Kopfweh macht, der Rauch des Kamines kräuselt und ballt sich mir zu Gestalten, kleinen graubärtigen Kobolden zusammen, die spöttisch mit dem Finger auf mich deuten, pausbäckige Amoretten reiten auf den Lehnen meines Stuhles und auf meinen Knien, und ich muß unwillkürlich lächeln, ja laut lachen, indem ich meine Abenteuer niederschreibe, und doch schreibe ich nicht mit gewöhnlicher Tinte, sondern mit dem roten Blute, das aus meinem Herzen träufelt, denn alle seine längst vernarbten Wunden haben sich geöffnet und es zuckt und schmerzt, und hie und da fällt eine Träne auf das Papier.
Träge schleichen die Tage in dem kleinen Karpatenbade dahin. Man sieht niemand und wird von niemand gesehen. Es ist langweilig zum Idyllenschreiben. Ich hätte hier Muße, eine Galerie von Gemälden zu liefern, ein Theater für eine ganze Saison mit neuen Stücken, ein Dutzend Virtuosen mit Konzerten, Trios und Duos zu versorgen, aber – was spreche ich da – ich tue am Ende doch nicht viel mehr, als die Leinwand aufspannen, die Bogen zurechtglätten, die Notenblätter liniieren, denn ich bin – ach! nur keine falsche Scham, Freund Severin, lüge andere an; aber es gelingt dir nicht mehr recht, dich selbst anzulügen – also ich bin nichts weiter, als ein Dilettant; ein Dilettant in der Malerei, in der Poesie, der Musik und noch in einigen anderen jener sogenannten brotlosen Künste, welche ihren Meistern heutzutage das Einkommen eines Ministers, ja eines kleinen Potentaten sichern, und vor allem bin ich ein Dilettant im Leben.
Ich habe bis jetzt gelebt, wie ich gemalt und gedichtet habe, das heißt, ich bin nie weit über die Grundierung, den Plan, den ersten Akt, die erste Strophe gekommen. Es gibt einmal solche Menschen, die alles anfangen und doch nie mit etwas zu Ende kommen, und ein solcher Mensch bin ich.
Aber was schwatze ich da.
Zur Sache.
Ich liege in meinem Fenster und finde das Nest, in dem ich verzweifle, eigentlich unendlich poetisch, welcher Blick auf die blaue, von goldenem Sonnenduft umwobene hohe Wand des Gebirges, durch welche sich Sturzbäche wie Silberbänder schlingen, und wie klar und blau der Himmel, in den die beschneiten Kuppen ragen, und wie grün und frisch die waldigen Abhänge, die Wiesen, auf denen kleine Herden weiden, bis zu den gelben Wogen des Getreides hinab, in denen die Schnitter stehen und sich bücken und wieder emportauchen.
Das Haus, in dem ich wohne, steht in einer Art Park, oder Wald, oder Wildnis, wie man es nennen will, und ist sehr einsam.
Es wohnt niemand darin als ich, eine Witwe aus Lwow, die Hausfrau Madame Tartakowska, eine kleine alte Frau, die täglich älter und kleiner wird, ein alter Hund, der auf einem Beine hinkt, und eine junge Katze, welche stets mit einem Zwirnknäuel spielt, und der Zwirnknäuel gehört, glaube ich, der schönen Witwe.
Sie soll wirklich schön sein, die Witwe, und noch sehr jung, höchstens vierundzwanzig, und sehr reich. Sie wohnt im ersten Stock und ich wohne ebener Erde. Sie hat immer die grünen Jalousien geschlossen und hat einen Balkon, der ganz mit grünen Schlingpflanzen überwachsen ist; ich aber habe dafür unten meine liebe, trauliche Gaisblattlaube, in der ich lese und schreibe und male und singe, wie ein Vogel in den Zweigen. Ich kann auf den Balkon hinaufsehen. Manchmal sehe ich auch wirklich hinauf und dann schimmert von Zeit zu Zeit ein weißes Gewand zwischen dem dichten, grünen Netz.
Eigentlich interessiert mich die schöne Frau dort oben sehr wenig, denn ich bin in eine andere verliebt, und zwar höchst unglücklich verliebt, noch weit unglücklicher, als Ritter Toggenburg und der Chevalier in Manon l'Escault, denn meine Geliebte ist von Stein.
Im Garten, in der kleinen Wildnis, befindet sich eine graziöse kleine Wiese, auf der friedlich ein paar zahme Rehe weiden. Auf dieser Wiese steht ein Venusbild von Stein, das Original, glaube ich, ist in Florenz; diese Venus ist das schönste Weib, das ich in meinem Leben gesehen habe.
Das will freilich nicht viel sagen, denn ich habe wenig schöne Frauen, ja überhaupt wenig Frauen gesehen und bin auch in der Liebe nur ein Dilettant, der nie über die Grundierung, über den ersten Akt hinausgekommen ist.
Wozu auch in Superlativen sprechen, als wenn etwas, was schön ist, noch übertroffen werden könnte.
Genug, diese Venus ist schön und ich liebe sie, so leidenschaftlich, so krankhaft innig, so wahnsinnig, wie man nur ein Weib lieben kann, das unsere Liebe mit einem ewig gleichen, ewig ruhigen, steinernen Lächeln erwidert. Ja, ich bete sie förmlich an.
Oft liege ich, wenn die Sonne im Gehölze brütet, unter dem Laubdach einer jungen Buche und lese, oft besuche ich meine kalte, grausame Geliebte auch bei Nacht und liege dann vor ihr auf den Knien, das Antlitz gegen die kalten Steine gepreßt, auf denen ihre Füße ruhen, und bete zu ihr.
Es ist unbeschreiblich, wenn dann der Mond heraufsteigt – er ist eben im Zunehmen – und zwischen den Bäumen schwimmt und die Wiese in silbernen Glanz taucht, und die Göttin steht dann wie verklärt und scheint sich in seinem weichen Lichte zu baden.
Einmal, wie ich von meiner Andacht zurückkehrte, durch eine der Alleen, die zum Hause führen, sah ich plötzlich, nur durch die grüne Galerie von mir getrennt, eine weibliche Gestalt, weiß wie Stein, vom Mondlicht beglänzt; da war mir's, als hätte sich das schöne Marmorweib meiner erbarmt und sei lebendig geworden und mir gefolgt – mich aber faßte eine namenlose Angst, das Herz drohte mir zu springen, und statt –
Nun, ich bin ja ein Dilettant. Ich blieb, wie immer, beim zweiten Verse stecken, nein, im Gegenteil, ich blieb nicht stecken, ich lief, so rasch ich laufen konnte.
Welcher Zufall! ein Jude, der mit Photographien handelt, spielt mir das Bild meines Ideals in die Hände; es ist ein kleines Blatt, die »Venus mit dem Spiegel« von Titian, welch ein Weib! Ich will ein Gedicht machen. Nein! Ich nehme das Blatt und schreibe darauf: »Venus im Pelz«.
Du frierst, während du selbst Flammen erregst. Hülle dich nur in deinen Despotenpelz, wem gebührt er, wenn nicht dir, grausame Göttin der Schönheit und Liebe! –
Und nach einer Weile fügte ich einige Verse von Goethe hinzu, die ich vor kurzem in seinen Paralipomena zum Faust gefunden hatte.
»Erlogen ist das Flügelpaar,
Die Pfeile, die sind Krallen,
Die Hörnerchen verbirgt der Kranz,
Er ist ohn' allen Zweifel,
Wie alle Götter Griechenlands,
Auch ein verkappter Teufel.«
Dann stellte ich das Bild vor mich auf den Tisch, indem ich es mit einem Buche stützte und betrachtete es.
Die kalte Koketterie, mit der das herrliche Weib seine Reize mit den dunklen Zobelfellen drapiert, die Strenge, Härte, welche in dem Marmorantlitz liegt, entzücken mich und flößen mir zugleich Grauen ein.
Ich nehme noch einmal die Feder; da steht es nun:
»Lieben, geliebt werden, welch ein Glück! und doch wie verblaßt der Glanz desselben gegen die qualvolle Seligkeit, ein Weib anzubeten, das uns zu seinem Spielzeug macht, der Sklave einer schönen Tyrannin zu sein, die uns umbarmherzig mit Füßen tritt. Auch Simson, der Held, der Riese, gab sich Delila, die ihn verraten hatte, noch einmal in die Hand, und sie verriet ihn noch einmal und die Philister banden ihn vor ihr und stachen ihm die Augen aus, die er bis zum letzten Augenblicke von Wut und Liebe trunken auf die schöne Verräterin heftete.«
Ich nahm das Frühstück in meiner Gaisblattlaube und las im Buche Judith und beneidete den grimmen Heiden Holofernes um das königliche Weib, das ihm den Kopf herunterhieb, und um sein blutig schönes Ende.
»Gott hat ihn gestraft und hat ihn in eines Weibes Hände gegeben.« Der Satz frappierte mich.
Wie ungalant diese Juden sind, dachte ich, und ihr Gott, er könnte auch anständigere Ausdrücke wählen, wenn er von dem schönen Geschlechte spricht.
»Gott hat ihn gestraft und hat ihn in eines Weibes Hände gegeben«, wiederholte ich für mich. Nun, was soll ich etwa anstellen, damit er mich straft?
Um Gottes willen! da kommt unsere Hausfrau, sie ist über Nacht wieder etwas kleiner geworden. Und dort oben zwischen den grünen Ranken und Ketten wieder das weiße Gewand. Ist es Venus oder die Witwe?
Diesmal