Fürst Artur

Werner von Siemens


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Bürgerrecht, wurde 1652 Achtsmann, 1660 Stadthauptmann und ist am 28. Mai 1678 im 71. Lebensjahr, nachdem er mit seiner bei der Belagerung Magdeburgs gewonnenen Ehefrau 47 Jahre im glücklichsten Ehestand gelebt hatte, gestorben. Seine Witwe überlebte ihn noch lange. Sie starb erst im Jahre 1696 im 85. Jahr ihres Lebens, nachdem sie von 11 Kindern Mutter, von 31 Enkeln Großmutter, von 30 Urenkeln Urgroßmutter geworden war.«

      Die älteste Tochter dieser Anna Maria Crevet-Volkmar, namens Anna, die am 1. August 1636 geboren wurde, heiratete einen Hans Siemens, Stadthauptmann und Achtsmann zu Goslar. Sie brachte in das Geschlecht der Siemens eine Eigentümlichkeit hinein, die es bis heute bewahrt hat, nämlich den Kinderreichtum. Kommen doch in einzelnen Fällen 13, 14 und 15 Kinder eines Ehepaars vor. Das Geschlecht ist noch heute sehr ausgebreitet. An einem Familientag waren nicht weniger als 63 Vertreter des Geschlechts versammelt. Augenblicklich zählt die Familie 38 Mitglieder.

      Vom Anfang des achtzehnten Jahrhunderts ab bis auf den Vater der vier berühmten Brüder sind die Ahnen der Siemens meist Landwirte gewesen. Aber das Interesse für mechanisch-technische Dinge und die Erfinderbegabung treten doch mit jenen nicht zum erstenmal in diesem Geschlecht auf.

      Schon ein Großonkel der Brüder beschäftigte sich in seinen Mußestunden viel mit optischen Instrumenten und fertigte gern Mikroskope und Fernrohre als Geschenke für seine Verwandten an. Der Onkel Ernst Franz Siemens, der 1780 in Lutter am Barenberg geboren wurde, hat das Sieden und Zerkleinern der Kartoffel bei hoher Temperatur und die Anwendung des Wasserdampfs zur Destillation in die Brennerei eingeführt. Sein Sohn Karl Georg errichtete in Braunschweig die erste große Zuckerfabrik mit Dampfeinrichtung und war Professor der technischen Werkstatt an der Hochschule zu Hohenheim. Ein anderer Sohn, Adolf Siemens, der Offizier bei der Hannoverschen Artillerie war, erfand eine Verbesserung der Schrapnelleinrichtung und einen elektrischen Apparat zum Entfernungsmessen für Geschütze. So ist es also nicht etwas Neues, sondern nur eine freilich rasche und großartige Weiterentwicklung, wenn Werner Siemens den Ruhm des Familiennamens über die ganze Erde trug.

      Er wurde am 13. Dezember 1816 als der Sohn des Landwirts Christian Ferdinand Siemens und seiner Gattin Eleonore, der Tochter des Amtsrats Deichmann in Poggenhagen, zu Lenthe bei Hannover geboren. Die Eltern hatten 14 Kinder, nämlich 11 Söhne und 3 Töchter. Das älteste Kind war Ludwig, von dem wir nichts näheres wissen, da er verschollen und ohne Kinder gestorben ist. Mathilde, die geliebte Schwester von Werner, war das zweite Kind. Dann folgte ein Sohn Werner, der kurz nach der Geburt gestorben ist. Unser großer Ernst Werner Siemens war das vierte Kind seiner Eltern, Wilhelm das achte, Friedrich das neunte und Karl das zehnte.

      Das Obergut Lenthe, auf dem die Eltern lebten, liegt an einem bewaldeten Bergrücken, der vom Deistergebirge abfällt. Es gehörte zu der damaligen Königlich Großbritannischen Provinz Hannover, deren staatliche Organisation noch fast mittelalterlich war. Der Vater wagte es einstmals, ein Rudel der Hirsche einzusperren, die in großer Zahl die Saaten auf schlimmste Weise verwüsteten, aber von niemand angegriffen werden durften. Sofort wurde vom Oberhofjägeramt in Hannover eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet, und der Vater hatte es nur einem Glückszufall zu verdanken, daß er mit einer schweren Geldstrafe davonkam. Dieses Erlebnis gab ihm Anlaß, ein Land mit freieren Zuständen aufzusuchen, und er pachtete die Domäne Menzendorf im Fürstentum Ratzeburg, das zu – Mecklenburg gehörte. Dort hat Werner glückliche Jugendjahre verlebt. Die ökonomischen Verhältnisse im Elternhaus waren freilich recht trübselig; die Domäne warf nur einen geringen Gewinn ab, viel zu wenig, um eine so zahlreiche Familie zu ernähren.

      Bis zu seinem elften Lebensjahr unterrichtete Großmutter Deichmann – geborene von Scheiter, wie sie nie ihrer Unterschrift beizufügen vergaß – ihren Enkelsohn, und auch der Vater erteilte einige Unterrichtsstunden. Dann wurde die einfache Bürgerschule des eine Stunde weit entfernten Städtchens Schöneberg bezogen. Die wissenschaftlichen Resultate dort waren, wie Werner Siemens selbst feststellt, recht mäßig.

      Im Jahre 1828 berief der Vater für seine Kinder einen Hauslehrer, den Kandidaten der Theologie Sponholz, der Ausgezeichnetes geleistet haben muß, da Werner seiner noch in hohem Alter mit lebhafter Dankbarkeit gedachte. Leider machte Sponholz nach einigen Jahren seinem Leben durch Selbstmord ein Ende, und nun kam ein trockener Pedant als Lehrer ins Haus, der vieles verdarb, was die Kinder vorher schon in sich aufgenommen hatten.

      Als auch dieser Mann im Siemensschen Haus gestorben war, wurde Werner endlich einem systematischen Unterricht zugeführt, indem man ihn auf die Katharinenschule, ein Gymnasium zu Lübeck, sandte. Bei der Prüfung erwies er sich als reif für die Aufnahme in Obertertia. Es hat ihm viel Verdruß bereitet, daß auf diesem Gymnasium ein fast ausschließlicher Wert auf das Erlernen der alten Sprachen gelegt wurde. Für diese hatte er gar kein Interesse, da es bei den grammatischen Regeln »nichts zu denken und nichts zu erkennen gab«. Fast gar nicht gepflegt wurde die Mathematik, für die der junge Werner eine starke Begeisterung fühlte, und in der er auch schon viel wußte, obgleich seine beiden Hauslehrer gar nichts davon verstanden hatten. Nur aus einem inneren Drang heraus hatte er sich so lebhaft mit dieser Wissenschaft beschäftigt, daß er auf dem Gymnasium in dieser Disziplin sogleich eine höhere Klasse besuchen durfte. Schon in der Sekunda ließ er das Studium des Griechischen vollständig fallen und nahm statt dessen Privatstunden in Mathematik und Feldmessen, um sich für das Baufach vorzubereiten, das einzige technische Fach, das es damals gab.

      Sein glühender Wunsch war, an der Bauakademie in Berlin studieren zu dürfen. Aber die sehr geringen Mittel des Vaters erlaubten ihm das nicht. Sein Lehrer im Feldmessen, der Leutnant im Lübecker Kontingent Freiherr von Bülzinglöwen, der früher bei der preußischen Artillerie gedient hatte, empfahl ihm, beim preußischen Ingenieurkorps einzutreten, wo er mit Aufwendung geringer Summen dasselbe lernen könnte wie auf der Bauakademie. Das schien Werner hoffnungsreich zu sein, und um Ostern 1834, in seinem siebzehnten Lebensjahr, nahm er Abschied vom Elternhaus, um nach der preußischen Hauptstadt überzusiedeln.

      Wir wissen nicht, mit welchen Gefühlen die Eltern, damals wohl schon kränklich und von schweren Sorgen niedergedrückt, ihren Sohn haben fortziehen lassen. Sie mögen ihn als einen Jüngling betrachtet haben, der mit etwas exzentrischen Ideen aus der Art schlug, da er durchaus nicht in dem hergebrachten Kreis der Landwirte bleiben wollte. Niemand konnte gewiß ahnen, daß die als Kuriosität betrachtete Vorliebe für die Mathematik so hohe Bedeutung für das ganze Geschlecht gewinnen sollte.

      Die Anfänge

      Wir Heutigen haben Mühe, uns die Zeitumstände vorzustellen, unter denen der junge Werner nach Berlin ging. Ging im wahren Sinn des Worts, denn er mußte über die Chaussee wandern, da es eine regelmäßige Verbindung von Mecklenburg nach Berlin nicht gab, und er auch gar nicht imstande gewesen wäre, die Fahrkosten aufzubringen.

      Für die Mecklenburger zog er ins Ausland, in das fremde, immer mit einem gewissen Schrecken betrachtete preußische Gebiet hinein. Die Bauern von Menzendorf, die den Knaben liebgewonnen hatten, sandten sogar eine Abordnung an den Vater, um ihn zu bitten, »so einen gauden Jungen« doch nicht nach Preußen gehen zu lassen, wo er notwendigerweise verhungern müsse. Sie dachten, daß das ganze Land aus demselben unfruchtbaren Sand bestünde wie der preußisch-mecklenburgische Grenzrand. Irgendein deutsches Zusammengehörigkeitsgefühl war noch nicht vorhanden; nur der Vater ahnte schon mit ziemlicher Klarheit, daß der Staat Friedrichs des Großen Deutschland einstmals zur Größe emporführen würde.

      So trug also der künftige Offiziersaspirant sein gewiß nicht allzu schweres Ränzel über die staubige Landstraße einer Zukunft entgegen, deren Größe ihm durch keine Fata Morgana angezeigt wurde. Der erste Mensch, der sich ihm auf dem neuen Lebensweg beigesellte, war ein junger Knopfmacher. Der zog auch nach Berlin, und mit ihm nahm Werner Siemens in der Knopfmacherherberge sein erstes Quartier.

      Das sollte ihm bald sehr übelgenommen werden. Er hatte eine Empfehlung an einen entfernten Verwandten, den Leutnant von Huet bei der reitenden Gardeartillerie, bei sich; diesen suchte er auf und versetzte ihn in größten Schrecken durch die Mitteilung, daß er in der standesunwürdigen Knopfmacherherberge übernachtet habe. Der Leutnant ließ sofort das Ränzel abholen, den jungen Mann in einem besseren Hotel in der Neuen Friedrichstraße unterbringen und sandte ihn zum General von Rauch, den damaligen