die Glüklichen; der Kummer macht aus einer Stunde zehen.
Gaunt.
Nenn es eine Reise, die du für dein Vergnügen machst.
Bolingbroke.
Mein seufzendes Herz würde mich lügen heissen, wenn ich eine Lustreise nennen wollte, was ihm eine gezwungne Pilgrimschaft ist.
Gaunt.
Alle Örter die des Himmels Auge besucht, sind für den weisen Mann sichre Porte, und Himmel voll Wonne. Lehre die Nothwendigkeit so denken, es ist keine Tugend über die Nothwendigkeit. Denke nicht, der König habe dich verbannt, sondern du den König. Ein Ungemach drükt uns nur heftig, wenn wir es unmännlich tragen. Geh, sage, ich habe dich weggeschikt, Ruhm zu erwerben; nicht, der König habe dich verbannt. Oder bilde dir ein, es hange fressende Pestilenz in unsrer Luft, und du fliehest unter einen reinen Himmel. Sieh, alles was deiner Seele theuer ist, davon bilde dir ein, es lig' in dem Weg den du gehst, nicht in dem, so du verlässest; bilde dir ein, die Vögel seyen Musicanten; das Gras worauf du trittst, der Fußboden eines grossen Saals; die Blumen, schöne Damen; und deine Schritte, ein frölicher Tanz. Der Kummer beißt nur schwach, sobald man einen Scherz daraus macht.
Bolingbroke.
O, wer kan Feuer in seiner Hand tragen, und an den befrornen Caucasus denken? Wer kan den nagenden Hunger durch die blosse Erinnrung an ein Gastmahl stillen; oder, wenn er nakend im December Schnee gienge, sich durch die Vorstellung eines phantastischen Sommers erwärmen? O nein, die Vorstellungen des Guten schärfen nur das schmerzhafte Gefühl des Bösen, und der Zahn des giftigen Kummers —
Gaunt.
Komm, komm, mein Sohn, ich will dich ein Stük Weges begleiten; hätt' ich deine Jugend und deine Sache, ich wollte keinen Augenblik zögern.
Bolingbroke. So gehabe dich dann wohl, Engländischer Boden! Gehabe dich wohl, mein mütterliches Land, meine Säugerin, die noch diese kurzen Augenblike mich trägt. Wohin ich auch wandre, kan ich doch, obgleich verbannt, mich rühmen, daß ich ein echter Engländer bin.
(Sie gehen ab.)
Siebende Scene
(Der Hof.)
(König Richard, Bagott, Green, u.s.w. treten zu einer, und Lord Aumerle zu der andern Thür herein.)
König Richard (zu Bagott.)
In der That, wir bemerkten es auch – Vetter Aumerle, wie weit habt ihr den hohen Hereford begleitet?
Aumerle.
Ich begleitete den hohen Hereford, wenn ihr ihn so nennen wollt, nicht weiter als bis an die nächste Landstrasse, und dort verließ ich ihn.
König Richard.
Und saget, sind viele Thränen beym Abschied vergossen worden?
Aumerle.
Meiner Treue, von mir keine, ausser daß der Nord-Ostwind, der uns sehr scharf ins Gesicht blies, mir ein wenig Wasser aus den Augen preßte, und dadurch von ungefehr unsern kalten Abschied mit einer Thräne zierte.
König Richard.
Was sagte euer Vetter, wie ihr Abschied nahmt?
Aumerle.
Leb wohl! – und weil sich mein Herz nicht überwinden konnte, meine Zunge dieses Wort so entheiligen zu lassen, so stellte ich mich, als ob ich so betrübt sey, daß ich vor Schmerz nicht reden könne. Auf meine Ehre, wenn das Wort Lebwohl die Stunden hätte verlängern und Jahre zu seiner Verbannungs-Zeit hinzu thun können, er sollte eine ganze Last Lebewohl bekommen haben; aber weil das nicht war, so kriegte er keines von mir.
König Richard.
Er ist unser Anverwandter, Vetter, aber es ist zweifelhaft, ob er, wenn ihn die Zeit aus seiner Verbannung einst zurük beruft, als unser Freund wieder kommen wird. Wir selbst, und Bagot hier, und Buschy, und Green, haben beobachtet, wie er dem gemeinen Volke den Hof machte; wie er mit demüthiger und vertraulicher Höflichkeit sich in ihren Herzen unterzutauchen schien; was für Reverenze er auf der Strasse vor Sclaven hinwarf; wie er das Mitleiden der ärmsten Handwerksleute durch die Zauberey seines Lächelns und die scheinbare Geduld, womit er sich seinem Unglük unterzog, zu erschleichen suchte. Als ob er verlangte, daß sie ihre Liebe und ihre Wünsche mit ihm verbannen sollten. Er zog seinen Hut vor einem Austern-Mensch ab, und ein paar Karrenzieher, die ihm zurieffen: Gott geleit ihn! empfiengen den Tribut seiner biegsamen Knie mit – grossen Dank, meine Landsleute, meine lieben Freunde; gleich als wäre England sein künftiges Erbtheil, und er die nächste Hoffnung unsrer Unterthanen.
Green.
Gut, er ist nun fort, und diese Gedanken mögen mit ihm gehen; eine wichtigere Sorge ist izt, Gnädigster Herr, wie den Aufrührern in Irland zu begegnen sey, eh ein längerer Aufschub ihnen mehr Mittel zu ihrem Vortheil und Eurer Majestät Schaden darbietet.
König Richard.
Wir wollen diesem Krieg in Person beywohnen; und weil unsre Kisten durch den Aufwand eines zu grossen Hofes, und durch unsparsame Freygebigkeit in etwas leicht worden sind, so sehen wir uns genöthiget, unsre Cron-Einkünfte zu verpachten; die Summen die uns dadurch eingehen, werden für die gegenwärtigen Angelegenheiten zureichen; und wenn sie auch ausgehen, so wollen wir unsern Substituten in England Vollmachten geben, alle reichen Leute, die ihnen bekannt werden, nach Proportion um beträchtliche Summen Gelds zu taxieren, und uns selbige nachzuschiken; denn wir wollen uns ungesäumt nach Irland erheben. (Buschy zu den Vorigen.)
König Richard.
Buschy, was giebt's?
Buschy.
Der alte Johann von Gaunt ist krank, Gnädigster Herr, hat einen plötzlichen Anstoß bekommen, und sendet einen Boten in gröster Eil hieher, Euer Majestät zu bitten, ihn mit einem Besuch zu begnadigen.
König Richard.
Wo ligt er?
Buschy.
Zu Ely-House.
König Richard.
Nun gieb doch, gütiger Himmel, seinen Ärzten in den Sinn, ihm ungesäumt in sein Grab zu helfen; das Futter von seinen Kisten schikt sich vortreflich, unsern Soldaten für diesen Irländischen Krieg Röke daraus zu machen. Kommt, meine Herren, wir wollen ihn besuchen; Gott gebe, daß wir eilen und zu späte kommen!
(Sie gehen ab.)
Zweyter Aufzug
Erste Scene
(Ely-House.)
(Gaunt, der krank herein getragen wird; mit dem Herzog von York.)
Gaunt.
Will der König kommen, daß ich meinen lezten Athem in heilsamem Rath für seine noch verbesserliche Jugend aushauchen kan?
York.
Plaget euch selbst nicht, und verschwendet nicht so die wenige Kräfte, die ihr noch übrig habt; sein Ohr ist vor allem guten Rath verschlossen.
Gaunt.
Aber man sagt doch, daß die Zungen sterbender Menschen, gleich der zauberischen Harmonie zur Aufmerksamkeit nöthigen; sparsame Worte werden selten vergebens aufgewandt, denn diejenigen sagen die Wahrheit, die ihre Worte mit Schmerzen athmen müssen. Einer, der bald aufhören wird zu reden, wird eher gehört, als diejenigen, denen Jugend und Wohlaufseyn erlauben, sich in Worte zu ergiessen. Man giebt mehr auf der Menschen Ende acht, als auf ihr Leben; wie die Sonne nie mit mehr Vergnügen beschaut wird, als wenn sie untergeht, und an einer Musik nichts aufmerksamer macht als der Schluß. Ob Richard gleich die Räthe nicht hören wollte, die ich ihm in meinem Leben gab, so mag vielleicht der ernste Ton des Todes sein taubes Ohr durchdringen.
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