Sigmund Freud

Zur Psychopathologie des Alltagslebens


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handeln, die störenden Elemente kennen zu lernen, und dann entstände die Frage, ob auch der Mechanismus dieser Störung die zu vermutenden Gesetze der Sprachbildung verraten kann.

      Man darf nicht behaupten, dass Meringer und Mayer die Möglichkeit der Sprechstörung durch »kompliziertere psychische Einflüsse«, durch Elemente ausserhalb desselben Wortes, Satzes oder derselben Redefolge übersehen haben. Sie mussten ja bemerken, dass die Theorie der psychischen Ungleichwertigkeit der Laute strenge genommen nur für die Aufklärung der Lautstörungen, sowie der Vor- und Nachklänge ausreicht. Wo sich die Wortstörungen nicht auf Lautstörungen reduzieren lassen, z. B. bei den Substitutionen und Kontaminationen von Worten, haben auch sie unbedenklich die Ursache des Versprechens ausserhalb des intendierten Zusammenhanges gesucht und diesen Sachverhalt durch schöne Beispiele erwiesen. Ich zitiere folgende Stellen:

      (p. 62.) »Ru. erzählt von Vorgängen, die er in seinem Innern für »Schweinereien« erklärt. Er sucht aber nach einer milden Form und beginnt: »Dann aber sind Tatsachen zum Vorschwein gekommen …« Mayer und ich waren anwesend und Ru. bestätigte, dass er »Schweinereien« gedacht hatte. Dass sich dieses gedachte Wort bei »Vorschein« verriet und plötzlich wirksam wurde, findet in der Ähnlichkeit der Wörter seine genügende Erklärung.« –

      (p. 73.) »Auch bei den Substitutionen spielen wie bei den Kontaminationen und in wahrscheinlich viel höherem Grade die »schwebenden« oder »vagierenden« Sprachbilder eine grosse Rolle. Sie sind, wenn auch unter der Schwelle des Bewusstseins, so doch noch in wirksamer Nähe, können leicht durch eine Ähnlichkeit des zu sprechenden Komplexes herangezogen werden und führen dann eine Entgleisung herbei oder kreuzen den Zug der Wörter. Die »schwebenden« oder »vagierenden« Sprachbilder sind, wie gesagt, oft die Nachzügler von kürzlich abgelaufenen Sprachprozessen (Nachklänge).«

      (p. 97.) »Eine Entgleisung ist auch durch Ähnlichkeit möglich, wenn ein anderes ähnliches Wort nahe unter der Bewusstseinsschwelle liegt, ohne dass es gesprochen zu werden bestimmt wäre. Das ist der Fall bei den Substitutionen. – So hoffe ich, dass man beim Nachprüfen meine Regeln wird bestätigen müssen. Aber dazu ist notwendig, dass man (wenn ein anderer spricht) sich Klarheit darüber verschafft, an was Alles der Sprecher gedacht hat.5 Hier ein lehrreicher Fall. Klassendirektor Li. sagte in unserer Gesellschaft: »Die Frau würde mir Furcht einlagen.« Ich wurde stutzig, denn das l schien mir unerklärlich. Ich erlaubte mir, den Sprecher auf seinen Fehler »einlagen« für »einjagen« aufmerksam zu machen, worauf er sofort antwortete: »Ja, das kommt daher, weil ich dachte: ich wäre nicht in der Lage u. s. f.««

      „Ein anderer Fall. Ich frage R. v. Schid., wie es seinem kranken Pferde gehe. Er antwortet: „Ja, das draut .. dauert vielleicht noch einen Monat.“ Das „draut“ mit seinem r war mir unverständlich, denn das r von dauert konnte unmöglich so gewirkt haben. Ich machte also R. v. S. aufmerksam, worauf er erklärte, er habe gedacht, „das ist eine traurige Geschichte.“ Der Sprecher hatte also zwei Antworten im Sinne und diese vermengten sich.“

      Es ist wohl unverkennbar, wie nahe die Rücksichtnahme auf die „vagierenden“ Sprachbilder, die unter der Schwelle des Bewusstseins stehen und nicht zum Gesprochenwerden bestimmt sind, und die Forderung, sich zu erkundigen, an was der Sprecher alles gedacht habe, an die Verhältnisse bei unseren „Analysen“ herankommen. Auch wir suchen unbewusstes Material, und zwar auf dem nämlichen Wege, nur dass wir von den Einfällen des Befragten bis zur Auffindung des störenden Elementes einen längeren Weg durch eine komplexe Assoziationsreihe zurückzulegen haben.

      Ich verweile noch bei einem anderen interessanten Verhalten, für das die Beispiele Meringers Zeugnis ablegen. Nach der Einsicht des Autors selbst ist es irgend eine Ähnlichkeit eines Wortes im intendierten Satz mit einem anderen nicht intendierten, welche dem letzteren gestattet, sich durch die Verursachung einer Entstellung, Mischbildung, Kompromissbildung (Kontamination) im Bewusstsein zur Geltung zu bringen.

      lagen, dauert, Vorschein.

      jagen, traurig, …schwein.

      Nun habe ich in meiner Schrift über die „Traumdeutung“6 dargetan, welchen Anteil die Verdichtungsarbeit an der Entstehung des sog. manifesten Trauminhaltes aus den latenten Traumgedanken hat. Irgend eine Ähnlichkeit der Dinge oder der Wortvorstellungen zwischen zwei Elementen des unbewussten Materials wird da zum Anlass genommen, um ein Drittes, eine Misch- oder Kompromissvorstellung zu schaffen, welche im Trauminhalt ihre beiden Komponenten vertritt, und die infolge dieses Ursprungs so häufig mit widersprechenden Einzelbestimmungen ausgestattet ist. Die Bildung von Substitutionen und Kontaminationen beim Versprechen ist somit ein Beginn jener Verdichtungsarbeit, die wir in eifrigster Tätigkeit am Aufbau des Traumes beteiligt finden.

      In einem kleinen für weitere Kreise bestimmten Aufsatz (Neue freie Presse vom 23. Aug. 1900: „Wie man sich versprechen kann“) hat Meringer eine besondere praktische Bedeutung für gewisse Fälle von Wortvertauschungen in Anspruch genommen, für solche nämlich, in denen man ein Wort durch sein Gegenteil dem Sinne nach ersetzt. „Man erinnert sich wohl noch der Art, wie vor einiger Zeit der Präsident des österreichischen Abgeordnetenhauses die Sitzung eröffnete: »Hohes Haus! Ich konstatiere die Anwesenheit von so und soviel Herren und erkläre somit die Sitzung für geschlossen!« Die allgemeine Heiterkeit machte ihn erst aufmerksam, und er verbesserte den Fehler. Im vorliegenden Falle wird die Erklärung wohl diese sein, dass der Präsident sich wünschte, er wäre schon in der Lage, die Sitzung, von der wenig Gutes zu erwarten stand, zu schliessen, aber – eine häufige Erscheinung – der Nebengedanke setzte sich wenigstens teilweise durch, und das Resultat war »geschlossen« für »eröffnet«, also das Gegenteil dessen, was zu sprechen beabsichtigt war. Aber vielfältige Beobachtung hat mich belehrt, dass man gegensätzliche Worte überhaupt sehr häufig mit einander vertauscht; sie sind eben schon in unserem Sprachbewusstsein assoziiert, liegen hart nebeneinander und werden leicht irrtümlich aufgerufen.“

      Nicht in allen Fällen von Gegensatzvertauschung wird es so leicht, wie hier im Beispiel des Präsidenten, wahrscheinlich zu machen, dass das Versprechen in Folge eines Widerspruchs geschieht, der sich im Innern des Redners gegen den geäusserten Satz erhebt. Wir haben den analogen Mechanismus in der Analyse des Beispiels: aliquis gefunden; dort äusserte sich der innere Widerspruch im Vergessen eines Wortes anstatt seiner Ersetzung durch das Gegenteil. Wir wollen aber zur Ausgleichung des Unterschiedes bemerken, dass das Wörtchen aliquis eines ähnlichen Gegensatzes, wie ihn »schliessen« zu »eröffnen« ergibt, eigentlich nicht fähig ist, und das »eröffnen« als gebräuchlicher Bestandteil des Redeschatzes dem Vergessen nicht unterworfen sein kann.

      Zeigen uns die letzten Beispiele von Meringer und Mayer, dass die Sprechstörung ebensowohl durch den Einfluss vor- und nachklingender Laute und Worte desselben Satzes entstehen kann, die zum Ausgesprochenwerden bestimmt sind, wie durch die Einwirkung von Worten ausserhalb des intendierten Satzes, deren Erregung sich sonst nicht verraten hätte, so werden wir zunächst erfahren wollen, ob man die beiden Klassen von Versprechen scharf sondern, und wie man ein Beispiel der einen von einem Fall der anderen Klasse unterscheiden kann. An dieser Stelle der Erörterung muss man aber der Äusserungen Wundts gedenken, der in seiner eben erscheinenden umfassenden Bearbeitung der Entwicklungsgesetze der Sprache (Völkerpsychologie, I. Band, I. Teil p. 371 u. ff., 1900) auch die Erscheinungen des Versprechens behandelt. Was bei diesen Erscheinungen und anderen, ihnen verwandten, niemals fehlt, das sind nach Wundt gewisse psychische Einflüsse. „Dahin gehört zunächst als positive Bedingung der ungehemmte Fluss der von den gesprochenen Lauten angeregten Laut- und Wortassoziationen. Ihm tritt der Wegfall oder der Nachlass der diesen Lauf hemmenden Wirkungen des Willens und der auch hier als Willensfunktion sich betätigenden Aufmerksamkeit als negatives Moment zur Seite. Ob jenes Spiel der Assoziation darin sich äussert, das ein kommender Laut antizipiert oder die vorausgegangenen reproduziert, oder ein gewohnheitsmässig eingeübter zwischen andere eingeschaltet wird, oder endlich darin, dass ganz andere Worte, die mit den gesprochenen Lauten in assoziativer Beziehung stehen, auf diese herüberwirken – alles dies bezeichnet nur Unterschiede in der Richtung und allenfalls in dem Spielraum der stattfindenden Assoziationen, nicht in der allgemeinen Natur derselben. Auch kann