Klabund

Mohammed


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Luzifers auf der Stirn.

      Kaum hatte Bahirah sich von seinem Schreck erholt, als Getrappel von Pferden und Kamelen auf der Landstraße vernehmlich wurde.

      Bahirah stürzte sich auf die Straße und warf sich der Karawane entgegen, die Arme weit gebreitet. Er fiel dem vordersten Reiter in die Zügel und schrie: »Ich lasse Euch nicht, Ihr tut mir denn die Ehre und seid für heute meine Gäste. Der Gesandte Gottes weilt unter Euch, ich will ihm huldigen.«

      Seinen weißen Bart zauste der Wüstenwind. Seine Augen brannten.

      Die Kureischiten lächelten, und ihr Anführer, Abu Talib, der Oheim Mohammeds, sprach: »Ehrwürdiger Vater, wir wollen Euch gern das Vergnügen machen, uns zu bewirten. Aber den Gesandten Gottes, von dem Ihr spracht, führen wir nicht bei uns, erinnern uns auch nicht, von einem solchen gehört zu haben.«

      Die Karawane sattelte ab. Mit Hilfe seiner Jünger richtete Bahirah unter einem Baume ein Mahl her: Lammfleisch, Brot und Milch, und lud sie alle ein, jung und alt, Sklaven und Freie.

      Als sie bei Tisch saßen, musterte Bahirah seine Gäste der Reihe nach mit gütigen Augen und sprach: »Kureischiten, es darf keiner, auch der Geringste nicht, zurückbleiben. Ich habe Euch alle eingeladen; fehlt auch niemand in der Runde?«

      Die Kureischiten lächelten, und Abu Talib sprach:

      »Wir sind alle hier versammelt. Ein Knabe nur, mein Neffe, blieb im Lager, um auf die Tiere acht zu haben.«

      Da sprang Bahirah auf und schrie: »Holt mir den Knaben« Zwei Sklaven brachten Mohammed, der unbefangen auf den Mönch zutrat und sich tief vor ihm verneigte, die Arme über die Brust gekreuzt.

      Als er die Verbeugung vollendet hatte und die Arme seitwärts fallen ließ, erkannte Bahirah auf dem nackten Oberkörper unter dem Herzen die Wunde, das Mal des Prophetentums. Bahirah aber gedachte ihn zu versuchen und sprach:

      »Schwör« mir bei Lat und Uzza, Knabe, ob du wahre Träume hast«

      Der Knabe schüttelte den dunkeln Kopf, und eine Gebärde des Ekels erschütterte seine Züge. »Ich glaube nicht an Lat und Uzza, die Götzen der Kureischiten. Jeder Eid, der bei ihnen geschworen wird, ist ein Meineid.«

      »Woran glaubst du sonst, Knabe, wenn nicht an die Götter deines Volkes?«

      »Die Götzen meines Volkes sind tönerne Götzen. Ich kann sie mit meinem Stecken zerschlagen.«

      »Und woran glaubst du, Knabe?«

      Der Knabe hob den Kopf. Den linken Arm schön um eine Bambusstaude geschlungen, sprach er leise:

      »An mich.«

      Bahirah kreuzte die Arme und neigte sich vor dem Knaben, wie der Knabe soeben vor ihm. Dann führte er ihn in das Haus, das heilige Buch ihm zu zeigen.

      Da sah er wieder das grüne Gespinst und auf dem Gespinst die giftige Spinne. Sie zischte wie eine Schlange, als Mohammed ihr nahekam.

      Er aber packte sie mit der Faust, warf sie auf den Boden und zertrat sie mit bloßer Sohle.

      Er riß das Gespinst auseinander, schlug das Buch auf, und ob er gleich zuvor niemals gelesen und keiner Buchstaben kundig war, las er:

      »Gelobt sei Gott, der Herr der tausend Welten. Der Allerbärmer. Der König der Richter und der Richter der Könige. Ihm dienen wir, so dient er uns. Er leite uns den geraden Weg: den Weg der Gnade und der Güte. Des Willens und der Weisung. Es ist nur ein Gott, ihn zeugte niemand, er zeuget niemanden, es ist nur ein Gott, und Mohammed ist sein Prophet …«

      Des Abends, als die Kureischiten sich zum Aufbruch rüsteten, nahm Bahirah Abu Talib beiseite:

      »Wisse, daß Ihr den Gesandten Gottes unter Euch habt. Meine alten Augen sind selig, da sie ihn noch gesehen, meine dürre Lippe lobpreist seine kindliche Gottheit.«

      Abu Talib lächelte verzeihend:

      »Wer ist es, den Ihr meint, ehrwürdiger Vater?«

      Der Greis verneigte sich:

      »Es ist Mohammed, Euer Neffe.«

      Abu Talib lachte:

      »Märchenerzähler« und schwang sich aufs Pferd. »Die Kureischiten handeln mit Edelsteinen und Seidenstoffen, aber nicht mit Göttern. Mohammed ist ein Kaufmann.«

      Der Alte ballte die Faust. Er bellte:

      »Er wird Euch Euren Unglauben mit rechter Münze heimzahlen«

      Mohammed kehrte von einer Geschäftsreise, die er im Auftrag seines Oheims Abu Talib unternommen hatte, aus Syrien zurück. Die Geschäfte waren ihm nicht nach Wunsch und Willen gelungen, und mißmutig ritt der Jüngling seiner Straße. In sich versunken, bemerkte er nicht, wie er in die Fährte einer kleinen Reisegesellschaft geriet und, von ihr geleitet, sich besinnungslos ihrer Führung ergab. Die Gesellschaft machte halt. Mohammed stieg ebenfalls vom Pferde. Man begab sich in ein Haus. Mohammed, eine Gaststätte vermutend, folgte. Wohlig auf einem Kissen dahingestreckt, hing er müde geflügelten Träumen nach. Als er sich von einem Sonnenstrahl des bunten Fensters geblendet zur Seite ins Dämmerige wandte, sah er eine Dame vor sich, die ihm eine Schale Kaffee reichte.

      Er erhob sich, errötend und verwirrt.

      »Herrin, wer seid Ihr? Täuscht mich Trübung der Träume? Bin ich in keinem Gasthaus?«

      »Beruhigt Euch, Mohammed – Ihr seht, ich kenne Euch – Ihr seid in einem gastlichen Hause – im Hause der Chadidjeh, der Tochter des Chuweiled.«

      »Herrin, führt mich zu Chadidjeh, daß ich sie um Verzeihung bitte für meine Eindringlichkeit in ihr Haus. Der heiße Tag, die Ahnungen der Seele verwirrten mich.«

      »Entschuldigt Euch nicht, Mohammed, Chadidjeh steht vor Euch.«

      Mohammed verneigte sich dreimal.

      Die Röte, die über sein Gesicht flutete, durchflammte die Dämmerung.

      »Herrin, ich sah auf meinen Wanderungen viele Frauen. Ich las in ihren braunen Dattelaugen und versuchte die weiße Schrift ihrer Stirnen zu enträtseln. Ich nannte sie Schwestern, aber keine verlockte mich zur bleibenden Einkehr. Da öffnet sich ein Haus: gleichsam von selbst. Da öffnet sich ein Herz: in abendlicher Dämmerung. Ein Blutstrom umbraust mich. Ich kralle mich wie ein Geier in die Äste meiner Verzweiflung. Helft mir, Herrin, zum Guten und zur Vollendung oder ruft einen Sklaven, daß er mich erschlage…«

      Chadidjeh zitterte.

      »Mohammed, bleibt in diesem Hause, das sich vor Euch aufgetan.«

      Mohammed fiel in die Kissen.

      »Wie soll ich Euch verstehen? Ihr spottet meiner O kenntet Ihr die Qual meines Tuns, bisher bestimmt, den Reichtum meines Oheims zu mehren, aus fremden Börsen Gold in die seinen zu tun, um falsche Werte fronend zu feilschen. Handle fordert der Ohm. Handle das gleiche Wort, doch welch entfernter, heilig hoher Sinn – schreit eine Stimme aus blumiger Wolke, die mich stets beschattet.«

      Chadidjeh lehnte an einer Säule, um die sich eine geschnitzte Schlange schlang:

      »Mohammed, du glaubst gewiß, daß du es warst, der unserer Karawane sich anschloß. Wisse: wir waren es, die dir folgten… Wir sahen die Wolke über deinem Haupte, die dein Kamel und dich beschattete, und folgten dir, um des Schattens teilhaftig zu werden, denn die Sonne versengte unsere Stirnen. Wir sind es, die dir zu Dank verpflichtet sind, daß du uns in deinem Schatten reiten ließest – denn die Wolke folgte dir wie ein getreuer Hund.«

      »Herrin, ich schuf die Wolke nicht: dankt ihm, der sie uns sandte…«

      »Wir sahen nur die Wolke, doch hörten wir die Stimme nicht.«

      »Die Stimme wird Gestalt annehmen und unter uns wandeln. Sie wird ihren Mund finden, dem sie weithin vernehmbar donnernd entfahre.«

      »Mohammed, Gesegneter, ich biete dir mein Haus als Burg der Zuflucht. Handle, wie die Götter es dir befehlen, mit Worten der Wildheit und Wehmut und mit Münze nicht mehr. Betritt und verlaß mein Haus, daß das deine sei, wie du es immer willst, und sei mein Gatte. Nicht werden meine Arme dich ketten und halten, wenn dich der Geist in die Weite und Wüste treibt.«

      Mohammed