bildete. Auf der Wiese stand eine Unzahl von Menschen in dunkeln Kleidern und mit offenen Schirmen. Die meisten traten abwechslungsweise vor den Sarg neben dem Grab, um einige letzte Worte zu äußern, unterschiedliche Worte, doch stets von gleicher Bedeutung. Ich hatte echt genug! Ich wollte nicht mit anschauen, wie der Sarg in die Grube gehievt wurde, ich befürchtete, mein Herz würde zerreißen. Eben hatte ich mich umgedreht, als ich plötzlich nach wenigen Schritten auf eine Stimme aufmerksam wurde. Ich spitzte die Ohren, drehte mich um und ging wieder zurück.
«Bei solchen Tragödien, wie dieser, fragt man sich oft…» sprach eben der Schwarze Mann in falsch bewegtem Ton, «…und so haben wir von der Spurensicherung beschlossen…» hörte ich aufmerksam zu, um sicher zu sein, dass dies nicht bloß mein Eindruck war.
«Dies ist bestimmt die beste Art und Weise, das Gedenken eines Mannes zu ehren, der…»
Tatsächlich, das war er! Ich war mir sicher, dass es dieser Mistkerl war, der Steve erschossen hatte, und wie ich es mir von Anfang an gedacht hatte, war er ein Kollege!
Wie unverfroren, er trug sogar den gleichen stinkenden Mantel und den gleichen Hut, vielleicht trug er sogar die gleiche Pistole, mit der er ihn getötet hatte, mit sich herum.
Kapitel 9
Angriff auf den Schwarzen Mann
Ich brauchte nicht lange darüber nachzudenken, was zu tun wäre, im Nu schoss mir das Blut vor Wut in den Kopf. Angesichts meines Hundedaseins hatte ich keine große Wahl, ich hatte ja keine Stimme, um ihn anzuprangern und keine Hände, um ihn zu durchsuchen. Das einzige, wofür ich sorgen konnte, war der Versuch, dass ihm das gleiche Schicksal blühte wie Steve. So nahm ich Anlauf, mit den Pfoten, die auf dem Matsch nur schwer Halt fanden, und rannte so schnell ich konnte bis zum Sarg hin und sprang in einem Satz darüber. Fünfunddreißig Kilo Gewicht bei einer Geschwindigkeit von vierzig Stundenkilometern stürmten auf den Mörder los, der in die Grube stürzte, und als er mit den Schultern am Boden aufschlug, war ich bereits über ihm. Mit fletschenden Zähnen und grässlichem Knurren, was so viel bedeutete, wie: „Jetzt habe ich dich endlich, du verfluchter, nun hast du es mit mir zu tun…. aber dann, im Jenseits, wirst du es mit meinem Freund zu tun haben!“, schaute ich ihm direkt in die Augen.
Während sich die Anwesenden am Rand des Grabes mit bestürztem Raunen versammelten, um das Vorgehen genauer betrachten zu können, hatte ich ihn bereits am Hals gepackt. Doch entgegen meiner Erwartung, bissen meine Zähne nicht auf weiches Fleisch, sondern auf etwas hartes. Verwirrt hielt ich inne. Auf der Suche nach einer anderen Schwachstelle verlor ich etwas zu viel Zeit und ehe ich mich versah, krachte etwas sehr hartes - die Schaufel des Bestatters, wie ich vermute – auf meinen bedauerlichen Kopf und hätte mich beinahe umgebracht.
Mit gespreizten Pfoten sackte ich auf dem Boden zusammen, und als ich die Augen wieder öffnete hatte ich höllische Kopfschmerzen und stellte sofort fest, dass sie mich wie eine Wurst zusammengebunden und meiner Schnauze einen Maulkorb verpasst hatten. Der Mörder schaute mich höhnisch an, aber ich bemerkte dennoch, wie sehr er erschrocken war.
«Was wohl in ihn gefahren ist» meinte der Kommissar, während er sich verblüfft am Kinn kratzte.
«Zum Glück hattest du gestern diesen Zusammenstoß! Hättest du wegen des Schleudertraumas diesen Halskragen nicht getragen, dann wärst du jetzt…» fügte er hinzu.
„Aber welcher Zusammenstoß? Du bist also nicht nur ein Mörder, sondern auch ein verdammter Lügner! Du bist gegen eine Straßenlampe gekracht, als du abhauen wolltest, das bist du…von wegen Zusammenstoß!“ hätte ich schreien wollen, aber alles was ich machen konnte war leider nur, ihn mit einem möglichst finsteren Blick anzuknurren.
«Dies ändert nun aber die Sachlage. Ich kann ja verstehen, dass Leo wegen des Todes seines Herrchens bestürzt ist,» meinte der Schwarze Mann in einem vorgetäuschten, verständnisvollen Ton und mit lauter Stimme, damit auch die anderen ihn hören konnten, «aber er ist gefährlich geworden. Ich habe nichts gegen ihn» fügte er ernst hinzu «aber ihn freilassen wäre meiner Meinung nach zu riskant.»
«Mhhh…ja ich fürchte, du hast recht» stimmte ihm der Kommissar zu, «was schlägst du vor?»
Achselzuckend senkte der andere seinen Blick und betrachtete seine mit Dreck verschmutzten Schuhe, ohne ihm darauf zu antworten.
«Ja, leider hast du recht» antwortete der Kommissar, mit der stillschweigenden Antwort des anderen übereinstimmend. Dann beugte er sich zu mir und schenkte mir ein paar freundliche Streicheleinheiten.
«Glaub mir Leo, es tut mir leid…es tut mir ehrlich sehr leid! In kurzer Zeit verliere ich zwei meiner besten Ermittler» erklärte er traurig, und er erschien mir in diesem Moment tatsächlich zu tiefst betrübt.
Dann stand er auf und winkte einen Beamten heran, der sich stramm und aufmerksam vor ihn stellte.
«Zu Befehl, Herr Kommissar.»
«Bringt ihn zum Tierarzt» flüsterte er ihm ins Ohr. Als ich diese Worte hörte blieb ich wie versteinert.
«Entschuldigen Sie Herr Kommissar, habe ich richtig verstanden?» fragte der Beamte ungläubig.
Der Polizeichef nickte mit trauriger Mine. Der Mörder seinerseits trat mir mit dem Absatz absichtlich und ungesehen auf meinen Schwanz, nur um mich zu ärgern und guckte mich schief, mit angespanntem Lächeln an.
Kapitel 10
Beim Tierarzt
Vor Anstrengung schnaubend trugen mich zwei Beamte gefesselt und geknebelt, wie der Schlimmste aller Verbrecher, durch das Wartezimmer. Die anderen hier anwesenden Tiere schreckten zurück und warfen mir ängstliche, verlegene und bemitleidenswerte Blicke zu. Die beiden Beamten quasselten mit der Arztsekretärin und brachten mich dann in einen kleinen Behandlungsraum, wo sie mich auf eine Liege legten. Sie warteten an meiner Seite bis der Tierarzt kam, dabei schauten sie mich fortan traurig an und kraulten mich hinter dem Ohr.
«Was zum Teufel ist bloß plötzlich in dich gefahren?» tadelte mich der ältere der beiden mit mitfühlendem Blick und feuchten Augen.
«Unter allen Anwesenden der Zeremonie musstest du gerade den größten Mistkerl angreifen? Armer Leo, welch unehrenhaftes Ende!» fügte er bei, während er mich sanft am Rücken kraulte, den ich instinktiv beugte, sobald seine Hand den Schwanz berührte. Seufzend senkte er seinen Blick, er wollte mir nicht zu verstehen geben, dass er beinahe weinen musste.
«Auch mir tut es leid, aber der Schaden ist nun mal angerichtet. Wer weiß, vielleicht wird er im Jenseits wieder auf Steve treffen» versuchte der andere ihn zu trösten.
«Ja, vielleicht hast du ja recht…. Vielleicht ist es besser so.»
Ein großgewachsener Typ trat ein, mit schneeweißem Kittel und dünnem Schnurrbart. Seine Zähne standen leicht ab, sein Gesicht war unter den dichten, graumelierten und schnurgeraden Haaren nur schwer zu entziffern.
«Ihr könnt nun gehen, ich kümmere mich um ihn» sagte er trocken zu den Beamten.
«Herr Doktor, ich bitte Sie…» meinte der ältere Beamte.
«Seien sie unbesorgt, er wird nicht leiden.»
Die beiden schauten mich ein letztes Mal an, verabschiedeten sich dann vom Tierarzt und verließen den Raum. Der Doktor ging ein paar Mal um die Liege herum und musterte mich lange, die Faust unter seinem Kinn geballt und den Knöchel des Zeigefingers knabbernd.
«Es ist bedauerlich…ja, es ist wirklich eine Schande» dachte er laut.
„Verrichte deine Arbeit, aber schnell bitte“ dachte ich, aber er musterte mich fortan mit perplexem Blick. Er hob mein Bein hoch.
«Lass mal sehen, ob du die Tätowierung hast» sagte er leise, ja beinahe in vertraulichem Ton.
„Nein, keine Tätowierung, ich wollte ein Piercing, aber Steve hat es mir verboten! Mach schon du Idiot, gib mir diese verdammte Spritze! Mein Freund wartet auf mich“ dachte