wurden und der neue Eigenthümer desselben sich noch in London aushielt, war nothwendigerweise auch die Frage entstanden, wer die Güter in Zukunft verwalten solle. Der Verwalter, welcher bisher der Familie Blanchard gedient, hatte ohne Zeitverlust geschrieben und seine Dienste auch dem neuen Herrn ungetragen. Obgleich ein vollkommen fähiger und zuverlässiger Mann, hatte er doch bei diesem keine Gunst gefunden. Indem Allan, wie gewöhnlich, nach seinen ersten Eingebungen gehandelt und für alle Fälle beschlossen hatte, Midwinter dauernd zu Thorpe-Ambrose zu installieren, war er zu der Ueberzeugung gekommen, daß die Verwalterstelle genau die Stelle sei, die seinem Freunde zusage – und zwar aus dem einfachen Grunde, weil dies seinen Freund nöthigen würde, bei ihm auf dem Gute zu bleiben. Er hatte deshalb das ihm gemachte Anerbieten abgelehnt, ohne Mr. Brock zu Rathe zu ziehen, dessen Mißbilligung er zu fürchten Ursache hatte, und ohne Midwinter etwas davon zu sagen, der wahrscheinlich eine Stelle zurückgewiesen hätte, für die er durch sein früheres Leben nicht im mindesten befähigt war. Diese Bestimmung Allan’s hatte eine weitere Correspondenz zur Folge gehabt und zwei neue Schwierigkeiten herbeigeführt, welche auf den ersten Anblick ein wenig widerwärtig aussahen, die aber Allan mit Hilfe seiner Rechtsanwälte bald aus dem Wege räumte. Die erste Schwierigkeit, die Rechnungsbücher des abgehenden Verwalters zu prüfen, ward gelöst, indem man einen Buchhalter von Profession nach Thorpe-Ambrose sandte; die zweite Schwierigkeit, nämlich über die leere Wohnung des Verwalters in vortheilhafter Weise zu verfügen, ward dadurch beseitigt, daß man die Wohnung auf die Liste eines thätigen Hausagenten der benachbarten Grafschaftsstadt setzen ließ. In diesem Stadium hatte sich die Sache befunden, als Allan London verlassen. Er hatte nicht weiter an dieselbe gedacht oder ferner etwas über dieselbe gehört, bis ihm ein Brief von seinen Advokaten nach der Jnsel Man gefolgt war, welchem zwei Anerbietungen in Bezug auf die Wohnung beigeschlossen waren, die beide an demselben Tage eingelaufen waren. Der Brief enthielt die Bitte um möglichst baldige Nachricht, welche der beiden Anerbietungen er anzunehmen beabsichtige.
Da Allan, nachdem er den Gegenstand einige Tage vergessen, jetzt die Nothwendigkeit einer Entscheidung vor sich sah, gab er seinem Freunde die beiden Anträge und ersuchte ihn, nachdem er ihm eine verworrene Auseinandersetzung der Sachlage gegeben, um seinen Rath. Allein anstatt die Anerbietungen zu lesen, legte Midwinter dieselben ohne alle Ceremonie bei Seite und that die beiden sehr natürlichen und für Allan sehr unbequemen Fragen, wer der neue Verwalter sei und weshalb er in Allan? Hause wohnen solle?
»Ich will Dir sagen, wer, und ich will Dir sagen, warum – wenn wir nach Thorpe-Ambrose kommen«, erwiderte Allan. »Inzwischen wollen wir den Verwalter X. Y. Z. nennen und sagen, er wohnt bei mir, weil ich verdammt strenge bin und ihm mit eigenen Augen auf die Finger sehen will. Du brauchst nicht so erstaunt auszusehen; ich kenne den Mann vollkommen, und man muß vorsichtig mit ihm zu Werke gehen. Wenn ich ihm die Verwalterstelle schon früher antrüge, so würde er in seiner Bescheidenheit Nein sagen. Stürze ich ihn aber, ohne ihm vorher ein Wort davon zu sagen und zu einer Zeit, wo Niemand zur Hand ist, um an seine Stelle zu treten, über Hals und Kopf in dieselbe hinein, so wird ihm nichts weiter übrig bleiben als mein Interesse zu berücksichtigen und »Ja« zu sagen. X. Y. Z. ist durchaus kein übler Bursche, kann ich Dir sagen. Du wirst ihn sehen, wenn wir nach Thorpe-Ambrose kommen, und ich denke mir, daß Ihr beide sehr gut mit einander auskommen werdet.«
Das lustige Funkeln in Allan’s Auge und die bedeutungsvolle Schlauheit in seiner Stintme würden einem glücklichen Menschen sein Geheimniß verrathen haben. Midwinter aber war ebenso weit entfernt, dasselbe zu ahnen, wie die Zimmerleute, die über ihnen auf dem Verdeck der Jacht arbeiteten.
»Befindet sich augenblicklich kein Verwalter auf dem Gute?« frug er und sein Gesicht verrieth, daß er keineswegs mit Allan’s Antwort zufrieden war. »Werden die Geschäfte inzwischen völlig vernachlässigt?«
»Durchaus nicht!« erwiderte Allan. »Die Geschäfte gehen mit schwellendem Segel und günstigem Wind.« Ich scherze nicht, ich drücke mich nur bildlich aus. Ein echter Buchhalter hat seine Nase in die Bücher gesteckt, und ein gesetzter Advokatenschreiber zeigt sich wöchentlich einmal im Bureau. Das sieht doch nicht etwa wie Vernachlässigung aus, wie? Laß den neuen Verwalter für jetzt in Ruh’ und sage mir lieber, welchen der beiden Miethanträge Du an meiner Stelle annehmen würdest.«
Midwinter öffnete die beiden Anerbietungen und las dieselben aufmerksam durch.
Die erste derselben kam von keiner geringeren Person als dem Advokaten von Thorpe-Ambrose, welcher Allan die Nachricht von dem ihm zugefallenen großen Vermögen nach Paris gemeldet hatte. Dieser Herr schrieb selbst; er sagte, er habe längst das Häuschen bewundert, welches allerliebst innerhalb der Parkanlagen von Thorpe-Ambrose gelegen sei. Er sei Junggeselle, dem Studium ergeben, und wünsche sich nach den ermüdenden Geschäftsstunden in ländliche Einsamkeit zurückzuziehen; auch glaube er versichern zu dürfen, daß Mr. Armadale, wenn er ihn als Miether annähme, einen friedlichen Nachbarn in ihm finden und die Wohnung in zuverlässige und sorgfältige Hände geben würde.
Das zweite Anerbieten kam durch den Hausagenten und von einem Fremden. Der Herr, welcher das Häuschen zu miethen wünschte, war ein Offizier außer Diensten, ein Major Milroy. Seine Familie bestand blos aus einer Gattin, welche leidend war, und einem einzigen Kinde – einer jungen Dame. Seine Empfehlungen waren untadelhaft, und auch er wünschte besonders deshalb dieses Häuschen zu miethen, weil die vollkommen ruhige Lage desselben genau das war, was Mrs. Milrotys schwacher Gesundheitszustand erforderte.
»Nun! Welchem Stande soll ich den Vorzug geben?« frug Allan. »Dem Soldatenstande oder dem Rechtsfache?«
»Es scheint mir darüber kein Zweifel obzuwalten«, sagte Midwinter. »Der Advokat hat bereits mit Dir correspondirt und hat deshalb die besten Ansprüche.«
»Ich wußte, daß Du dies sagen würdest. Alle die tausendmal, daß ich andere Leute um Rath befragte, habe ich noch nie den Rath erhalten, den ich mir wünschte. Nehmen wir zum Beispiel diese Vermiethung. Ich selbst bin durchaus auf der andern Seite; ich wünsche mir den Major.«
»Warum?«
Der junge Armadale deutete mit dem Zeigefinger auf diejenige Stelle im Briefe des Hausagenten, welche die Familie des Majors aufzählte und folgende drei Worte enthielt – »eine junge Dame.«
»Ein dem Studium ergebener Junggeselle ist kein interessanter Spaziergänger in meinen Anlagen«, sagte Allan; »eine junge Dame aber ist dies. Ich bezweifle nicht im mindesten, daß Miß Milroy ein allerliebstes Mädchen ist. Ozias Midwinter mit dem ernsten Gesicht, denke Dir nur ihr hübsches Musselinkleid zwischen Deinen Bäumen, indem sie sich auf Deinem Grund und Boden Uebertretungen erlaubt; denke Dir, wie ihre anbetungswürdigen Füßchen in Deinem Obstgarten herum trippeln und ihre reizenden, frischen Lippen Deine reifen Pfirsichen küssen; male Dir ihre kleine runde Hand aus, wie sie unter Deinen ersten Veilchen sucht, und ihre kleine weiße Nase, wie sie den Duft Deiner Theerosen einsaugt. Was hat der studirende Junggeselle mir für alles dies zu bieten? Höchstens einen rheumatischen braunen Gegenstand in Gamaschen und Perrücke. Nein, nein! Die Gerechtigkeit ist zwar eine gute Sache, mein lieber Freund, aber glaube mir, Miß Milroy ist eine bessere!«
»Kannst Du irgendetwas in der Welt mit Ernst behandeln, Allan?«
»Ich will es versuchen, wenn Du es wünschest. Daß ich den Advokaten nehmen sollte, weiß ich recht wohl; aber was kann ich thun, wenn die Majorstochter mir fortwährend im Kopfe herumgeht?«
Midwinter führte die Sache entschlossen auf den richtigen und verständigen Gesichtspunkt zurück und machte Allan mit der ganzen Beredsamkeit, die ihm zu Gebote stand, auf denselben aufmerksam. Nachdem Allan ihn mit exemplarischer Geduld bis zu Ende angehört, strich er abermals einen bunten Haufen von Gegenständen vom Kajütentische herunter und nahm einen halben Kronenthaler aus der Westentasche.
»Ich habe einen ganz neuen Einfall«, rief er. »Ueberlassen wir es dem Zufalle.«
Die Lächerlichkeit dieses Vorschlages war unwiderstehlich. Midwinters Ernst ließ ihn im Stich.
»Ich will drehen«, sagte Allan, »und Du sollst rathen. Wir müssen natürlich der Armee den Vorrang gestatten; sagen wir also Kopf – der Major, Wappen – der Advokat. Das erste Umdrehen entscheidet. Jetzt geht? los, aufgepaßt!«
Damit drehte er die Münze und