brauche ihn nicht zu kennen, um ihm ein Zimmer aufzubewahren.«
»Ah! das ist wahr; Sie sind nicht ganz so dumm, als Sie aussehen!«
»Ich danke.«
»Hier sind die hundert Saus; Sie werden ihn wohl erkennen, wenn er kommt.«
»Herrn Poirier?«
»Ja.«
»Besonders, wenn er seinen Namen sagt.«
»Oh! er wird ihn sagen; er hat keine Gründe, seinen Namen zu verheimlichen.«
»Dann wird man ihn in das Zimmer Nummer 11 führen.«
»Sehen Sie einen dicken Kumpan, mit einem Nasenwärmer der ihm das halbe Gesicht bedeckt, und einem Ueberrocke den kastanienbraunem Castorin, so können Sie dreist sagen: »»Das ist Herr Poirier!««
Und hiernach: gute Nachts lassen Sie Nummer 11 gut heizen, denn Herr Poirier ist sehr verfroren . . . Ah! und warten Sie doch, ich glaube, es wäre ihm nicht unangenehm, wenn er ein guten Abendbrod in seinem Zimmer fände.«
»Schon!«
»Und ich vergaß noch . . . « sagte der falsche Charpillon.
»Was?«
»Die Hauptsache! Er trinkt nur Bardeauxwein.«
»Wohl! er wird eine Flasche Bordeaux auf seinem Tische finden.«
»Dann wird er nichts mehr zu wünschen haben, als Augen zu besitzen, wie die Deinigen, um gegen Bondy sehen zu können, wenn Charenton brennt.«
Und mit einem gewaltigen Gelächter, das von dem Vergnügen zeugte, welches ihm dieser feine Scherz bereitete, verließ der falsche Postillon das Hotel du Grand-Turc.
Eine Viertelstunde nachher hielt ein Cabriolet vor der Thüre des Gasthauses; ein Mann stieg aus unter dem von Charpillon angegebenen Signalement und wurde, nachdem er sich als denselben Herrn Poirier, den man erwartete, zu erkennen gegeben, vom Kellner unter zahllosen Bücklingen in das Zimmer Nummer 11 geführt, wo ein gutes Abendbrod aufgetragen war, und wo eine Flasche Bordeaux-Wein, in einer vernünftigen Entfernung dem Feuer stehend, den Grad von Lauigkeit erreichte, welchen ihm, ehe sie ihn trinken, die wahren Feinzüngler geben.
III
Man wird immer nur durch die Seinigen verrathen
Fünf Minuten nachher war Herr Poirier im Besitze des Zimmer Nr. 11, und er kannte alle Winkel und Ecken desselben, als ab er dieses Zimmer sein ganzes Leben bewohnt hätte.
Herr Poirier war der Charakter, der am schnellsten mit den Menschen Bekanntschaft machte, und das Temperament, das sich am schnellsten mit den Orten familiarisirte: er erklärte indessen dem Kellner, er brauche Niemand zu seiner Bedienung, er liebe es, allein und ruhig zu essen, ohne Jemand zu haben, der ihm sein Glas voll schenke, ehe es leer sei, oder ihm seinen Teller wegnehme, so lange sich noch Speisen darauf finden.
Sebald er allein war und auf der Treppe die Tritte des Kellners hatte erlöschen hören, öffnete der falsche Poirier oder der richte Gibassier, wie man will, die Thüre wieder.
Gerade in demselben Augenblicke öffnete Herr Sarranti auch die seinige.
Gibassier hielt seine Thüre nicht geschlossen, sondern an das Gesims angelehnt.
Herr Sarranti gab dem Zimmermädchen, das sein Bett gemacht hatte, ein paar Befehle, welche andeuteten, er werde in ein paar Stunden zurück sein.
»Ho! Ho!« sagte Gibassier zu sich selbst, »es scheint, trotz der vorgerückten Stunde will mein Nachbar einen kleinen Gang machen. Sehen wir, nach welcher Seite er wandeln wird.«
Gibassier löschte die zwei Kerzen aus, welche auf seinem Tische brannten, und öffnete sein Fenster, ehe Herr Sarranti die Schwelle der Hausthüre überschritten hatte.
Einen Augenblick nachher sah er ihn hinausgehen und den Weg durch die Rue Saint-André-des-Arcs nehmen.
»Ich bin sicher, daß er zurückkommen wird,« sagte er zu sich selbst, »da er nicht errathen konnte, ich sei da, um die Befehle zu behorchen, die er gab. Bah! keine Trägheit, treiben wir unser Handwerk gewissenhaft und erfahren wir, wohin er geht.«
Er ging rasch hinab und folgte ihm durch die Rue de Bussy, über den Marché Saint-Germain, die Place Saint-Sulpice und in die Rue du Pot-de-Fer, wo er ihn in ein Haus eintreten sah, ohne nur die Nummer anzuschauen.
Gibassier war neugieriger als er: Herr Sarranti war in Nummer 28 eingetreten.
Gibassier ging die Straße hinauf, zog sich längs dem Hotel Coffé-Brissac hin und wartete.
Er wartete nicht lange: Herr Sarranti trat nur ein und kam wieder heraus.
Doch sodann, statt die Rue du Pot-de-Fer hinabzugehen, ging er dieselbe hinauf, das heißt, er ging an Gibassier vorbei, der sich kluger und schamhafter Weise gegen die Mauer umwandte, und schlug den Weg durch die Rue de Vaugirard ein. Nachdem er eine Zeit lang dieser Straße gefolgt, sodann längs dem Odeon-Theater auf der Seite des Eingangs der Schauspieler hinmarschiert war, die Place Saint-Michel überschritten hatte, drang Herr Sarranti in die Rue des Postes ein und gelangte vor ein Haus, dessen Nummer er diesmal anschaute.
Dieses Haus, unsere Leser kennen es schon, oder wenn sie es nicht wiedererkennen, so werden sie es auf die erste Bezeichnung erkennen. Neben der Impasse des Vignes und gegenüber der Rue du Pauits-aui-parle liegend, war es kein anderes, als jener Zauberbecher, durch welchen, Korkkügelchen ähnlich, diese so vergeblich von Herrn Jackal im Hause gesuchten und so wunderbar von ihm bei seinem gefahrvolIen Hinablassen zu Gibassier wiedergefundenen Carbonari verschwunden waren.
Der Exgaleerensklave erbleichte, als er die berüchtigte Rue du Puits-qui-parle erblickte und in dieser Straße den Brunnen, in dem er so lange und traurige Stunden zugebracht hatte. Ein unbekannter Schauer durchzog seinen ganzen Leib, und ein kalter Schweiß befeuchtete seine Stirne. Zum ersten Male seit seinem Abgange aus dem Hotel-Dieu, um nach Kehl zu reisen, empfand er einen schmerzlichen Eindruck.
Die Straße war einsam. Herr Sarranti, als er vor dem Hause angelangt war, blieb stehen und erwartete ohne Zweifel, um einzutreten, die vier anderen Gefährten, die zur Einführung nöthig, welche, wie man sich erinnert, zu fünf und fünf stattfand.
Bald erschienen drei in Mäntel gehüllte Männer und gingen gerade auf Herrn Sarranti zu, und nachdem sie das Erkennungszeichen ausgetauscht hatten, warteten alle Vier auf den Fünften.
Gibassier schaute umher, um zu sehen, ab der Fünfte nicht komme, und als er nicht einmal einen Schatten erscheinen sah, dachte er, das sei der rechte Augenblick, um einen Meisterstreich auszuführen.
Durch Herrn Jackal in die Mysterien dieses Hauses eingeweiht, mit den Maurerzeichen aller geheimen Gesellschaften vertraut, schritt er gerade aus die Gruppe zu, nahm die erste Hand, die sich gegen ihn ausstreckte, und machte das Erkennungszeichen, dieses Zeichen bestand darin, daß man dreimal die Hand von innen nach außen drehte.
Hieraus steckte einer von den Männern den Schlüssel in das Schloß , und alle Fünf traten ein.
Das Innere des Hauses war ausgebessert und so wieder angemalt, daß keine Spur mehr von der Passage von Carmagnole durch die Mauer und vom Sturze von Vol-au-Vent durch den Fensterrahmen blieb.
Diesmal war zwar nicht davon die Rede, in die Katakomben hinabzusteigen. Vier einander unbekannte Chefs hatte man zusammenberufen, um die vertraulichen Mittheilungen von Herrn Sarranti zu empfangen.
Dieser kündigte ihnen an, binnen drei Tagen werde der Herzog von Reichstadt in Saint-Leu-Taverny sein; und er gedenke dort bis zu dem Augenblicke verborgen zu bleiben, wo man nöthig hätte, dem Volke die Fahne zu zeigen, in deren Namen man sich erhob.
Da es die Gewohnheit der Affiliirten war, um die Polizei irre zu führen, jede Gelegenheit zu benutzen, die sich ihnen zu einer Versammlung bot, so wurde verabredet, es sollten sich, weil am anderen Tage das Leichenbegängniß des Herrn Herzog de la Rochefoucauld stattfand, alle Logen und alle Vente entweder in der Himmelfahrtskirche oder in den umliegenden Straßen einfinden.«
Hier