wie Feige.«
»Herr!«
»Hundert Kriegsmänner sind, das Schwert in der Hand, bei einem Ueberfall so viel werth, als zehntausend Bogenschützen. Wo ist Menneville, dieser Prahler, dieser Großsprecher, der sterben oder als Sieger zurückkehren sollte?«
»Herr, er hat sein Wort gehalten. Er ist todt.«
»Todt! wer hat ihn getödtet?«
»Ein als Mensch verkleideter Teufel, ein mit zehn flammenden Schwertern bewaffneter Riese, ein Wüthender, der mit einem einzigen Schlag das Feuer, den Aufruhr gelöscht und hundert Musketiere aus dem Pflaster der Grève hervorspringen gemacht hat.«
Fouquet erhob seine ganz von Schweiß triefende Stirne und murmelte:
»Oh! Lyodot, d’Emeris! todt! todt! todt! und ich entehrt!«
Der Abbé wandte sich um und sprach, als er seinen niedergeschmetterten, leichenbleichen Bruder erblickte:
»Ruhig! ruhig! das ist ein Schlag des Schicksals, Herr, und Ihr müßt nicht so klagen. Da man es nicht zu Stande bringen konnte, so wollte Gott . . . «
»Schweigt, Abbé! schweigt!« rief Fouquet, »Eure Entschuldigungen sind Blasphemien. Laßt diesen Mann heraufkommen und die einzelnen Umstände des furchtbaren Ereignisses erzählen.«
»Aber, mein Bruder . . . «
»Gehorcht, mein Herr.«
Der Abbé machte ein Zeichen, und eine halbe Minute nachher hörte man die Tritte des Mannes auf der Treppe.
Zu gleicher Zeit erschien hinter Fouquet Gourville, dem Schutzengel des Intendanten ähnlich, und legte einen Finger auf seine Lippen, um ihn zu ermahnen, er möge sich auch unter den Aufwallungen seines Schmerzes in Acht nehmen.
Der Minister nahm wieder die ganze Heiterkeit au, welche die menschlichen Kräfte zur Verfügung eines durch den Schmerz halb gebrochenen Herzens lassen können.
Danicamp erschien.
»Macht Eure Meldung,« sagte Gourville.
»Herr,« antwortete der Bote, »wir hatten Befehl erhalten, die Gefangenen zu entführen und während der Entführung: Es lebe Colbert! zu rufen.«
»Um sie lebendig zu verbrennen, nicht wahr. Abbé?« unterbrach Gourville.
»Ja! ja! man hatte Menneville den Befehl gegeben. Menneville wußte, was zu thun war, und Menneville ist todt.«
Diese Nachricht schien Gourville zu beruhigen, statt ihn zu betrüben.
»Um sie lebendig zu verbrennen,« wiederholte der Bote, als bezweifelte er die Aechtheit dieses Befehls, obgleich es der einzige war, den man ihm gegeben.
»Gewiß, um sie lebendig zu verbrennen,« sagte der Abbé mit barschem Ton.
»Einverstanden, mein Heer, einverstanden,« sprach der Mann, indem er mit den Augen auf dem Gesichte von Gourville und vom Abbé suchte, was es Trauriges oder Vortheilhaftes für ihn haben dürfte, wenn er der Wahrheit gemäß erzählen würde.
»Sprecht nun,« sagte Gourville.
»Die Gefangenen,« fuhr Danicamp fort, »sollten also nach der Grève gebracht werden, und das wüthende Volk wollte, daß man sie verbrenne, statt sie zu henken.«
»Das Volk hatte Recht,« sagte der Abbé; »fahrt fort.«
»Aber,« erzählte der Mann, »in dem Augenblick, wo die Bogenschützen zurückgedrängt worden waren, wo das Feuer in einem Hause des Platzes fing, das als Scheiterhaufen für die Schuldigen zu dienen bestimmt war, warf ein Wüthender, jener Dämon, jener Riese, von dem ich sprach, und der der Eigenthümer des fraglichen Hauses, wie ich höre, war, unterstützt von einem jungen Mann, der ihn begleitete, die Leute, welche das Feuer belebten, aus dem Fenster, rief die Musketiere zu Hilfe, die sich unter der Menge befanden, sprang selbst aus dem ersten Stock auf den Platz, und spielte so verzweiflungsvoll mit dem Degen, daß der Sieg den Bogenschützen wieder verliehen, die Gefangenen uns wieder entrissen wurden, und daß Menneville den Tod sand. Sobald die Anderen die Verurtheilten wieder genommen hatten, waren sie in drei Minuten hingerichtet.«
Fouquet ließ trotz seiner Selbstbeherrschung unwillkührlich einen dumpfen Seufzer entschlüpfen.
»Und dieser Mensch, der Eigenthümer des Hauses, wie heißt er?« fragte der Abbé.
»Ich vermag es Euch nicht zu sagen, da ich ihn nicht gesehen; mein Posten war mir im Garten angewiesen, und ich blieb an meinem Posten; man hat mir die Geschichte nur erzählt. Es wurde mir befohlen, sobald die Sache vorüber wäre, Euch in aller Eile zu melden, wie sie geendigt. Nach dem Befehl jagte ich im Galopp fort, und hier bin ich.«
»Sehr gut, mein Herr, wir haben nichts Anderes von Euch zu verlangen,« sagte der Abbé immer mehr niedergebeugt, je mehr der Augenblick herannahte, wo er mit seinem Bruder allein sein sollte.
»Man hat Euch bezahlt?« fragte Gourville.
»Ich habe eine Abschlagszahlung erhalten,« antwortete Danicamp.
»Hier sind zwanzig Pistolen, geht, mein Herr, und vergeßt nicht, wie diesmal so immer die wahren Interessen des Königs zu vertheidigen.«
»Ja, Herr,« sprach der Bote.
Und er steckte, das Geld in die Tasche, verbeugte sich und ging ab.
Kaum war er außen, als Fouquet, der unbeweglich geblieben, mit raschem Schritt vortrat und dem Abbé und Gourville gegenüberstand.
Beide öffneten zu gleicher Zeit den Mund, um zu sprechen.
»Keine Entschuldigungen!« sagte Fouquet, »keine Vorwürfe gegen irgend Jemand . . . wäre ich nicht ein falscher Freund gewesen, so hätte ich Niemand die Sorge, Lyodot und d’Emeris zu retten, anvertraut. Ich allein bin der Schuldige, mir allein gebühren die Vorwürfe und die Gewissensbisse. Laßt mich, Abbé.«
»Aber, mein Herr,« entgegnete dieser, »Ihr werdet mich nicht abhalten, daß ich den Elenden suchen lasse, der sich für den Dienst von Herrn Colbert in diese so gut vorbereitete Partie gemischt hat; denn wenn es eine gute Politik ist, seine Freunde sehr zu lieben, so ist offenbar diejenige keine schlechte, welche darin besteht, daß man seine Feinde mit aller Erbitterung verfolgt.«
»Laßt die Politikchen, Abbé, geht, ich bitte Euch, und daß ich bis auf neuen Befehl nicht mehr von Euch sprechen höre; mir scheint, wir bedürfen ungemein des Stillschweigens und der Umsicht. Ihr habt ein furchtbares Beispiel vor Euch. Keine Repressalien, mein Herr, ich verbiete es Euch.«
»Es gibt keine Befehle, die mich verhindern, die Schmach, die man meiner Familie angethan, an dem Schuldigen zu rächen.«
»Und ich,« rief Fouquet mit jener gebieterischen Stimme, bei der man fühlt, daß sich nichts erwiedern läßt, »und ich erkläre Euch, daß ich Euch, wenn Ihr einen einzigen Gedanken habt, der nicht der entschiedene Ausdruck meines Willens ist, zwei Stunden, nachdem dieser Gedanke sich kundgegeben, in die Bastille werfen lasse. Richtet Euch darnach, Abbé.«
Der Abbé verbeugte sich erröthend.
Fouquet hieß Gourville durch ein Zeichen ihm folgen, und schon wandte er sich nach seinem Cabinet, als der Huissier mit lauter Stimme meldete:
»Der Herr Chevalier d’Artagnan.«
»Wer ist das?« fragte Fouquet mit gleichgültigem Tone Gourville.
»Ein ehemaliger Lieutenant der Musketiere Seiner Majestät,« antwortete Gourville mit demselben Ton.
Fouquet nahm sich nicht einmal die Mühe, nachzudenken, und ging weiter.
»Verzeiht, Monseigneur!« sagte nun Gourville, »es fällt mir ein, dieser brave Bursche hat den Dienst des Königs verlassen, und kommt ohne Zweifel, um das Quartal von irgend einer Pension zu erheben.«
»Zum Teufel! erwiederte Fouquet, »warum wählt er seine Zeit so schlecht!«
»Erlaubt, Monseigneur, daß ich ihm ein Wort der Weigerung sage, denn er ist einer meiner Bekannten, und es ist ein Mann, den man unter den Umständen, in welchen wir uns befinden,