ein Stück an, einzuschlagen, dann kam Sperl und tränkte es mit seinen feineren, geschickteren Fingern vorsichtig mit Oel.
Aus einem ganzen Guss musste das Werk entstehen, ohne schmutzige, ohne blinde Stellen; das fertige Stück eine Augenweide, ein Anreiz für die spätere Arbeit.
Natürlich war diese Art des Schaffens nur möglich bei einem Künstler wie Leibl. Auch kannte er genau die Grenzen seiner Kunst. Lebhaft bewegte Figuren malte er nicht, alles war bei ihm ruhige Grösse.
Mitte der siebziger Jahre waren vier Meisterwerke von Leibl in München ausgestellt: Die Dachauerinnen, Die Cocotte, Ungleiches Paar und Dachauerin in Pelzhaube mit Kind. Mit Ausnahme des „Ungleichen Paars“, welches Defregger erwarb, ging alles ins Ausland. Munkaczy erstand die Dachauerinnen, die Dachauerin mit Pelzhaube kam nach Paris, für die Cocotte dauerte es lange, bis ein Liebhaber kam: der amerikanische Maler Chase.
Noch vor zehn Jahren hätte man für ein Butterbrot folgende Meisterwerke haben können: Die Pariserin (alte betende Frau), Tischgesellschaft, Bildnis des Bildhauers Schreibmüller und andere schöne Werke aus Leibls bester Zeit.
Auch Defregger hat vor einiger Zeit das „Ungleiche Paar“ verkauft; man liess es von München fortgehen und regte sich nicht auf. Die Aufregung spart man sich für die Zeit, in der es gilt, Bilder von fragwürdigen Tagesgrössen zu erwerben. Beim Tode Munkaczys verkaufte die Witwe die „Dachauerinnen“, Leibls wunderbarstes Maler-Werk, das heute in der Berliner Nationalgalerie ist.
Leibls Verbitterung gegenüber München war ungerecht. Wir haben ihn doch immer anerkannt.
Siehe oben.
Wenn man heute Gelegenheit hätte, in der Neuen Pinakothek nach der Durchwanderung der öden Säle, in denen die gute Kunst aus der neuesten Zeit so dünn gesät ist, in einem „Leiblzimmer“ mit den genannten Meisterwerken auszuruhen, welche Wohlthat wäre das!
In den späteren Werken Leibls spürt man deutlich eine gewisse Schwächlichkeit und Zaghaftigkeit. Die Kraft liess nach.
Eine Reise nach den Niederlanden rüttelte ihn noch einmal auf. Verjüngt kehrte er zurück. „Einen Grössern, als Franz Hals hat es nie gegeben und wird es nie wieder geben,“ schrieb er mir. Ich fuhr damals ohne ihn nach Madrid, und ich glaube, er schrieb das, um sich damit zu trösten.
Als ich im vorigen Sommer wieder einmal nach Aibling kam, um Freund Sperl in seiner Vereinsamung zu besuchen, wurde das Atelier ausgeräumt; die Sachen sollten nach München zur Versteigerung kommen. Auf dem Fussboden lagen alte Briefe, zerrissene Zeichnungen, Leinwandreste, vernichtete Studien.
Auf dem Schranke standen zwei Gipsbüsten eines Kunsthändlers, welcher Leibl in den letzten Jahren für den Kunsthandel entdeckt hatte. Die beiden Gipsköpfe sahen scharf und forschend in das Chaos.
Unten am Boden lag eine heute kostbare Kunstgeschichte, in Stücke gerissen.
Ich erinnerte mich, wie Leibl sich über eine Stelle in dem Buche masslos aufgeregt hatte, in der es von Menzel geheissen hatte, er hätte nie geliebt.
Eine schöne schwarze Marmortafel haben die Aiblinger an dem Kaufmann Mayerschen Hause am Marktplatz angebracht, darauf mit Goldschrift zu lesen ist, dass in diesem Hause der berühmte Maler Wilhelm Leibl aus Köln am Rhein viele Jahre wohnte und 56 Jahre alt geworden ist.
Grösser wäre die Ehre gewesen, wenn die Tafel im Rathaus angebracht worden wäre, denn da gehören die Männer hin, welche sich um die Stadt ganz besonders verdient gemacht haben. Die Stadträte haben in ihrer Weisheit erwogen und beschlossen, dass dies Leibl nicht gethan hat.
Deshalb musste er hinaus, ins Freie, auf den Markt. Es ist auch besser so.
Als die guten Aiblinger nach Leibls Tode all' die schönen Aufsätze in den Zeitungen lasen, wurde es ihnen aber doch etwas bange ums Herz: „Haben wir ihn auch genug zu schätzen gewusst?“ Ja, wer hätte denn auch gedacht, dass er ein so grosser Meister wäre. Er kam ja so einfach daher, wir liebten ihn und wussten, darin steckt etwas Tüchtiges. Aber dass er ein so grosser Mann war, wussten wir nicht. Ueber alle grossen Meister in München drinnen wird doch so ausgiebig in den Zeitungen berichtet. Und bei unserm Leibl haben sie gar nichts geschrieben. „Herr Professor“ ist er ja geworden, aber erst in späten Jahren. Auch einen Orden hat er bekommen. Vierter Klasse sogar.
Aber die in München drin, die müssen doch viel grössere Meister sein. Man braucht sie nur zu sehen, wie sie daher kommen.
Einfach und still war es bei Leibls Begräbnis. Manche offizielle Stelle, manche Künstlervereinigung vergass eine kleine Ehrung für den Meister. Freilich: er war ja nur „ein guter Handwerker“.
Möchten wir alle doch etwas von diesem guten Handwerk erlernen!
EINE AUTOBIOGRAPHISCHE NOTE ADOLF MENZELS
Früh erwachter Kunsttrieb machte sich … in so ausschliesslicher Weise geltend, dass der Vater sich bestimmen liess… Pläne aufzugeben. Die Ergebnisse einiger Versuche, mich nunmehr in die Förderung künstlerischer Schulung einzuführen, blieben hinter gehegten Erwartungen zurück. Fand ich doch Erbauung, Belehrung, höchsten Genuss in oft stundenlangem Verweilen in Sonnenbrand und Schnee vor ein paar kleinen Schaukästen italienischer Kupferstichhändler – das schon: die Sixtina, das Abendmahl, Schule von Athen, Heliodor und was nicht alles noch verschlingen zu können!!! Und wie manch Andachtmartyrium ward in der Kirchen ehrwürdiger Nacht, hinter Staub und Kerzenqualm, für die Knabenphantasie zum Meisterwerk umgezaubert! Beiher wurde Fortbildung nicht etwa vernachlässigt. Der Büchertrödel erschloss mir „Damms Götterlehre“, auch manch andere Aesthetica.
In römischer Geschichte hatte ich schon auf der Schulbank festen Fuss gefasst. Virginias Tod beschäftigte mich auf das Lebhafteste, noch vielmehr als vorher die Allüren des Metellus. Jetzt ward auch der ganze Olymp porträtiert, versteht sich, in ganzer Figur, in Kontur und als Plastik gedacht! Streng ohne Augäpfel; ich tat mir hierin einige Gewalt an. Innerhalb dieser Zeit nahm ich auch bereits teil an der Geschäftstätigkeit durch Zeichnen. Diesem Treiben, das dem Auge jedes regulär Gesinnten doch nur als ein wildes erscheinen konnte, musste ein Ende werden.
Wesentlich also um für mich die Gelegenheit zur künstlerischen Ausbildung zu gewinnen, führet mein Vater die Uebersiedelung von Breslau nach Berlin aus. Hier in diesem neuen Horizont, unter dem Eindruck der öffentlichen Monumente – Schlüter, Rauch, Schadow – und auch was die Schaufenster in so anderer Fülle boten – setzte das alte Leben sich fort, freilich so viel fruchtbarer für mein Lernen! Vorzugsweise an Chodowiecki.
Da, im Januar 1832, versetzte der schnelle Tod meines Vaters mich in die Lage der Selbständigkeit. Statt nun in meiner Hilflosigkeit (16 jährig) nach Unterstützung zur Förderung meines künstlerischen Strebens auszuschauen, zog ich es vor, den geplanten Besuch der Akademie aufzuschieben und nur dem Erwerb zu leben, darin aber, mochte das Jedesmalige wie bisher gleichviel wie geringfügig sein, so gut ich konnte, und viel besser als nötig und verlangt wurde, zu leisten.
Ostern 1833 meldete ich mich dann (ohne Sehnsucht), um es doch zu thun, zur Akademie, frequentierte dieselbe nur sehr lückenhaft, und blieb gegen Ende des Jahres ganz fort. Ich will damit das damalige Lehrwesen nicht schelten; es konnte nicht anders sein. Ich hatte mir das alles schon auf anderem Wege angeeignet, hatte schon meinen ersten öffentlichen Erfolg – Weihnachten 33. „Künstlers Erdenwallen“, freie Illustration nach Goethe, schaffte mir, dem in der Künstlerwelt noch ganz verborgen Gebliebenen, sofort die einstimmige Aufnahme in den Künstlerverein, 22. Februar 34…“
ZWEI HOLZSCHNITTE VON MANET
VON
MAX LIEBERMANN
Einen erläuternden Text zu den wunderschönen Reproduktionen nach Manet? Qui bono? Wer Manet versteht – und ihn daher liebt – braucht keine Erläuterungen, und wer ihn nicht versteht, noch viel weniger.
Auch Holzstöcke scheinen ihr Schicksal zu haben. Während der Holzschnitt der Olympia erst wieder durch Duret ans Tageslicht gezogen wurde, ist das Porträt der Dame, die den Kopf auf die Hand stützt, verschwunden gewesen: ebenso wie die Olympia hatte Manet das Porträt für ein Journal gezeichnet, das vor der Veröffentlichung der Zeichnung