Александр Дюма

Salvator


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er diesen Morgen den Brief empfing, in welchem Sie ihm Ihre Reisebeschreibung von gestern gaben, war, da er sah, Sie haben Herrn Sarranti bis zur Thüre eines Hauses der Rue du Pot-de-Fer verfolgt, mich holen zu lassen, um mich zu fragen, ob ich nicht Jemand in diesem Hause kenne. Sie begreifen, lieber Gibassier, meine Freude war groß, als ich erkannte, es sei dasjenige, dessen Bewachung der Thürschnur der Freundin der Freundin meines Freundes anvertraut sei. Ich nahm mir nur die Zeit, ein bejahendes Zeichen zu machen, und lief zu Barbette. Ich wußte, ich werde Longue-Avoine bei ihr finden: das ist die Stunde, wo er seinen Kaffee zu sich nimmt. Ich lief also nach der Impasse des Vignee; Longue-Avoine war dort. Ich sagte ihm zwei Werte in’s Ohr; er sagte vier ins Ohr von Barbette, und diese ging auf der Stelle ab, um einen kleinen Besuch ihrer Freundin, der Stühlevermietherin von Saints-Sulpice, zu machen.«

      »Ah! Nicht schlecht, nicht schlecht,« sprach Gibassier, der die ersten Sylben der Charade zu errathen anfing. »Fahren Sie fort, ich verliere kein Wort.«

      »Diesen Morgen gegen halb neun Uhr begab sich also die Barbette in die Rue du Pot-de-Fer. Ich sagte Ihnen, glaube ich, mit vier Worten habe sie Longue-Avoine über die Sache unterrichtet. Das Erste, was sie nun in der Ecke von einer der Fensterscheiben erblickte, war ein Brief an Herrn Dominique Sarranti adressiert.

      »Sprich !«« sagte die Barbette zu ihrer Freundin, »»Dein Mönch ist also noch nicht zurückgekehrt?««

      »»Nein,«« erwiderte die Andere, »»doch ich erwarte ihn jede Stunde.««

      »»Es ist erstaunlich, daß er so lange ausbleibt.««

      »»Weiß man je, was das macht, die Mönche? Doch warum sprichst Du von ihm?««

      »»Weil ich dort ganz einfach einen Brief an seine Adresse sehe,«« antwortete die Barbette.

      »»Ja, das ist ein Brief, den man gestern Abend für ihn gebracht hat.««

      »»Es ist possierlich,«« sagte die Barbette, »»man sollte glauben, es sei eine Frauenhandschrift.«««

      »»Bei meiner Treue, nein,«« entgegnete die Andere. »»Ah! ja wohl, Frauen . . . Seit den fünf Jahren, die der Abbé Dominique hier wohnt, habe ich nicht die Schnauze von einer einzigen gesehen.««

      »»Ah! Sie mögen immerhin sagen . . . ««

      »»Nein, nein, da es ein Mann ist, der ihn hier geschrieben hat, und er hat mir sogar noch sehr bange gemacht.««

      »»Oh ! sollte er Sie beleidigt haben, Gevatterinß««

      »»Nein, Gott sei Dank, das kann ich nicht sagen. Aber sehen Sie, es scheint, ich dusselte ein wenig; ich öffnete die Augen, und plötzlich sah ich vor mir einen großen, ganz schwarzen Mann.««

      »»War es zufällig der Teufel?««

      »»Nein; denn nach seinem Abgange hätte ich den Schwefel gerochen . . . Da fragte er mich, ob der Abbé Dominique zurückgekommen sei. »Nein,« antwortete ich ihm, »noch nicht.«

      »– Wohl, so sage ich Ihnen, daß er heute Abend oder morgen früh zurückkommen wird.« Das war gräßlich genug, wie mir scheint!««

      »»Ja.««

      »– Ah!« erwiderte ich, »– er wird heute Abend oder morgen früh zurückkommen? Nun wohl, das freut mich, so wahr ich Perine heiße.« »– Ist er Ihr Beichtvater?« fragte er mich lachend.

      »– Mein Herr-Hi antwortete ich, »– erfahren Sie, daß ich nicht jungen Leuten von seinem Alter beichte.« »– Ah! . . . Nun, so thun Sie mir den Gefallen und sagen Sie ihm . . . Doch nein, es ist besser . . . Haben Sie eine Feder, Papier und Tinte?«

      »– Bei Gott! eine schöne Frage!« »—Ich will ihm schreiben; geben Sie mir, was ich hierzu brauche.«

      Ich gab ihm seine Tinte, seine Feder und sein Papier, und er schrieb diesen Brief. »– Haben Sie nun Oblaten oder Siegellack?« fragte er. »– Oh! was das betrifft, nein,« antwortete ich ihm,« »das habe ich nicht.«

      »»Sie hatten dass nicht?«« bemerkte die Barbette.

      »»Doch! Warum soll ich aber Unbekannten ein Geschenk mit meinem Siegellack und mit meinen Oblaten machen?««

      »»In der That, das wäre mit der Zeit ein Ruin.«

      »»Ah! es ist nicht gerade wegen des Ruins; doch es hat das Ansehen, als mißtraute man den Leuten, wenn man von ihnen etwas zum Versiegeln der Briefe verlangt.««

      »»Ja, und dann geniert das, will man den Brief lesen, wenn sie abgegangen sind; aber«« fuhr die Barbette fort, indem sie einen Blick auf den Brief warf, »»wie kommt es, daß er gesiegelt ist?««

      »»Oh! sprechen Sie mir nicht hiervon! er störte in seinem Portefeuille und suchte so lange, bis er eine alte Oblate fand.««

      »»So daß Sie nicht wissen, was der Brief enthält?««

      »»Bei meiner Treue, nein. Wozu sollte es mich auch nützen, zu wissen, daß Herr Dominique sein Sohn ist, daß er Herrn Dominique heute um Mittag in der Himmelfahrts-Kirche an den dritten Pfeilen, links vom Eingange, angelehnt erwarten wird, und daß er unter dem Namen Dubreuil in Paris ist?««

      »»Sie haben den Brief also doch gelesen?««

      »»Oh! ich habe ihn ein wenig klaffen lassen: ich wurde neugierig, zu erfahren, warum er durchaus eine Oblate haben wollte.««

      »Gerade in diesem Augenblicke hörte man die Glocke von Saint-Sulpice.

      »»Ah!«« rief bis Partière der Rue du Pot-de-Fer, »»und ich vergaß . . . ««

      »»Was denn?««

      »»Daß um neun Uhr ein Begräbniß stattfinden. Gut! und mein Schlingel von einem Manne ist trinken gegangen! Immer dieselben Streiche, was! Er macht immer dieselben Streiche! Durch wen soll ich meine Thüre bewachen lassen? Durch meine Katze?««

      »»Nun, bin ich denn nicht da?«« fragte die Barbette.

      »»Wahrhaftig?«« sagte die Andere, »»Sie würden mir einen solchen Dienst thun?««

      »»Oh! wie einfältig! muß man sich nicht auf dieser Welt einander beistehen ?««

      »Und auf diese Versicherung ging die Stühlevermietherin von Saint-Sulpice, um ihren Geschäften obzuliegen.««

      »Ja, ich begreife,« sagte Gibassier, »und die Barbette, als sie allein war, ließ den Brief ebenfalls klaffen.«

      »Ah! sie hielt ihn über den Dampf des Siedekessels, öffnete ihn und schrieb ihn ab, so daß wir zehn Minuten nachher den ganzen Brief hatten.«

      »Und der Brief sagte?««

      »Was die Portiere von Nr. 28 schon gesagt hatte. Uebrigens ist hier der Text,« erwiderte Carmagnole.

      Und er zog ein Papier aus seiner Tasche und las laut, während Gibassier leise las:

      »Mein lieber Sohn, ich bin seit heute Abend unter dem Namen Dubreuil in Paris: mein erster Besuch hat Dir gegolten. Man sagt mir, Du seist nicht zurückgekehrt, man habe Dir aber meinen ersten Brief zugeschickt, und Du kannst folglich nicht säumen. Kommst Du heute Nacht oder morgen früh an, so findest Du mich um Mittag in der Himmelfahrts-Kirche: ich werde an den dritten Pfeiler, vom Eingange links, angelehnt sein.«

      »Ah!« sagte Gibassier, »sehr gut!«

      Und da sie so von ihren Angelegenheiten und von denen Anderer plaudernd zur letzten Stufe der Vorhalle der Himmelfahrts-Kirche gelangt waren, so traten sie in die Kirche ein, als es eben Mittag schlug.

      Am dritten Pfeiler links stand Herr Sarranti angelehnt, während bei ihm knieend Dominique, ohne von Jemand gesehen zu werden, ihm die Hand küßte.

      Wir täuschen uns, er war von Gibassier und von Carmagnole gesehen worden.

       VII

      Wie man einen Aufstand macht

      Ein Blick genügte den zwei Männern; sie drehten sich sogleich auf den Absätzen und wandten sich nach