Александр Дюма

La San Felice


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Tages der Jagd obzuliegen, ließ ich den Boten anhalten. Es ist deshalb bei dem ersten von Ihnen erheilten Befehle geblieben, nur mit dem Unterschied, daß ich, statt der neunten Stunde, die elfte als die bezeichnet habe, wo Sie aufbrechen würden. Eben schlägt es elf Uhr, die Cabinetsrathssitzung ist beendet, das Wild ist aufgescheucht und umzingelt und es hält Sie daher nichts ab, Sire, sich auf den Weg zu machen.«

      So wie die Königin sprach, ward das Gesicht des Königs immer strahlender.

      »Ach, meine liebe Schulmeisterin, « – man erinnert sich, daß dies der Name war, mit welchem Ferdinand seine Gemahlin in gutgelaunten Augenblicken anredete, – »ach, meine liebe Schulmeisterin, Sie sind würdig, nicht blos Acton als Premierminister, sondern auch den Herzog della Salandra als Oberjägermeister zu ersetzen. Sie haben sehr Recht. Der Cabinetsrath ist beendet. Sie haben Ihren Feldherrn zu Lande, Sie haben Ihren Feldherrn zur See, wir erhalten fünf oder sechs Millionen Ducati, auf die wir nicht gerechnet hatten. Alles, was Sie thun, wird wohlgethan sein und ich verlange von Ihnen weiter nichts, als daß Sie den Feldzug nicht eher beginnen, als bis der Kaiser dasselbe thut. So wahr ich lebe, ich fühle mich jetzt ganz kriegerisch gestimmt. Ich glaube, ich besitze Muth! Auf Wiedersehen, meine Herren! Auf Wiedersehen, Ruffo!«

      »Und Malta, Sire?« fragte der Cardinal.

      »Man mache mit Malta, was man wolle! Ich habe es dreiundsechzig Jahre entbehrt und kann es daher recht wohl auch ferner entbehren. Es ist ja weiter nichts als ein elender Felsen, der nur zweimal jährlich, wenn die Wachteln ziehen, zur Jagd taugt. Aus Mangel an Wasser kann man dort keine Fasanen halten, und es wächst dort keine Handvoll Gemüse, so daß man genöthigt ist, Alles von Sicilien zu beziehen. Die Engländer mögen Malta nehmen und mir die Jacobiner vom Halse schaffen, weiter verlange ich nichts. – Fünfzehn Wildschweine, Jupiter, Taho! Jupiter, Taho!«

      Und der König verließ das Zimmer, indem er eine vierte Fanfare pfiff.

      »Mylord,« sagt die Königin zu Nelson, »Sie können Ihrer Regierung schreiben, daß die Abtretung Maltas an England von Seiten des Königs beider Sicilien auf keine Schwierigkeit stoßen wird.«

      Dann wendete sie sich zu den Ministern und Räthen.

      »Meine Herren,« sagte sie, »der König dankt Ihnen für die guten Rathschläge, welche Sie ihm ertheilt haben. Die Sitzung ist geschlossen.«

      Nachdem sie sich dann gegen Alle grüßend verneigt und Ruffo einen ironischen Blick zugeworfen, kehrte sie, von Mack und Nelson gefolgt, in ihre Gemächer zurück.

      Dritter Theil

       Erstes Capitel.

      Die Häuslichkeit eines Gelehrten

      Es war neun Uhr Morgens.

      Die durch das während der Nacht stattgehabte Gewitter gereinigte Atmosphäre war wundervoll klar. Die Barken der Fischer durchfurchten schweigend den Golf zwischen dem doppelten Azur des Himmels und des Meeres.

      Von dem Fenster des Speisezimmers aus hätte der in demselben auf- und abgehende Chevalier die Häuser, welche in einer Entfernung von sieben Meilen den schwarzen Abhang von Ana Capri wie weiße Punkte marmorierten, sehen und zählen können, wenn seine Gedanken in diesem Augenblicke nicht durch etwas Anderes beschäftigt worden wären.

      Er dachte nämlich an jene von Buffon in seinen Epochen der Natur aufgestellte, dem Chevalier etwas gewagt erscheinende Hypothese, daß die Erde durch Zusammenstoß mit einem Kometen von der Sonne abgesprengt worden.

      Gleichzeitig aber empfand er auch eine unbestimmte Unruhe, welche ihm durch den lang andauernden Schlaf seiner Gattin verursacht ward.

      Es war seit seiner Vermählung heute das erste Mal, daß er beim Heraustreten aus seinem Cabinete gegen acht Uhr Morgens Luisa nicht mit Zubereitung der Taffe Kaffee, Brotes, der Butter, der Eier und der Früchte beschäftigt fand, welche das gewöhnliche Frühstück des Gelehrten ausmachten, ein Frühstück, welches dann sie, die es mit der doppelten Aufmerksamkeit einer ehrerbietigen Tochter und einer zärtlichen Gattin bereitet, mit jugendlichem Appetite zu theilen pflegte.

      Nach beendetem Frühstücke, das heißt gegen zehn Uhr Morgens, küßte der Chevalier mit der Regelmäßigkeit, die er in allen Dingen beobachtete, wenn ihn nicht irgend eine naturwissenschaftliche oder philosophische Frage ganz vorzugsweise beschäftigte, seine junge Gattin auf die Stirn und machte sich auf den Weg nach der Bibliothek des Prinzen, einen Weg, den er, wenn das Wetter nicht allzu schlecht war, sowohl um des Vergnügens und der Zerstreuung willen als in Folge des ärztlichen Rathes seines Freundes Cirillo, stets zu Fuße machte und der, da er sich von Mergellina bis zum königlichen Palaste erstreckte, ziemlich anderthalb Kilometer oder zwanzig Minuten betrug.

      In diesem Palaste wohnte der Kronprinz in der Regel sechs Monate des Jahres hindurch. Während der andern sechs Monate wohnte er in der sogenannten Favorite oder in Capodimonte. Für diese Zeit war dem Chevalier eine Equipage zur Verfügung gestellt.

      Wenn der Prinz in dem königlichen Palaste wohnte, so kam er unabänderlich gegen elf Uhr in seine Bibliothek herunter und fand hier seinen Bibliothekar gewöhnlich auf einer Leiter stehend, um ein seltenes oder neues Buch zu suchen.

      Sobald San Felice den Prinzen bemerkte, machte er eine Bewegung, um von der Leiter hinabzusteigen; der Prinz gab dies aber nicht zu. Es entspann sich dann eine fast stets literarische oder wissenschaftliche Conversation zwischen dem Gelehrten auf seiner Leiter und dem Schüler auf seinem Sessel.

      Zwischen zwölf und halb ein Uhr Mittags, kehrte der Prinz wieder in seine Gemächer zurück.

      San Felice stieg dann eiligst von der Leiter herunter, um den Prinzen bis an die Thür zu geleiten, zog die Uhr heraus und legte sie auf einen Schreibtisch, um die Stunde nicht zu vergessen, was ihm sonst bei einer fesselnden Arbeit sehr leicht hätte begegnen können.

      Zwanzig Minuten vor zwei Uhr legte der Chevalier seine Arbeit in ein Schubfach, welches er verschloß, steckte die Uhr wieder ein und nahm seinen Hut, welchen er in Folge jener Ehrerbietung, die zu jener Zeit alle wirklich royalistisch Gesinnten gegen Alles, was mit dem Königthume zusammenhing, an den Tag legten, bis zu der auf die Straße hinausführenden Thür in den Händen hielt.

      Zuweilen, wenn er gerade eine seiner Anwandlungen von Zerstreutheit hatte, legte er den ganzen Weg von dem Palaste bis zu seiner Wohnung, an deren Thür er allemal beinahe in demselben Augenblicke anpochte, wo es zwei Uhr schlug, mit bloßem Kopfe zurück.

      Entweder öffnete Luisa ihm selbst oder sie erwartete ihn auf der Rampe.

      Das Diner war stets bereit. Man setzte sich zu Tische und Luisa erzählte, was sie gemacht, was für Besuche sie empfangen und welche kleinen Ereignisse sich in der Nachbarschaft zugetragen hatten.

      Der Chevalier seinerseits erzählte, was er unterwegs gesehen, die Neuigkeiten, welche der Prinz ihm mitgetheilt, und die politischen Nachrichten, welche aber ihn sowohl als auch Luisa in nur höchst mittelmäßigem Grade interessierten.

      Nach der Mahlzeit setzte Luisa, je nach dem sie gelaunt war, sich an das Clavier oder nahm ihre Guitarre und sang ein heiteres Liedchen von Santa Lucia oder eine schwermüthige sicilianische Melodie.

      Zuweilen machten beide Gatten auch einen Spaziergang auf der malerischen Straße des Pausilippo, oder zu Wagen bis nach Bagnoli oder Pozzolo.

      Auf diesen Promenaden wußte San Felice stets irgend eine historische Anecdote zu erzählen, oder irgend eine interessante Bemerkung zu machen, denn seine umfassenden Kenntnisse gestatteten ihm, sich nie zu wiederholen und stets zu fesseln.

      Gegen Abend kehrte man nach Hause zurück. In der Regel fand sich dann ein Freund von San Felice oder eine Freundin von Luisa ein, um den Abend im Sommer unter dem Palmbaume, im Winter im Salon bei ihnen zuzubringen.

      Ein sich an diesen Abenden sehr häufig einfindender Gast war, wenn er nämlich nicht in Petersburg oder Wien weilte, Dominico Cimarosa, der Componist der »Horazier der »heimlichen Ehe«, der »Italienerin in London«, des »Directors in Verlegenheit«.

      Dieser berühmte Maestro machte es sich zum Vergnügen, Luisa die noch nicht aufgeführten Piecen seiner Opern singen zu lassen.

      Sie