oldenburger den ihm nächst sitzenden, einen alten Mann mit braunledernen kurzen Hosen, baumwollenen langen Strümpfen, eine blaue Jacke mit bleiernen Knöpfen darauf, weiß und blaugesprenkelte Weste und eine Pelzmütze auf.

      »Jes« sagte der Mann, »seit gestern Morgen.«

      »Und spricht schon Englisch?« lachte Steinert.

      »Jes a Bisle« sagte der Mann wieder, aber mit einem wehmüthigen Zug um den Mund, als ob es ihm leid thue.

      »Und weshalb sitzt Ihr hier und verpaßt die schöne Zeit?« rief Steinert, »oder wartet Ihr auf ein Dampfboot, den Fluß hinauf zu gehen?«

      »Wir sitzen hier, weil uns der Capitain nicht länger an Bord behalten und nicht wieder mitnehmen wollte« sagte der Mann finster.

      »Wieder mitnehmen? – nach Deutschland?«

      »Jes.«

      »Aber um Gottes Willen weshalb?«

      »Weil wir nicht gern gleich die erste Woche verhungern möchten in Amerika« sagte der Mann und die Frau die neben ihm saß preßte ihr Kind fester an sich und wandte den Kopf ab, daß die Fremden die Thränen nicht sehen sollten, die ihr in den Augen standen.

      »Ist es so schlecht hier?« frug der andere Oldenburger rasch.

      »Schlecht? – das weiß ich nicht« sagte der Mann – »aber wir sind unserer sechse gestern den ganzen Tag von Morgen bis Abend herumgelaufen Arbeit zu suchen und Brod zu finden, und Niemand hat uns haben wollen, und Geld haben wir auch nicht mehr uns Provisionen zu kaufen. Gestern hatten wir noch Schiffszwieback den wir vom Bord mitgenommen – heute werden wir von den halbfaulen Apfelsinen und Äpfeln leben können, die die Obstweiber fortwerfen.«

      »Aber sollen denn Eure Sachen hier im Freien liegen bleiben?« frug sie Steinert kopfschüttelnd; »es wird doch wohl gewiß Plätze geben wo Ihr die unterbringen könntet.«

      »Ja es gibt so Häuser, die sie hier Bordinghäuser nennen« sagte ein Anderer – »aber die verlangen gleich Geld, oder die Sachen in Versatz, weil wir mit Frauen und Kindern ankamen, und sie die überdieß nicht gern einnehmen wollen. Das ist nun Amerika – jetzt sind wir da!« und der Mann stützte seinen Kopf in beide Hände, holte tief Athem, und sah still und starr vor sich nieder eine ganze Weile lang.

      »Seid Ihr auch eben erst angekommen?« frug der Erste wieder.

      »Ja« sagte der eine Oldenburger, aber sehr kleinlaut – »heute Morgen – vor einer halben Stunde etwa.«

      »Und habt Ihr auch Frauen mit?« frug die eine Frau mit leiser Stimme, aber es lag ein solcher Schmerz darin, daß es selbst Steinert unbehaglich zu Muthe wurde, und er rasch sagte:

      »Ihr müßt nicht verzagen Leute; Wetter noch einmal, die gebratenen Tauben fliegen Einem nicht in's Maul, und Ihr sitzt hier gerade so, als ob Ihr darauf wartetet. Ihr seid gesund und kräftig, und allen Solchen fehlt es in Amerika nicht, das ist eine allbekannte Sache.«

      »Wenn man aber nun Nichts zu essen, und auch Niemanden hat der Einem was giebt?« sagte einer der Anderen wieder. »Ihr habt klug reden – vielleicht die Taschen noch voll Geld und keine Weiber und Kinder, aber lauft erst einmal in der ganzen Stadt in der Hitze herum von Haus zu Haus, und fragt nach Arbeit, und werdet überall fortgeschickt, und wißt dann daß Eure Kinder am Fluß sitzen und nach Brod schreien. – Ich bleibe jetzt hier ruhig hocken,« setzte er dann mit finsterem Trotz hinzu, »und will eben einmal sehn ob uns die Amerikaner hier auf der Straße verhungern lassen oder nicht.«

      »Und seid Ihr allein mit dem Schiff gekommen?« frug ihn Wald, der indessen heimlich in die Taschen gegriffen und einen halben Dollar herausgenommen hatte.

      »Nein, wir sind ihrer noch mehr« sagte der Erste – »die Anderen sind wieder ausgegangen heut Morgen und suchen Arbeit oder Brod – wenn wir nur Milch für die Kinder hätten.«

      »Da hab' ich gerade vorhin einen halben Dollar auf der Straße gefunden« sagte Wald, das Geldstück der Frau hinhaltend – »Euch thuts hier wahrscheinlich mehr Noth, denn ich habe keine Familie – nehmts!«

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      1

      Die Amerikanische Flagge ist weiß und roth gestreift mit einem blauen Viereck in der oberen Ecke am Fahnenstock, das weiße Sterne führt. Im Beginn der Union war deren Zahl 13, nach Anzahl der Staaten, aber mit jedem neu hinzukommenden Staat wurde auch ein Stern hinzugefügt.

      2

      »Von wo kommt ihr her?«

      3

      Der Mississippi heißt in der bilderreichen Sprache der Indianer der »Vater der Wasser.«

      4

      Es giebt Dampfboote auf dem Mississippi, die solcher Art 4000 Amerikanische Ballen Baumwolle tragen.

      5

      Die Levée von New-Orleans ist von New-Orleans selber nicht zu trennen, denn sie macht den Hauptbestandtheil der Stadt aus und ist ihr einziger Schutz gegen den oft 12-15 Fuß höher steigenden Strom. Das ganze Ufer des Mississippi ist nämlich so niedrig, und war den jährlichen Überschwemmungen des gewaltigen Stromes so ausgesetzt, daß die Ansiedler, das werthvolle Land urbar zu erhalten, einen hohen Damm am ganzen Ufer des Stromes hin errichten mußten. Die Franzosen, unter deren Regierung dieser Damm besonders angelegt wurde, gaben ihm den Namen Levée, den die Amerikaner später adoptirten, und die Levée von New-Orleans, die jetzt an der ganzen Stadt über acht