an.
Der Fall jedoch, den ich Euch erzählen werde, ist noch nicht aus dem Gedächtnisse einzelner Personen verschwunden, denn die meisten in dieser wahren Geschichte handelnden Personen leben noch heutigen Tages, und ihr werdet es deshalb für ganz richtig und angezeigt halten, wenn ich den Orten und Personen, außer der Hauptperson, erdachte Namen gebe.
Im allgemeinen will ich nur soviel sagen, daß diese Geschichte in Süd-Rußland, unter Klein-Russen, vor sich ging und der „ungetaufte Pope“ Sava, ein seelenherzensguter, allgemein beliebter, ja von seiner Gemeinde geradezu vergötterter Mann, noch heute frisch und heiter, wenn auch bereits hochbetagt, lebt und seinen Pfarrbezirk nicht nur zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten, sondern auch seiner Pfarrkinder verwaltet.
Zweites Kapitel
Also: – in einem der Dörfer im südlichen Rußland, welchem wir, meinetwegen, den Namen Paripsami beilegen wollen, lebte der reiche Kasak Zacharovič, mit dem Rufnamen Dukač.
Er war zur Zeit, als meine Erzählung beginnt, bereits nicht mehr jung, aber sehr reich, kinderlos, rauh und hartherzig.
Wucherer, im eigentlichen Sinne des Wortes, war er nicht, auch kein Schinder, wie man sie unter Altrussen oft findet, denn derartiges kam zu jener Zeit in Südrussland nicht vor, aber er war, was man so nennt, ein zänkischer, hochmütiger, grober, rücksichtsloser Mensch, den alle fürchteten, sich, sowie sie ihn sahen, bekreuzten, und ihm, wenn es tunlich war, aus dem Wege gingen, denn kamen sie demselben ungelegen, dann gab es böse Worte, ja nicht selten sogar Prügel.
Sein eigentlicher Name war den wenigsten im Dorfe bekannt, was ja überhaupt in Dörfern gar nicht so selten vorkommt, aber alle nannten ihn Dukač, wodurch alle seine unangenehmen Eigenschaften zum Ausdruck gelangten.
Dieser mehr oder weniger beleidigende Spitzname konnte auf eine Verweichlichung seines Charakters wenig Einfluß ausüben; im Gegenteil, er wurde dadurch noch mehr aufgeregt und ärgerlich und nicht selten in einen solchen Zustand von Aufregung gebracht, daß der sonst von der Natur aus ganz gescheite Mann, der sich auch sonst zu beherrschen verstand, alle Überlegung verlor und sich auf die Menschen wie ein wütender Wolf warf.
Kinder brauchten ihn wohl nur von weitem zu erblicken, als sie unter dem Rufe: „Der Dukač kommt, der Dukač kommt!“ auseinander liefen, wie die Sperlinge bei einem Schusse: gelang es dem Dukač aber eines der Kinder unverhofft zu erjagen, dann schlug er dasselbe mit seinem langen Stocke, ohne welchen kein richtiger Kasak sein Haus verläßt, recht derb und empfindlich; hatte er aber den Stock nicht gerade zur Hand, dann brach er einen Ast vom ersten besten Baume, der ihm zu vorerwähntem Zwecke diente.
Den Dukač fürchteten alle, nicht allein Kinder, sondern auch die Erwachsenen, weshalb ihm jedermann auswich und trachtete dem Dukač nicht begegnen zu müssen.
Das war ein Mensch, den niemand liebte, dem niemand gutes wünschte, weder ins Gesicht noch hinter seinem Rücken, denn alle waren darüber einig und davon überzeugt, der Himmel zögere nur den streitsüchtigen Kasaken zu strafen bis zur gelegenen Zeit, sie selbst aber wären alle bereit diese Strafe mit dem größten Vergnügen zu besorgen, aber gerade den Leuten wie zum Trotze, verfolgte geradezu das Glück den Dukač.
Es glückte alles, was er unternahm – es lief ihm so zu sagen alles in die Hände; die schon überhaupt zahlreichen Heerden seiner Schafe vermehrten sich wie die Heerden Labans unter Jakob, so daß die in der Nähe liegende Steppe bereits zu klein für sie sich erwies.
Die langgehörnten schweren Zugochsen Dukač’s vermehrten sich, wuchsen und zogen hundert neue, mit Getreide, Wolle und anderen Produkten und Waren beladene Wagen nach Moskau, Nešin, Odessa oder geradezu noch weiter in die Krim; die Bienenstöcke im Lindenwald, vor Wind und Wetter geschützt, zählten nach hunderten.
Mit einem Wort: der Reichtum des Dukač war nach den Begriffen und der Ansicht der dortigen Kasaken ein – unermeßlicher.
Aus welchem Grunde gab ihm das alles Gott?
Die Leute konnten sich dieses nicht erklären, sie wunderten sich, schüttelten mit den Köpfen und trösteten sich damit, daß all’ dieser Reichtum, all’ dieses Glück, dieser Überfluß dem Dukač nicht zum Vorteile gereiche, daß Gott den Dukač nur in Versuchung führe, damit dieser noch stolzer werde als er es bereits ist, um ihn dann ungeahnt, plötzlich von seiner Höhe herabzustürzen mit einem solchen Krach, daß derselbe weit und breit hörbar sein werde.
Ungeduldig bereits geworden, erwarteten diese guten Leute das schreckliche Gericht; aber die Jahre folgten eines nach dem anderen, ohne daß die Strafe Gottes zur Äußerung gekommen wäre.
Der Kasak wurde von Jahr zu Jahr reicher und reicher, hochmütiger, anmaßender, ja bösartiger, und es gab keine Anzeichen noch Hoffnung, daß seinem Übermut, seiner Rohheit ein Damm gesetzt werden würde.
Das beunruhigte nicht nur die nächsten Nachbaren Dukač’s, sondern auch die Gemeinde und die ganze Umgebung, und regte dieselbe auf, um so mehr, als man nicht sagen konnte, daß die Sünden des Vaters sich an den Kindern desselben rächen würden, denn Dukač war – kinderlos.
Aber unerwartet zog sich die Dukačin von den Leuten zurück – sie zeigte sich wenig, wurde schüchtern und zurückhaltend – hörte auf sogar vor’s Haus zu gehen oder Besuche zu machen; – in nicht gar zu langer Zeit verbreitete sich das Gerücht und wurde weitergetragen, die Dukačin befände sich in jenem Zustande, den man bei den Frauen den interessanten zu nennen pflege.
Die guten Leute und Nachbaren erschraken geradezu über diese fast unglaublich scheinende Neuigkeit; die Zungen lösten sich jedoch bald, die durch fruchtlose Erwartung bereits ermüdete öffentliche Meinung fing an sich auf ein großes Ereignis vorzubereiten.
„Was wird das für ein Kind werden? – was wird das für ein Teufelskind sein? … Es wäre besser, es ginge im Mutterleibe zu Grunde, ehe es das Licht der Welt erblickt!“
Solche und ähnliche Wünsche hegte die Gemeinde und Umgebung. Alle erwarteten mit Ungeduld die Zeit der Geburt, bis auch diese eintrat. In einer bitterböskalten Dezembernacht gebar unter dem Dache des großen Bauerhauses unter großen Schmerzen die Dukačin ein kleines Kindlein!
Das neugeborene Weltenkind war ein Knabe, keine tierähnliche Mißgeburt, wie es die guten Leute erwarteten und wünschten, sondern ein ganz reinliches Kindlein mit weißer weicher Haut, schwarzen Haaren und schönen, großen, blauen Augen.
Als die Hebamme Kerasivna diese Neuigkeit den vor dem Hause angesammelten Leuten mitteilte und eidlich bestätigte, der Neugeborene besäße weder Hörner am Kopfe noch einen Pferdefuß oder gar ein Schwänzchen, da fehlte es nicht viel und sie wäre durchgeprügelt worden; angespuckt hat man sie doch.
Und trotz alledem blieb der Knabe was er war, ein schönes Kind, und dabei außergewöhnlich ruhig: er atmete ganz leise, so daß es kaum bemerkbar war, als schämte er sich zu schreien.
Drittes Kapitel
Als Gott dieses Knäblein dem Dukač schenkte, stand derselbe bereits nahe den Fünfzigen.
Bejahrten Leuten, namentlich solchen, welche über einen gewissen Wohlstand oder Reichtum verfügen, bereitet die Geburt eines Nachfolgers eine ganz besondere Freude.
Selbst Dukač freute sich sehr der Geburt seines Sohnes, aber seine Freude äußerte sich, wie es ja bei seinem rauhen Charakter nicht anders sein konnte, in eigener Art.
Vor allen anderen ließ er den bei ihm lebenden vermögenslosen Verwandten Agap zu sich rufen und teilte ihm mit, daß er von nun an sich keine Hoffnung machen dürfe, ihn – den Dukač – beerben zu können, um so mehr, als ihm Gott einen wirklichen Erben geschenkt habe; dann befahl er ihm so rasch wie möglich seinen Sonntagsstaat anzuziehen, die neue Mütze aufzusetzen und so, wie es Tag wird, den hier zu Besuch weilenden jungen Gerichtsbeamten und die Frau des Popen aufzusuchen und sie als Taufpaten für das neugeborene Kind einzuladen.
Agap war nicht mehr jung, nahezu an vierzig, furchtsam, er sah mehr einem Huhn mit beschädigtem Kopfe ähnlich, was davon herrührte, daß ihm ein großer Flecken Haare am Kopfe fehlte, wodurch eine lächerliche Kahlheit entstand; ein Zeichen von Dukačs starker Hand.
Agap