Adalbert Stifter

Abdias


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näher und höre, was ich dir sagen werde.«

      Der Jüngling sprang empor, und starrte Abdias an. Dieser aber sprach: »Ich werde dir einen sehr schönen roten Bund geben mit einem weißen Reigerbusche darauf, ich werde dich zum Aufseher über alle anderen machen, wenn du genau ausführest, was ich dir sage. Du musst, so lange ich fort bin – denn ich werde ein wenig weg gehen – deine kranke Herrin und dieses Kind bewachen. Setze dich hierher auf diesen Erdhaufen – so – hier hast du ein Gewehr, es ist eine Pistole – so musst du sie halten – –«

      »Das weiß ich schon,« sagte der Knabe.

      »Gut,« fuhr Abdias fort, »wenn nun einer herein kommt, und die schlummernde Frau und das Kind anrühren will, so sag ihm, er solle gehen, sonst wirst du ihn töten. Geht er nicht, so halte die Öffnung gegen ihn, drücke an der eisernen Zunge und schieße ihn tot. Verstehst du alles?«

      Uram nickte und setzte sich in der verlangten Stellung auf den Boden.

      Abdias sah ihn noch ein Weilchen an, und ging dann den Griff der andern Pistole mit seiner Hand im Kaftane haltend durch den Gang in die äußere Stube hinaus. Es lag alles so herum gestreut, wie er es verlassen hatte, und kein Mensch war in der weitläufigen Höhle. Da er sich überall umgesehen hatte, beschloss er vollends hinaus zu gehen. Er musste sich wegen der vielen Schmerzen in den Lenden noch einmal dehnen, und stieg dann über die Schwelle der Tür zu den Palmen hinaus. Es war hier wirklich ganz öde, wie er es voraus gedacht hatte; denn die Nachbarn mochten in ihre entfernten Behausungen, oder wohin es ihnen sonst gefallen hat, gegangen sein. Als er zu dem Sandhaufen kam, wo er mit den Lanzen geschlagen worden war, war das Kamel nicht mehr da – sie hatten es samt den Lumpen als Ersatz mitgenommen. Er bog um den Triumphbogen und abgelegene Trümmer herum, und als er auf den hohen Schutthaufen, der über seinem Hause lag, gekommen war, stieg er auf den noch höheren hinan, der sich hinter demselben befand, wo Sand und weitgedehnte Blöcke lagen, und eine große Umsicht auf alle Dinge und auf das Dämmerrund der Wüste sich eröffnete. Dort hob er einen Stein auf, und zog einen goldenen Ring unter demselben hervor. Dann stand er, und sah ein wenig herum. Die Sonne, welche früher ein trüber roter Glutpunkt gewesen war, war nun gar nicht mehr sichtbar, sondern ein verschleierter grauer heißer Himmel stand über der Gegend. Wir würden in unsern Ländern eine solche Luft sehr heiß nennen, aber dort war sie im Vergleiche mit Tagen, wo die Sonne unausgesetzt nieder scheint, bedeutend kühler geworden. Abdias atmete sie wie eine Labung, und strich sich mit der flachen Hand ein paar Mal über die Seiten seines Körpers herab. Er schaute durch das schweigende Getrümmer, das unter ihm lag, und stieg dann hinab. Als er bei der zerrissenen Aloe war, begannen kleine Tropfen zu fallen, und was in diesem Erdstriche eine Seltenheit ist, ein grauer sanfter Landregen hing nach und nach über der ganzen ruhigen Ebene; denn auch das ist selten, dass die Regenzeit so stille, und ohne den heftigen Stürmen herannaht.

      Abdias stieg auf der entgegengesetzten Seite, als er heraufgegangen war, hinab, wanderte durch allerlei wohlbekannte Irrgänge und Windungen der Trümmer und hatte ziemlich weit zu gehen, bis er das Ziel, wohin er wollte, erreichte, nämlich die Wohnung des vorzüglichsten seiner Nachbarn, wo er glaubte, dass er auch einige andere antreffen würde. Wirklich waren mehrere da, und als sich das Gerücht verbreitete, er sei über die Schwelle des Gaal hineingegangen, kamen noch immer mehrere herbei.

      Er sagte zu ihnen: »Wenn ich durch die schöneren Kleider, die ich trug, und durch den größeren Handel, den ich trieb, unsern Aufenthalt verraten, die Plünderer hergelockt, und euch Schaden verursacht habe, so will ich auch denselben ersetzen, so gut ich kann. Ihr werdet nicht alles verloren haben; denn ihr seid weise, und habt Kleinodien geborgen. Bringet ein Papier oder Pergament und Tinte herbei. Ich habe manche Schuldforderungen draußen ausstehen, die mir meine Freunde bezahlen müssen, sobald die Zeit um ist. Ich werde sie euch hier aufschreiben, und werde die Erlaubnis dazu schreiben, dass ihr das Geld als euer Eigentum einnehmen dürfet.«

      »Wer weiß, ob es wahr ist, dass er etwas zu fordern hat,« sagte einer der Anwesenden.

      »Wenn es nicht wahr ist,« antwortete Abdias, »so habt ihr mich immer hier, und könnt mich steinigen, oder sonst mit mir tun, was euch gefällt.«

      »Das ist richtig, lasst ihn nur schreiben,« riefen andere, während das herbeigebrachte Pergament und die Tinte hingeschoben wurden.

      »Er ist so weise wie Salomo,« sagten diejenigen, welche ihn heute am meisten verschimpft und verspottet hatten.

      Und als er auf dem Pergamente eine lange Reihe aufgeschrieben, sie ihnen dargereicht, und sie alle gesagt hatten, dass sie einstweilen zufrieden sein wollen, bis er sich erholt habe und auch das andere ersetzen kann, zog er den Ring aus seinem Kaftan hervor, und sagte: »Du hast eine Milcheselin, Gaal, wenn du mir dieselbe ablassen willst, so bin ich geneigt, dir diesen Ring dafür zu geben, der einen großen Wert hat.«

      »Den Ring bist du als Ersatz schuldig, wir werden ihn dir nehmen,« riefen sogleich mehrere.

      »Wenn ihr mir den Ring nehmt,« antwortete er, »so werde ich den Mund zuschließen, und euch in Zukunft niemals mehr sagen, wo ich Geld habe, wer mir etwas schuldig ist, wo ich im Handel etwas erworben habe, und ihr werdet nie mehr etwas von mir bekommen, das euch euren Schaden vermindern könnte.«

      »Das ist wahr,« sagte einer, »lasst ihm den Ring, und, Gaal, gib ihm die Eselin dafür.«

      Den Ring hatten sie unterdessen angeschaut, und da sie erkannt hatten, dass er viel kostbarer sei, als der Preis der Eselin beträgt, sagte Gaal, er werde ihm die Eselin geben, wenn er zu dem Ringe noch ein Stück Geld hinzu legen könne.

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