damit ich König bleibe und damit Du folglich Königin bleibst, muß dieser Mann uns gehören, und damit dieser Mann uns gehöre, mußt Du ihm gehören.«
Emma hatte die Augen niedergeschlagen und ohne zu antworten die beiden Hände der Königin ergriffen und leidenschaftlich geküßt.
Wir wollen nun sagen, wie Marie Caroline eine solche Bitte aussprechen oder vielmehr der Lady Hamilton, der Gemahlin des Gesandten Englands, einen solchen Befehl ertheilen konnte.
Drittes Capitel.
Die Vergangenheit der Lady Hamilton
Bei der kurzen, ungenügenden Schilderung, die wir von Emma Lyonna zu entwerfen gesucht, haben wir gesagt: »die seltsame Vergangenheit dieser Frau.« und in der That war wohl auch selten das Lebensschicksal eines Menschen außerordentlicher als das ihrige. Nie war eine Vergangenheit gleichzeitig düsterer und blendender als die ihrige.
Sie kannte niemals genau das Alter oder den Ort ihrer Geburt. So weit ihre Erinnerung zurückreichte, sah sie sich als Kind von drei oder vier Jahren mit einem armseligen Leinwandröckchen bekleidet, mit nackten Füßen unter Nebel und dem Regen eines nördlichen Landes eine Gebirgsstraße wandernd und sich mit ihrer erstarrten kleinen Hand an die Kleider ihrer Mutter festhaltend, einer armen Bäuerin, von welcher sie, wenn sie zu müde war, oder es den Weg durchschneidende Bäche zu durchwaten gab, auf die Arme genommen ward.
Sie entsann sich auch, daß sie auf dieser Wanderung viel gehungert und gedürstet. Sie erinnerte sich auch ferner, daß, wenn sie durch eine Stadt kamen, ihre Mutter vor der Thür eines reichen Hauses oder vor dem Laden eines Bäckers stehen blieb; daß sie hier entweder um ein Stück Geld bettelte, welches man ihr oft verweigerte, oder um ein Stück Brod, welches man ihr fast allemal gab.
Abends machten Mutter und Tochter in irgend einem einsamen Gehöfte Halt und nahmen die Gastfreundschaft desselben in Anspruch, welche man ihnen entweder in der Scheune oder in dem Stalle gewährte.
Die Nächte, wo man den beiden armen Wanderinnen erlaubte, in einem Stalle zu schlafen, waren festliche Nächte.
Die Kleine erwärmte sich dann rasch durch den milden Hauch der Thiere und empfing am Morgen, ehe sie sich wieder auf den Weg machten, fast immer entweder von der Bäuerin oder von der Magd, welche die Kühe zu melken kam, ein Glas laue schäumende Milch, eine Delicatesse, für welche sie um so dankbarer war, als ihr dieselbe nicht oft geboten ward.
Endlich erreichten Mutter und Tochter die kleine Stadt Flint, das Ziel ihrer Wanderung. Hier waren Emmas Mutter und John Lyons, ihr Vater, geboren.
Dieser letztere hatte, um Arbeit zu suchen, die Grafschaft Flint verlassen, und hatte sich nach Chester begeben; die Arbeit war aber hier sehr schlecht bezahlt worden. Jung und arm war John Lyons gestorben und seine Witwe kehrte in ihre Heimat zurück, um zu sehen, ob dieselbe sie gastfrei oder stiefmütterlich empfangen würde.
Drei oder vier Jahre später hatte Emma, wie sie sich erinnerte, am Abhange eines grasigen, blumigen Hügels für eine Bäuerin in der Umgegend, bei welcher ihre Mutter als Magd diente, eine kleine Schafherde gehütet und vorzugsweise gern in der Nähe einer durchsichtigen Quelle geweilt, in welcher sie sich selbstgefällig betrachtete, nachdem sie sich mit den um sie herum wachsenden wilden Blumen geschmückt.
Zwei oder drei Jahre später und als sie eben nahe daran war, ihr zehntes Jahr zurückzulegen, ereignete sich ein Glücksfall in der Familie.
Ein Lord Halifax, welcher ohne Zweifel in einer seiner aristokratischen Anwandlungen Emmas Mutter noch schön gefunden, schickte ihr eine kleine Summe, wovon ein Theil für sie selbst und das Uebrige für die Erziehung ihres Kindes bestimmt war.
Emma erinnerte sich, daß sie nun in eine Pensionsschule für junge Mädchen gebracht ward, deren gleichförmige Bekleidung in einem Strohhut, einem himmelblauen Kleid und einer schwarzen Schürze bestand.
In dieser Pensionsschule blieb sie zwei Jahre, lernte hier lesen und schreiben und studierte die ersten Elemente der Musik und des Zeichnens, in welchen Künsten sie in Folge ihrer bewunderungswürdigen Naturanlagen rasche Fortschritte machte, als eines Morgens ihre Mutter kam, um sie wieder abzuholen.
Lord Halifax war gestorben und hatte vergessen, seine beiden Schützlinge in seinem Testament zu bedenken.
Emma konnte daher nicht mehr in der Pensionsschule bleiben, sondern mußte sich entschließen, als Kinderwärterin in die Dienste eines gewissen Thomas Hawarden zu treten, dessen Tochter als junge Witwe gestorben war und drei verwaiste Kinder hinterlassen hatte.
Eine Begegnung, welche sie, während sie mit den Kindern am Strande des Meeres spazieren ging, machte, entschied über ihr Leben.
Eine berühmte Courtiane von London, Miß Arabell genannt, und ein sehr talentvoller Maler, ihr damalige Liebhaber, waren stehen geblieben, der Maler, um ein Bäuerin aus dem Fürstenthurm Wales zu skizzieren, um Miß Arabella, um ihm dabei zuzusehen.
Die Kinder, welche Emma führte, näherten sich neu gierig und stellten sich auf die Fußspitzen, um zu sehen, was der Maler machte.
Emma folgte ihnen. Der Maler drehte sich um, erblickt sie und stieß einen Ruf der Ueberraschung aus.
Emma zählte jetzt dreizehn Jahre und niemals hat der Maler etwas so Schönes gesehen.
Er fragte, wer sie wäre, was sie mache.
Die Schulbildung, welche Emma Lyonna erhalten befähigte sie, diese Fragen mit einer gewissen Eleganz zu beantworten.
Er erkundigte sich, wie viel sie mit der Abwartung dieser Kinder verdiene. Sie antwortete, sie bekäme dafür Kleider, Wohnung und Kost und außerdem monatlich zehn Schillinge.
»Kommen Sie nach London,« sagte der Maler zu ihr »und ich gebe Ihnen fünf Guineen für jedes Mal, wo Sie sich dazu verstehen werden, sich von mir skizzieren zu lassen.
Und er reichte ihr eine Karte, auf welcher die Wort standen: »Edward Romney, Cavendish Square Nr. 8.«
Gleichzeitig zog Miß Arabella aus ihrem Gürtel ein kleine Börse, welche einige Goldstücke enthielt, und bot sie ihr.
Emma erröthete, ergriff die Karte, steckte dieselbe in ihr Mieder, die Börse wies sie instinctartig zurück.
Da Miß Arabella auf ihrem Anerbieten beharrte und sagte, sie solle dieses Geld zur Bestreitung der Kosten ihrer Reise nach London verwenden, so sagte Emma:
»Ich danke Ihnen, Madame. Wenn ich nach London reise, so kann ich es mit den kleinen Ersparnissen thun, welche ich bereits gemacht und ferner machen werde.«
»Von Ihren zehn Schillingen monatlich?« fragte Miß Arabella lachend.
»Ja, Madame,« antwortete das junge Mädchen naiv.
Dabei hatte es vor der Hand sein Bewenden.
Einige Monate später kam Mr. Hawardens Sohn, Mr. James Hawarden, ein berühmter Wundarzt in London, auf Besuch zu seinem Vater. Auch er ward von Emma's Schönheit betroffen und war während der ganzen Zeit, die er in der kleinen Stadt Flint blieb, gut und liebreich gegen sie, nur forderte er nicht, wie Romney, sie auf, nach London zu kommen.
Nachdem er drei Wochen bei seinem Vater zugebracht, reiste er wieder ab und ließ zwei Guineen für die kleine Kinderwärterin zur Belohnung für die Sorgfalt zurück, womit sie eine Neffen abwarte. Emma nahm das Geld ohne Widerstreben.
Sie hatte eine Freundin. Diese Freundin hieß Fanny Strong und hatte ihrerseits einen Bruder, welcher Richard hieß.
Emma hatte nie darnach gefragt, was ihre Freundin triebe, obschon dieselbe besser gekleidet war, als ihre Vermögensumstände zu erlauben schienen. Ohne Zweifel glaubte sie, Fanny werde von ihrem Bruder unterstützt, der für einen Schleichhändler galt.
Eines Tages, als Emma – sie zählte damals ziemlich vierzehn Jahre – vor dem Kaufladen eines Glashändlers stehen geblieben war, um sich in einem großen Spiegel zu betrachten, welcher dem Laden als Schaufenster diente, fühlte sie sich plötzlich an der Schulter berührt. Es war ihre Freundin Fanny Strong, die sie auf diese Weise aus ihrer Extase aufrüttelte.
»Was machst Du da?« fragte Fanny.
Emma