Эрих Мария Ремарк

Жизнь взаймы / Der Himmel kennt keine Günstlinge


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erwiderte nichts. Er kannte andere Gefängnisse. »Fährst du jetzt immer mit Torriani?« fragte Hollmann.

      »Nein. Mal mit dem einen, mal mit dem anderen. Ich warte auf dich.«

      Es war nicht wahr. Clerfayt fuhr seit einem halben Jahr die Sportwagen-Rennen mit Torriani.

      »Hast du etwas im Rallye gemacht?« fragte er.

      »Nichts. Wir waren zu spät.«

      Clerfayt hob die Hand. »Lass uns etwas trinken. Und tu mir einen Gefallen: Lass uns über alles reden, nur nicht über Rennen und Automobile!«

      »Aber warum? Ist etwas passiert?«

      »Nichts. Ich bin müde. Möchte mich ausruhen. Das verstehst du doch.«

      »Natürlich«, sagte Hollmann. »Aber was ist los?«

      »Nichts«, erwiderte Clerfayt ungeduldig. »Ich bin nur abergläubisch[9], wie jeder andere. Mein Kontrakt läuft ab und ist noch nicht erneuert. Das ist alles.«

      »Clerfayt«, sagte Hollmann, »wer ist gestürzt?«

      »Ferrer.«

      »Tot?«

      »Noch nicht. Aber man hat ihm ein Bein amputiert. Komm jetzt und gib mir einen Schnaps.«

      Sie saßen in der Halle an einem kleinen Tisch neben dem Fenster. Clerfayt sah sich um. »Sind das alles Kranke?«

      »Nein. Auch Gesunde, die die Kranken besuchen.«

      »Natürlich! Und die mit den blassen Gesichtern sind die Kranken?«

      Hollmann lachte. »Das sind die Gesunden. Sie sind blaß, weil sie erst vor kurzem heraufgekommen sind. Die andern, die braun wie sind, sind die Kranken, die schon lange hier sind.«

      Ein Mädchen brachte ein Glas Orangensaft für Hollmann und eine kleine Karaffe Wodka für Clerfayt.

      »Wie lange willst du bleiben?« fragte Hollmann.

      »Ein paar Tage.«

      Hollmann holte eine flache Flasche aus der Brusttasche und goß einen Schluck in sein Glas.

      »Gin«, sagte er. »Hilft auch.«

      »Dürft ihr nicht trinken?« fragte Clerfayt.

      »Es ist nicht ganz verboten; aber so ist es einfacher.« Hollmann schob die Flasche zurück in die Tasche.

      Ein Schlitten hielt vor dem Eingang. Clerfayt sah, daß es derselbe war, dem er auf der Straße begegnet war. Der Mann mit der schwarzen Pelzkappe stieg aus.

      »Weißt du, wer das ist?« fragte Clerfayt.

      »Ein Russe. Er heißt Boris Wolkow. Hier weiß man bald alles über einander«, sagte Hollmann.

      Eine Gruppe schwarzgekleideter kleiner Leute drängte sich hinter ihnen vorbei. Sie unterhielten sich lebhaft auf spanisch. »Für ein kleines Dorf scheint ihr ziemlich international zu sein«, sagte Clerfayt. »Das sind wir. Der Tod ist immer noch nicht chauvinistisch.«

      »Dessen bin ich nicht mehr so ganz sicher.« Clerfayt blickte zur Tür. »Ist das da die Frau des Russen?« Hollmann sah sich um. »Nein.«

      Der Russe und die Frau kamen herein. »Sind die beiden auch krank?« fragte Clerfayt.

      »Ja.«

      Der Russe und die Frau blieben neben der Tür stehen.

      »Sie scheinen Streit zu haben«, sagte Clerfayt, nicht ohne Genugtuung[10].

      »So etwas passiert hier. Jeder wird nach einiger Zeit etwas verrückt. Gefangenenlager-Psychose.«

      Clerfayt sah Hollmann aufmerksam an. »Bei dir auch?«

      »Bei mir auch.«

      »Wohnen die beiden auch hier?«

      »Die Frau; der Mann wohnt außerhalb.«

      Clerfayt stand auf. »Ich fahre jetzt ins Hotel. Wo können wir zusammen zu Abend essen?«

      »Hier. Wir haben ein Esszimmer, in dem Gäste erlaubt sind.« »Gut. Wann?«

      »Um sieben. Ich muß um neun zu Bett. Wie in der Schule.«

      »Wie beim Militär«, sagte Clerfayt.

      Die Frau, die mit dem Russen hereingekommen war, kam zurück.

      »Dies ist Clerfayt, Lillian«, sagte Hollmann. »Ich habe Ihnen von ihm erzählt. Er ist überraschend gekommen.«

      Die Frau nickte. Sie schien Clerfayt nicht wieder zu erkennen.

      Sie nickte Clerfayt und Hollmann zu und ging zurück.

      »Und die Frau?«

      »Sie heißt Lillian Dunkerque, Belgierin mit einer russischen Mutter.

      Die Eltern sind tot.«

      »Warum ist sie so aufgeregt?«

      Hollmann hob die Schultern. Er wirkte plötzlich müde. »Ich habe dir schon gesagt, daß alle hier etwas verrückt werden. Besonders, wenn jemand gestorben ist.«

      »Ist jemand gestorben?«

      »Ja, eine Freundin von ihr. Gestern, hier im Sanatorium.

      Sie fangen hier an zu sterben, wenn es Frühling wird. Mehr als im Winter. Merkwürdig, was?«

      2

      Die oberen Stockwerke des Sanatoriums sahen nicht mehr aus wie ein Hotel; sie waren ein Krankenhaus. Lillian Dunkerque blieb vor dem Zimmer stehen, in dem Agnes Somerville gestorben war. Sie hörte Stimmen und Lärm und öffnete die Tür.

      Der Sarg war nicht mehr da. Die Fenster standen offen. Zwei Putzfrauen waren dabei.

      »Hat man sie schon abgeholt?« fragte sie.

      Eine der Putzfrauen antwortete »Sie ist im Zimmer Nummer sieben. Wir müssen hier saubermachen. Morgen früh kommt schon eine Neue.«

      »Danke.«

      Lillian schloß die Tür. Sie kannte Nummer sieben; es war ein kleines Zimmer neben dem Gepäckaufzug. Es war leicht, die Toten in der Nacht nach unten zu schaffen. [11]

      In Zimmer sieben brannte kein Licht. Es waren auch keine Kerzen mehr da. Der Sarg war geschlossen. Alles war vorbereitet zum Transport. Die Blumen lagen auf einem Tisch nebenan. Die Kränze¹ lagen daneben. Die Vorhänge waren nicht zugezogen, und die Fenster standen offen. Es war sehr kalt im Zimmer. Der Mond schien hinein.

      Lillian war gekommen, um die Tote noch einmal zu sehen. Es war zu spät. Man wird den Sarg diese Nacht heimlich hinunterbringen und ihn auf einem Schlitten zum Krematorium transportieren.

      Lillian blickte auf den Sarg. Wenn sie noch lebte! dachte sie plötzlich. Ich bin verrückt, dachte Lillian; was denke ich da?

      Sie ging zur Tür zurück; aber plötzlich blieb sie stehen und lauschte. Sie hörte ein Knistern sehr leise, aber deutlich. Ich höre Gespenster, dachte sie. Es war mein eigenes Kleid.

      Sie starrte wieder auf den Sarg. In diesem Kasten war nur noch das absolute Nichts.

      Sie machte hinter sich die Tür zu. Im Augenblick drehte sich die Klinke scharf in ihrer Hand. Die Tür öffnete sich. Vor Lillian stand ein überraschter Hausknecht [12]und starrte sie an. »Was ist los? Wo kommen Sie her?« Er blickte an ihr vorbei ins Zimmer. »Es war doch abgeschlossen! Wie sind Sie hereingekommen? Wo ist der Schlüssel?«

      »Es war nicht abgeschlossen.«

      »Dann muß jemand –« Der Hausknecht sah auf die Tür. »Da steckt er ja!« Er wischte sich über das Gesicht. »Wissen Sie, einen Moment dachte ich –«

      »Was?«

      Er deutet auf den Sarg. »Ich dachte, Sie wären die Tote.

      So was!« Er lachte. »Das nennt man einen Schreck in der Nachtstunde!

      Der