Beste nicht anders, als in einem sehr zweideutigen Lichte erscheinen. Wenn wir ihn auch den Verdruss, den uns der Dichter verursacht, nicht mit entgelten lassen, so sind wir doch nicht aufgeraeumt genug, ihm alle die Gerechtigkeit zu erweisen, die er verdienet.
Den Beschluss des ersten Abends machte "Der Triumph der vergangenen Zeit", ein Lustspiel in einem Aufzuge, nach dem Franzoesischen des Le Grand. Es ist eines von den drei kleinen Stuecken, welche Le Grand unter dem allgemeinen Titel "Der Triumph der Zeit" im Jahr 1724 auf die franzoesische Buehne brachte, nachdem er den Stoff desselben, bereits einige Jahre vorher, unter der Aufschrift "Die laecherlichen Verliebten", behandelt, aber wenig Beifall damit erhalten hatte. Der Einfall, der dabei zum Grunde liegt, ist drollig genug, und einige Situationen sind sehr laecherlich. Nur ist das Laecherliche von der Art, wie es sich mehr fuer eine satirische Erzaehlung, als auf die Buehne schickt. Der Sieg der Zeit ueber Schoenheit und Jugend macht eine traurige Idee; die Einbildung eines sechzigjaehrigen Gecks und einer ebenso alten Naerrin, dass die Zeit nur ueber ihre Reize keine Gewalt sollte gehabt haben, ist zwar laecherlich; aber diesen Geck und diese Naerrin selbst zu sehen, ist ekelhafter, als laecherlich.
Sechstes Stueck Den 19. Mai 1767
Noch habe ich der Anreden an die Zuschauer, vor und nach dem grossen Stuecke des ersten Abends, nicht gedacht. Sie schreiben sich von einem Dichter her, der es mehr als irgendein anderer versteht, tiefsinnigen Verstand mit Witz aufzuheitern, und nachdenklichem Ernste die gefaellige Miene des Scherzes zu geben. Womit koennte ich diese Blaetter besser auszieren, als wenn ich sie meinen Lesern ganz mitteile? Hier sind sie.
Sie beduerfen keines Kommentars. Ich wuensche nur, dass manches darin nicht in den Wind gesagt sei!
Sie wurden beide ungemein wohl, die erstere mit alle dem Anstande und der Wuerde, und die andere mit alle der Waerme und Feinheit und einschmeichelnden Verbindlichkeit gesprochen, die der besondere Inhalt einer jeden erfoderte.
Ihr Freunde, denen hier das mannigfache Spiel
Des Menschen in der Kunst der Nachahmung gefiel:
Ihr, die ihr gerne weint, ihr weichen, bessern Seelen,
Wie schoen, wie edel ist die Lust, sich so zu quaelen;
Wenn bald die suesse Traen', indem das Herz erweicht,
In Zaertlichkeit zerschmilzt, still von den Wangen schleicht,
Bald die bestuermte Seel', in jeder Nerv' erschuettert,
Im Leiden Wollust fuehlt und mit Vergnuegen zittert!
O sagt, ist diese Kunst, die so eur Herz zerschmelzt,
Der Leidenschaften Strom so durch eur Inners waelzt,
Vergnuegend, wenn sie ruehrt, entzueckend, wenn sie schrecket,
Zu Mitleid, Menschenlieb' und Edelmut erwecket,
Die Sittenbilderin, die jede Tugend lehrt,
Ist die nicht eurer Gunst und eurer Pflege wert?
Die Fuersicht sendet sie mitleidig auf die Erde,
Zum Besten des Barbars, damit er menschlich werde;
Weiht sie, die Lehrerin der Koenige zu sein,
Mit Wuerde, mit Genie, mit Feur vom Himmel ein;
Heisst sie, mit ihrer Macht, durch Traenen zu ergoetzen,
Das stumpfeste Gefuehl der Menschenliebe wetzen;
Durch suesse Herzensangst, und angenehmes Graun
Die Bosheit baendigen und an den Seelen baun;
Wohltaetig fuer den Staat, den Wuetenden, den Wilden
Zum Menschen, Buerger, Freund und Patrioten bilden.
Gesetze staerken zwar der Staaten Sicherheit
Als Ketten an der Hand der Ungerechtigkeit;
Doch deckt noch immer List den Boesen vor dem Richter,
Und Macht wird oft der Schutz erhabner Boesewichter.
Wer raecht die Unschuld dann? Weh dem gedrueckten Staat,
Der, statt der Tugend, nichts als ein Gesetzbuch hat!
Gesetze, nur ein Zaum der offenen Verbrechen,
Gesetze, die man lehrt des Hasses Urteil sprechen,
Wenn ihnen Eigennutz, Stolz und Parteilichkeit
Fuer eines Solons Geist den Geist der Drueckung leiht!
Da lernt Bestechung bald, um Strafen zu entgehen,
Das Schwert der Majestaet aus ihren Haenden drehen:
Da pflanzet Herrschbegier, sich freuend des Verfalls
Der Redlichkeit, den Fuss der Freiheit auf den Hals.
Laesst den, der sie vertritt, in Schimpf und Banden schmachten,
Und das blutschuld'ge Beil der Themis Unschuld schlachten!
Wenn der, den kein Gesetz straft oder strafen kann,
Der schlaue Boesewicht, der blutige Tyrann,
Wenn der die Unschuld drueckt, wer wagt es, sie zu decken?
Den sichert tiefe List, und diesen waffnet Schrecken.
Wer ist ihr Genius, der sich entgegenlegt?—
Wer? Sie, die itzt den Dolch, und itzt die Geissel traegt,
Die unerschrockne Kunst, die allen Missgestalten
Strafloser Torheit wagt den Spiegel vorzuhalten;
Die das Geweb' enthuellt, worin sich List verspinnt,
Und den Tyrannen sagt, dass sie Tyrannen sind;
Die, ohne Menschenfurcht, vor Thronen nicht erbloedet,
Und mit des Donners Stimm' ans Herz der Fuersten redet;
Gekroente Moerder schreckt, den Ehrgeiz nuechtern macht,
Den Heuchler zuechtiget und Toren klueger lacht;
Sie, die zum Unterricht die Toten laesst erscheinen,
Die grosse Kunst, mit der wir lachen, oder weinen.
Sie fand in Griechenland Schutz, Lieb' und Lehrbegier;
In Rom, in Gallien, in Albion, und—hier.
Ihr, Freunde, habt hier oft, wenn ihre Traenen flossen,
Mit edler Weichlichkeit die euren mit vergossen;
Habt redlich euren Schmerz mit ihrem Schmerz vereint
Und ihr aus voller Brust den Beifall zugeweint:
Wie sie gehasst, geliebt, gehoffet und gescheuet
Und eurer Menschlichkeit im Leiden euch erfreuet.
Lang hat sie sich umsonst nach Buehnen umgesehn:
In Hamburg fand sie Schutz: hier sei denn ihr Athen!
Hier, in dem Schoss der Ruh', im Schutze weiser Goenner,
Gemutiget durch Lob, vollendet durch den Kenner;
Hier reifet—ja ich wuensch', ich hoff', ich weissag' es!—
Ein zweiter Roscius, ein zweiter Sophokles,
Der Graeciens Kothurn Germanien erneute:
Und ein Teil dieses Ruhms, ihr Goenner,