Langot wurde also niemals geliebt und liebte nie.
Was die Schauspiele betraf, so war es damit, wie mit der Liebe, und Thomas Langot sah nur diejenigen, welche die Volksfeste, der Assienhof und die Barriere Saint-Jacques gewährten.
Die Energie, womit er zu einem einzigen Ziele hinstrebte, gab ihm die Kraft, dieses klösterliche Dasein inmitten von Versuchungen aller Art zu führen, und die Vergnügungen des modernen Babylon glitten, ohne ihn zu berühren, von dieser rauhen normännischen Rinde ab.
Eines Tages zählte er seinen Schatz, fand ihn genügend, lächelte seine Thaler an, packte ein und kehrte ebenso öconomisch, wie er gekommen war, in seine Provinz zurück.
Er besaß 15 000 Franken.
Er hütete sich wohl, einen triumphierenden Einzug in Maisy zu halten, wo er seine Wohnung aufzuschlagen beabsichtigte.
Nein, er kehrte am Abend, ohne Geräusch in Kleidern zurück, wozu er keine Käufer hatte finden können, und ging, um sich Gastfreundschaft bei einem seiner Brüder zu erbitten, der zugleich Sakristan und Diener des Pfarrers war.
Der Sacristan bat um gastfreundliche Aufnahme auf zwei oder drei Tage für Thomas Langot.
Der Pfarrer bewilligte dieselbe.
Während dieser drei Tage theilte Thomas Langot den bescheidenen Abhub des Pfarres mit seinem Bruder.
Kurz, es waren drei Tage, in welchen er keinen Heller ausgegeben hatte.
Seine Rückkehr war so unbemerkt geschehen, daß nur zwei oder drei Gevatterinnen in Form des Ausrufs und um ihre Unterhaltung wieder fortzusetzen, sagten: »Wissen Sie, Jeanne, wissen Sie, Javotte, Thomas Langot von Saint-Pierre-du-Mont, den man Säbelbein nannte, ist zurückgekehrt.«
Thomas Langot’s Eltern waren eben gestorben.
Um einen Brüdern und Schwestern, die ihn für reich halten konnten, den Gedanken zu benehmen, den geringsten Beistand von ihm zu verlangen, zeigte er sich hart, habgierig und vielfordernd bei der Theilung der wenigen Fischergeräthe, welche den ganzen Nachlaß des Verstorbenen bildeten – so hart, so habgierig, so vielfordernd, daß er sich mit seinem Bruder, dem Sacristan, mit dem er das Zimmer theilte, entzweite.
So sah er sich auf die freie Straße gesetzt.
Darauf ging er zu Jean Montplet und bat ihn, in irgend einem Winkel seiner Meyerei schlafen zu dürfen; dann fragte er ihn, ob er ihm nicht auf einige Tage irgend eine Arbeit für seinen Unterhalt geben könne.
Jean Montplet, welcher Thomas Langot für noch ein Wenig ärmer hielt, als Hiob, antwortete ihm, wenn es nur auf einige Tage wäre, könne er entweder in der Scheune oder in der leeren Hütte des Schäfers schlafen.
Die täglichen Mahlzeiten könne er ohne irgend eine Arbeit mit den Pflügern und den Hirten einnehmen.
Welche Arbeit konnte man von dem armen Säbelbein verlangen? Thomas Langot blieb vierzehn Tage in der Meyerei.
Nach Verlauf von vierzehn Tagen dankte er Jean Montplet und kündigte ihm an, daß er eben einen kleinen Vorrath von Materialwaaren erstanden habe, und bat ihn um seine Kundschaft.
Jean Montplet versprach sie ihm.
Säbelbein überhäufte ihn mit Segenswünschen und Danksagungen und entfernte sich rückwärts schreitend.
Er hatte in der That für sechshundert Franken, in drei Raten je nach sechs Monaten zahlbar, einen kleinen Vorrath von Materialwaaren von einer armen Wittwe gekauft, die von dem kleinen Vorrathe nicht leben konnte, und die sich in den Ruhestand setzen wollte.
In dem Augenblicke, als Thomas Langot die erste Zahlung zu machen hatte, erbot er sich, alle drei auf einmal zu leisten, wenn die Wittwe sich einen Abzug von fünfzig Franken gefallen lassen wolle.
Die Wittwe, die das Land verlassen wollte, nahm dies an, so daß der Vorrath von Materialwaaren Thomas Langot in der That nur 550 Franken kostete.
Aber die Wohnung der Wittwe war zu theuer für ihn.
Er miethete auf dem Platze von Maisy, der Kirche gegenüber, ein schmutziges und verfallenes Haus, wovon er die Reparaturen, deren es bedurfte, selber besorgte.
Nach und nach vergrößerte er seinen Geschäftskreis, indem er bei diesem Wachsthum die äußerste Geduld anwendete.
Endlich, wieder nach zehn Jahren, hatte er jede Concurrenz vernichtet.
Der enge und bescheidene Laden war ein Magazin geworden, worin sich Alles befand, was die Bewohner des Landes fordern konnten: Baumwollenzeuge und Pflugscharen, Lebkuchen und Theer, eiserne Oefen und Rosenkränze.
Da ein Handel bei Weitem nicht das Capital, welches er besaß in Anspruch nahm, so stürzte sich Thomas Langot in jene Art der Speculation, wo die Schaam des Borgens gewöhnlich für die Verschwiegenheit des Borgers einsteht, und so begann er außer einem gesetzmäßigen und offenkundigen Handel ein kleines verborgenes Wuchergeschäft, wobei er zugleich wenig zu wagen und viel zu gewinnen wußte.
Uebrigens waren eine Kenntnisse von Proceßsachen sehr beschränkt.
Er wollte nur von Wiederkäufen hören, die ihm ein sicheres Pfand in die Hände gaben, welches einen dreimal größeren Werth hatte, als die vorgestreckte Summe.
Zum Beispiel, ein Bauer besaß einen Acker, der zu 1500 Franken geschätzt wurde; Thomas Langot borgte fünfhundert Franken darauf und legte zum Voraus seine Klaue auf das Feld.
Wenn der Bauer an dem bestimmten Termine zahlte, nahm Thomas Langot sein Geld mit Zinsen zurück und gab den Acker brummend wie ein Hund, dem man einen Knochen entreißt, wieder heraus.
Wenn der Bauer nicht an dem bestimmten Tage, zu der festgesetzten Stunde und Minute zahlte, packte Thomas Langot die Beute mit seiner Klaue und zog sie nach sich.
Ein zweites Beispiel.
Ein Fischer wollte vom einfachen Matrosen Schiffsbesitzer werden. Thomas Langot liebte die Ehrgeizigen und war immer geneigt, ihnen zu Hilfe zu kommen. Thomas Langot kaufte eine Barke und ließ sich als Sicherheit die Ersparnisse des Fischers auszahlen; dann vertraute er diese Barke dem Fischer unter der Bedingung an, daß der Rest des Kaufgeldes der erwähnten Barke in gleichen Raten und zu bestimmten Zeiten ausgezahlt werde.
Wenn eine Zahlung ausblieb, fiel ihm die Barke wieder zu und er erstattete die früheren Zahlungen nicht zurück. So brachte diese wurmstichige und ausgeflickte Nußschale ihrem Besitzer so viel ein, daß er einen hübschen Dreimaster davon hätte erbauen können.
So reich er, im Gegensatze zu Jean Montplet geworden, war Thomas Langot nicht glücklicher.
Das Glück der Anderen ärgerte ihn, so wie auch die Achtung, die damit verbunden ist, wenn man sein Vermögen auf rechtliche Weise erworben hat.
Er war besonders neidisch auf den Besitzer der Meyerei, dem er nicht verzeihen konnte, daß er ihm als Almosen auf vierzehn Tage Logis und Unterhalt gegeben, und er kam nie an dem Meyerhofe vorüber, ohne einen Blick der gehässigen Habsucht auf diese schönen Felder zu werfen, die von langen und vollen Aehren strotzten.
Er seufzte immer wenn er die Apfelbäume betrachtete, die sich unter der Last ihrer Früchte beugten, und er weinte, wenn er das Gras sah, welches dicht und üppig auf den Wiesen wuchs, wo Kühe und Ochsen weideten, von welchen man nur den Oberkörper, die harmlosen Hörner und die großen sinnenden und erstaunten Augen sah.
Und wohl zehnmal den Kopf umwendend, wenn er sich von diesem Eden entfernte, fragte er sich, warum dies Alles Jean Montplet und nicht ihm gehöre, und es schien ihm, als wären diese schönen Aecker, dieses große Landgut, dieses glänzendere Rindvieh die Frucht eines Diebstahls, wovon er, Thomas Langot, das Opfer sei.
Nun hatte Säbelbein, wie man ihn nannte – man entschuldige uns, wenn dieser Name zuweilen unserer Feder entschlüpft – nun hatte Säbelbein, sagen wir, auf bewunderungswürdige Weise vorhergesehen, wie Alain’s leichter Character, wie die schlechte Erziehung, die er erhalten, wie die unregelmäßige Aufführung, welche die Folge davon gewesen, der Erfüllung seiner Wünsche günstig sein könne.
Ungeachtet der geringen Sympathie, die zwischen zwei faunähnlichen Wesen existieren