Volkes gestellt, hatte sein Geschmack fürs Militair sich noch verdoppelt, und in Ermangelung jener wahren und blutigen Kämpfe, denen er eben beigewohnt hatte, machten Paraden und Revüen, diese Schein-Schlachten, seine einzige Zerstreuung aus. Im Winter oder im Sommer, sey es, daß er den Brühlschen Palast neben dem sächsischen Garten bewohnte, oder sey es, daß er im Palast Belvédère residierte, stand er um drei Uhr morgens auf, und zog seine Generals-Uniform an; kein Kammerdiener hatte ihm jemals bei seiner Toilette geholfen. Dann setzte er sich in einem Zimmer, in welchem auf jedem Felde das Kostüm eines der Regimenter der Armee abgemalt war, an einen mit Regimentslisten und Militair-Befehlen bedeckten Tisch, las die am Abende zuvor durch den Obristen Axamilowski oder von dem Polizei-Präfekten Lubowidzki überbrachten Rapporte, billigte, oder verwarf sie, und fügte aber allen irgend eine Bemerkung hinzu. Diese Arbeit beschäftigte ihn bis neun Uhr morgens; er nahm dann in der Eile ein Soldaten-Frühstück, nach welchem er auf den sächsischen Platz hinabging, wo ihn gewöhnlich zwei Regimenter Infanterie und eine Eskadron Kavallerie erwarteten, deren Musik ihn sobald er erschien mit dem von Kurpinski über das Thema: Gott segne den König! componierten Marsche begrüßte. Die Revue begann sogleich. Die Pelotons marschierten in einer gleichen Entfernung und mit einer mathematischen Genauigkeit vor dem Großfürsten, der zu Fuß sie vorübergehen sah; gewöhnlich trug er dabei die grüne Chasseur-Uniform und einen mit Hahnenfedern überladenen Hut, den er so auf den Kopf setzte, daß dessen eine Ecke seine linke Epaulette berührte, während dem die andere sich gen Himmel richtete. Unter seiner schmalen und mit tiefen Furchen, die von immerwährenden und sorgenvollen Gedanken zeugten, durchzogenen Stirn verbargen zwei lange und dichte Augenbrauen, welche das eigenthümliche Runzeln seiner Haut unregelmäßig zeichnete, seine blauen Augen fast gänzlich. Die seltsame Lebhaftigkeit seiner Blicke gaben mit seiner kleinen Nase und feiner verlängerten Unterlippe seinem Kopfe etwas befremdend wildes, der von einem außerordentlichen kurzen und von Natur nach vorn gebogenen Halse getragen auf seinen Schultern zu ruhen schien. Bei dem Tone dieser Musik, bei dem Anblicke dieser Männer, die er gebildet hatte, bei dem abgemessenen Schalle ihrer Schritte, entfaltete sich alles an ihm. Eine Art von Fieber ergriff ihn, das ihm Flammen in das Gesicht steigen ließ. Seine verkürzten Arme, deren bewegungslose und festgeschlossenen Fäuste sich krampfhaft öffneten, legten sich steif längs seinem Körper herunter, während dem daß seine Füße in einer unaufhörlichen Bewegung den Takt schlugen, und daß seine gurgelnde Stimme von Zeit zu Zeit zwischen den scharf ausgesprochenen Kommandos rauhe und gestoßene Töne hören ließ, die nichts menschliches hatten, und die abwechselnd, entweder feine Zufriedenheit ausdrückten, wenn alles nach seinem Wunsche ging, oder seinen Zorn, wenn sich etwas gegen die Disciplin ereignete. In diesem letzteren Falle waren die Züchtigungen fast immer fürchterlich, denn der geringste Fehltritt zog für den Soldaten Gefängniß, und für den Officier den Verlust seines Grades herbei. Diese Strenge beschränkte sich übrigens nicht allein auf die Menschen, sie dehnte sich auf alles, und selbst auf die Thiere aus. Eines Tages ließ er in seinem Käfig einen Affen aufhängen, der zu viel Lärm machte; ein Pferd, das einen falschen Schritt gethan, weil er ihm einen Augenblick den Zügel gelassen, empfing Tausend Stockschläge, endlich ein Hund, der ihn in der Nacht durch sein Heulen erweckt hatte, wurde erschossen.
Was seine gute Laune anbelangt, so war sie nicht minder wild, als fein Zorn. Dann beugte er sich, indem er in Lachen ausbrach, rieb sich lustig die Hände, und stampfte abwechselnd den Boden mit seinen beiden Füßen. In diesem Augenblicke eilte er auf das erste beste Kind zu, drehete und wandte es nach allen Seiten, ließ sich von ihm küssen, kniff es in die Wangen, zwickte es bei der Nase, und endlich schickte er es fort, indem er ihm ein Goldstück in die Hand drückte. Dann hatte er auch noch andere Stunden, die weder Stunden der Freude, noch Stunden des Zornes waren, sondern Stunden einer gänzlichen Hinfälligkeit und tiefer Schwermuth; dann, schwach wie ein Weib, stieß er Seufzer aus und wand sich auf seinen Divans und auf seinen Fußböden. Niemand wagte sich dann ihm zu nähern, nur öffnete man in diesen Augenblicken seine Fenster und seine Thür, und eine blonde und bleiche Frau von schlankem Wuchs, gewöhnlich in ein weißes Gewand mit blankem Gürtel gekleidet, trat gleich einer Erscheinung herein. Bei diesem Anblicke, der auf den Großfürsten einen magischen Einfluß hatte, brach sein Nervenreiz aus, seine Seufzer wurden Schluchzen, und er vergoß reichliche Thränen. Dann war die Krisis vorüber; die Frau hatte sich neben ihn gesetzt, er legte sein Haupt auf ihre Kniee, schlief ein, und erwachte wieder geheilt.
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