Johann Wolfgang von Goethe

Reineke Fuchs


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geschehen!

        Denn solange sie lebt, verwindet sie schwerlich die Schande.

        Alles hab ich Euch jetzt gebeichtet, dessen ich irgend

        Mich zu erinnern vermag, was meine Seele beschweret.

        Sprechet mich los! ich bitte darum; ich werde mit Demut

        Jede Buße vollbringen, die schwerste, die Ihr mir auflegt.

        Grimbart wußte sich schon in solchen Fällen zu nehmen,

        Brach ein Reischen am Wege, dann sprach er: Oheim, nun schlagt Euch

        Dreimal über den Rücken mit diesem Reischen und legt es,

        Wie ichs Euch zeige, zur Erde und springet dreimal darüber;

        Dann mit Sanftmut küsset das Reis und zeigt Euch gehorsam.

        Solche Buße leg ich Euch auf und spreche von allen

        Sünden und allen Strafen Euch los und ledig, vergeb Euch

        Alles im Namen des Herrn, soviel Ihr immer begangen.

        Und als Reineke nun die Buße willig vollendet,

        Sagte Grimbart: Lasset an guten Werken, mein Oheim,

        Eure Besserung spüren und leset Psalmen, besuchet

        Fleißig die Kirchen und fastet an rechten gebotenen Tagen;

        Wer Euch fraget, dem weiset den Weg, und gebet den Armen

        Gern, und schwöret mir zu, das böse Leben zu lassen,

        Alles Rauben und Stehlen, Verrat und böse Verführung,

        Und so ist es gewiß, daß Ihr zu Gnaden gelanget.

        Reineke sprach: So will ich es tun, so sei es geschworen!

        Und so war die Beichte vollendet. Da gingen sie weiter

        Nach des Königes Hof. Der fromme Grimbart und jener

        Kamen durch schwärzliche fette Gebreite; sie sahen ein Kloster

        Rechter Hand des Weges. Es dienten geistliche Frauen,

        Spat und früh, dem Herren daselbst und nährten im Hofe

        Viele Hühner und Hähne, mit manchem schönen Kapaune,

        Welche nach Futter zuweilen sich außer der Mauer zerstreuten.

        Reineke pflegte sie oft zu besuchen. Da sagt' er zu Grimbart:

        Unser kürzester Weg geht an der Mauer vorüber;

        Aber er meinte die Hühner, wie sie im Freien spazierten.

        Seinen Beichtiger führt' er dahin, sie nahten den Hühnern;

        Da verdrehte der Schalk die gierigen Augen im Kopfe.

        Ja, vor allen gefiel ihm ein Hahn, der jung und gemästet

        Hinter den andern spazierte, den faßt' er treulich ins Auge,

        Hastig sprang er hinter ihm drein; es stoben die Federn.

        Aber Grimbart, entrüstet, verwies ihm den schändlichen Rückfall.

        Handelt Ihr so? unseliger Oheim, und wollt Ihr schon wieder

        Um ein Huhn in Sünde geraten, nachdem Ihr gebeichtet?

        Schöne Reue heiß ich mir das! Und Reineke sagte:

        Hab ich es doch in Gedanken getan! O teuerster Oheim,

        Bittet zu Gott, er möge die Sünde mir gnädig vergeben.

        Nimmer tu ich es wieder und laß es gerne. Sie kamen

        Um das Kloster herum in ihre Straße, sie mußten

        Über ein schmales Brückchen hinüber, und Reineke blickte

        Wieder nach den Hühnern zurück; er zwang sich vergebens.

        Hätte jemand das Haupt ihm abgeschlagen, es wäre

        Nach den Hühnern geflogen; so heftig war die Begierde.

        Grimbart sah es und rief. Wo laßt Ihr, Neffe, die Augen

        Wieder spazieren? Fürwahr, Ihr seid ein häßlicher Vielfraß!

        Reineke sagte darauf: Das macht Ihr übel, Herr Oheim!

        Übereilet Euch nicht und stört nicht meine Gebete;

        Laßt ein Paternoster mich sprechen. Die Seelen der Hühner

        Und der Gänse bedürfen es wohl, soviel ich den Nonnen,

        Diesen heiligen Frauen, durch meine Klugheit entrissen.

        Grimbart schwieg, und Reineke Fuchs verwandte das Haupt nicht

        Von den Hühnern, solang er sie sah. Doch endlich gelangten

        Sie zur rechten Straße zurück und nahten dem Hofe.

        Und als Reineke nun die Burg des Königs erblickte,

        Ward er innig betrübt; denn heftig war er beschuldigt.

      Vierter Gesang

        Als man bei Hofe vernahm, es komme Reineke wirklich,

        Drängte sich jeder heraus, ihn zu sehn, die Großen und Kleinen,

        Wenige freundlich gesinnt, fast alle hatten zu klagen.

        Aber Reineken deuchte, das sei von keiner Bedeutung;

        Wenigstens stellt' er sich so, da er mit Grimbart, dem Dachse,

        Jetzo dreist und zierlich die hohe Straße daherging.

        Mutig kam er heran und gelassen, als wär er des Königs

        Eigener Sohn und frei und ledig von allen Gebrechen.

        Ja, so trat er vor Nobel, den König, und stand im Palaste

        Mitten unter den Herren; er wußte sich ruhig zu stellen.

        Edler König, gnädiger Herr! begann er zu sprechen:

        Edel seid Ihr und groß, von Ehren und Würden der Erste;

        Darum bitt ich von Euch, mich heute rechtlich zu hören.

        Keinen treueren Diener hat Eure fürstliche Gnade

        Je gefunden als mich, das darf ich kühnlich behaupten.

        Viele weiß ich am Hofe, die mich darüber verfolgen.

        Eure Freundschaft würd ich verlieren, woferne die Lügen

        Meiner Feinde, wie sie es wünschen, Euch glaublich erschienen;

        Aber glücklicherweise bedenkt Ihr jeglichen Vortrag,

        Hört den Beklagten so gut als den Kläger; und haben sie vieles

        Mir im Rücken gelogen, so bleib ich ruhig und denke:

        Meine Treue kennt Ihr genug, sie bringt mir Verfolgung.

        Schweiget! versetzte der König: es hilft kein Schwätzen und Schmeicheln,

        Euer Frevel ist laut, und Euch erwartet die Strafe.

        Habt Ihr den Frieden gehalten, den ich den Tieren geboten?

        Den ich geschworen? Da steht der Hahn! Ihr habt ihm die Kinder,

        Falscher, leidiger Dieb! eins nach dem andern entrissen.

        Und wie lieb Ihr mich habt, das wollt Ihr, glaub ich, beweisen,

        Wenn Ihr mein Ansehn schmäht und meine Diener beschädigt.

        Seine Gesundheit verlor der arme Hinze! Wie langsam

        Wird der verwundete