wankend zu machen, ja wie die Sultanin in Erfahrung gebracht, daß sie Teufelskünste bereiteten, um die hohe Erscheinung verspottend nachzuahmen. So fleht denn alle, setzte sie hinzu, daß der Herrscherin Geist von Oben erleuchtet werde, daß sie stark und weise genug sei, des Gegners Bosheit zu vereiteln.
Sie kniete oben, unten sank die Menge nieder. Ein langes stummes inbrünstiges Gebet, bald von einzelnen Seufzern unterbrochen, dann ein gemeinsamer lauter Chorus, der aus tiefen Herzen die Bitte tönen ließ.
Plötzlich vernahm man einige liebliche Akkorde, die aus den himmlischen Gefilden herabzusteigen schienen. Alles ward still, kein Athem mehr hörbar, denn jedes Ohr wollte die wundersüßen fremden Wohllaute trinken. Die Blicke staunten empor in die Region des Liedes, wußten aber nicht, wie es ins Leben gerufen wurde. Doch ein Pünktlein ward bald darauf in der Höhe sichtbar. Ein Gestirn im reinen Blau des Morgenschimmers, wenn schon die Sonne hoch über dem Horizonte prangt – dies hatte noch keines Darkullaners Auge gesehn. Doch der Punkt ward heller, größer, schien sich herzuneigen aus den stillen Lüften. Die andächtigste Erwartung, frommes wollüstiges Beben in jeder glühenden Brust. Doch bald kein Punkt, kein Stern, kein Mond mehr. Ein glänzender schöner Knabe, vom Schimmer der Verklärung umflossen, getragen durch ein leichtes Goldgefieder, eine Harfe in der Hand. Daher tönten also die entzückenden Melodien. Auf den Rücken warf sich alles, die Hände zur Anbetung emporgestreckt. Keinen Augenblick wollte man im Anschauen des himmlischen Boten versäumen.
Endlich senkt sich die Engelsgestalt auf die Zinne des Pallastes nieder, wo Flore kniete. Sie berührt den Boden nicht, umschwebt nur der Sultanin Haupt, und scheint ihr himmlische Kunde zu vertrauen. Bald darauf erhebt sie sich wieder, unter der alten Göttermusik, verkleinert sich, und dann bleibt nichts mehr den Sinnen wahrzunehmen, als ein süßer Duft, der, seitdem die Gestalt näher kam, die Athemzüge mit balsamischem magischen Hauche labte.
Der Leser weiß, wie die ästhetischen Gaukler verfuhren. Ein Aufrollen des Fadens, und das Abrollen nachher, bewirkten das ganze Wunder, nachdem die ärostatische Figur einmal in die Höhe gelassen war. Eine Aeolsharfe, die die Gestalt trug, und einige andre auf der Zinne angebracht, sangen mit Zephirs Beistand die wonnigen Harmonien, und eine, aus den erwähltesten Blumen gezogene Essenz wurde reichlich verschwendet, um mehr als einen Sinn zu bezaubern.
In der folgenden Nacht mußte aber der Engel herunter, und ward sehr sorgsam versteckt, denn ein besonders scharfes Auge, das immer auf die Zinne geblickt hätte, könnte doch wohl den Faden entdeckt haben. Und scharfsinnig sind die Neger, wobei man das Wort nicht in dem Verstande zu nehmen braucht, welchen ihm eine verschobene Sprachmanier unter uns gab.
Achtes Kapitel.
Tatas großer Plan scheitert
Wir schweigen davon, was Flore nun den Kriegern in der Stadt war, und wie es ein Spiel wurde, sie überall nach ihrem Willen zu lenken.
In Tatas Lager hatte man übrigens auch die Lichterscheinung wahrgenommen, und sie dem Heerführer angezeigt. Dieser tritt aus seinem Zelte, und erblickt im Luftraum den ungewöhnlichen strahlenden Gegenstand. Begreifen konnte er nicht, was er sah, doch ermangelte ihm die Fassung nicht, den Schluß zu ziehn: Wer einmal Blendwerkskünste treibt, ist geneigt, öfter dazu seine Zuflucht zu nehmen, und was man bei ihm Nicht Erklärbares findet, berechtigt immer, auf neuen Trug der Art zu schließen. Sogleich ließ er den Befehl rund um die Linie ergehn: es sollte sich alles platt aufs Gesicht niederwerfen, und nicht wieder erheben, bis die Trommel ein gewisses Zeichen gäbe. Klüglich wollte er hierdurch ausweichen, daß seine Leute der Anblick irre machte.
Sein Ueberläufer konnte keine Auskunft geben; nur die Bereitung des Pulvers, nicht das chemische Laboratorium hatte er gesehn. Doch wurde gleich beschlossen, er sollte in die Stadt zurückschleichen, um auch die unbegreifliche Kunst abzusehn, woran er freilich nicht gern wollte.
Doch war auch für die folgende Nacht etwas Anderes vorbereitet, und Tata hoffte um so mehr davon, als es seit einigen Wochen seine ganze Anstrengung aufgeboten hatte. Die Höhlung im Walle war fertig, und schon mit Pulver geladen.
Nun brachte man den mit Feuerwerksmaterien behangenen und entzündeten Esel aus dem Verschlage. Unter dem Ruf: Mahomed ist der wahre Prophet, aber auch der Väter Götter thronen im Himmel! ward er gegen den Wall geschafft. Auf ein vom Feldherrn gegebenes Zeichen ward die Mine angebrannt, und ein Stück Wall flog krachend zur Höhe, deckte auch, wie man erwartet hatte mit der niedersinkenden Erde einen Theil des Grabens. Noch etwas Strauchwerk zur Aushöhung, und der Esel konnte hinüber, und hielt einen Einzug, dem des Rosses von Ilion ähnlich, wenn schon mit minderem Glück. Zugleich mußte ein dicker Haufe mit vordringen, um den Sturm auf die Stadt zu bestehn, während der Esel schon psychologisch alles überwunden hätte. So hohe Aussichten eröffnete sich die Erwartung von dem Thierlein, das freilich oft mehr gilt, wie man glauben sollte. Darf man Kleines mit Großem vergleichen, so ist hier die Anekdote in Erinnerung zu bringen, wie einst ein berühmter deutscher General sagte: Meine Regimentsmusikanten taugten nicht, ich ließ sie aber fleißig auf einem Esel reiten, und nun blasen sie vortrefflich. Ein anwesender witziger Prinz bemerkte: Was doch ein Esel vermag!
Gleichwohl ging es dem Esel Tatas, wie seinen Kriegern überaus schlimm. Diese fanden im Vordringen einen neuen Graben. Neger durchschwimmen den wohl bald, aber ein neuer Wall mit spitzen Pfählen ausgesteckt, täuschte die Hoffnung, weiter zu kommen, grausam. Der Raum füllte sich um so schneller, als laut dem entworfenen Plan, die Krieger hinten dichte aufrückten. Da nun der Raum angefüllt war, gab Alonzo das Zeichen, seine Mine zu sprengen, und es flogen Esel und Mannschaft in die Luft, wogegen die Belagerten, die zeitig den neuen Wall mieden, nicht einen Krieger verloren.
Der Morgen enthüllte einen Anblick voll Grausen. Mehr als Tausend von Tatas Leuten waren dahin, zerrissenes Gebein überall herumverstreut. Der Abschnitt spottete eines abermaligen Angriffes.
Tata beweinte die Verlornen, doch sein Muth wuchs mit dem Widerstande. Der Ueberläufer sollte und mußte in die Stadt. Allein die Unfälle folgen sich gern. Er wurde ergriffen und gehängt, aber an einen Galgen von Mahagoniholz und einem parfumirten Strick. Man war auch so artig, auf einer mit einem Pfeil hinübergeschossenen Visitencharte das traurige Ableben zu melden.
Wohlan, rief Tata, seine Truppen anredend, an loser Kunst ist uns die rebellische Cafferin überlegen. Laßt uns aber sehn, ob sie auch Mittel finden wird, samt ihren treubrüchigen Soldaten, dem Hunger zu entgehn. Wir sind zahlreich genug, jeden Eingang zu bewachen. Auch kein Reiskorn darf in die Mauern der Stadt. Daß der Mangel bereits wüthet, ist mir bekannt. Laßt uns hier liegen, entweder die Noth reibt sie auf, oder sie müssen sich uns ergeben.
Neuntes Kapitel.
Vorkehrungen gegen den Mangel in der Stadt
Freilich sahen sowohl Flore, wie ihre Räthe, die ängstliche Lage ein, worin sie die Entbehrung aller Zufuhr brachte.
Die Niedergeschlagenheit wegen dieses traurigen Umstandes verminderte die Freude über die letzten Siege gar sehr.
Man hatte zwar schöne Gärten, die neben den trefflichsten anderen Obstarten, Brotbäume, Sagopalmen, Oelpalmen, Ananas und Pisangpflanzen trugen; auf den Teichen schwammen der Albatros, der Anhinga, der Papagoientaucher und Pelikan; aus ihren klaren Wogen fischte man den Zitteraal, den Paru, den Chätodon, Cephalus, den Cobitis, Polynemus, und andre leckre Wasserthiere, wie auch die Ufer dieser Teiche, so artig gestaltete, als fein nahrhafte Schildkröten, Muscheln und Schnecken lieferten; aber wie mäßig auch verfahren wurde, wie enthaltsam der Mensch im heissen Erdgürtel an sich ist, die Zahl derer, welche Anspruch auf die Lebensvorräthe machten, stand mit diesen in keinem Verhältnisse. Gärten und Teiche zeigten bereits merkliche Abnahme, und es wurde sogar beschlossen, die Menagerie des Pallastes anzugreifen, die ohnehin aus Futtermangel nicht mehr zu unterhalten war, aber freilich auch für einige Zeit noch aushelfen konnte, denn es fanden sich ganze Ställe voll Giraffen und Heerden von Straußen da.
Der treue Darkullaner aber sagte zur Sultanin: Wie ich zu dir kam, berichtete ich dir, daß ein Haufe von dir ergebenen Knechten sich im großen Dattelwalde gesammelt habe.
Alonzo fiel ein: daß ihnen ein Anführer mangele. Der hat sich gefunden.
O fuhr jener fort, dann sind sie auch wohl schon stark genug,