Александр Дюма

Der Graf von Bragelonne


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Brief überschicken war leicht; ihn nach der Mittheilung wiederzubekommen, darin lag die Schwierigkeit. Letellier schaute umher, und als er den schwarzen, mageren Commis erblickte, der mit gefalteter Stirne m seiner Kanzlei kritzelte, zog er ihn dem besten Gendarme zur Ausführung seines Planes vor.

      Colbert sollte nach Sedan mit dem Befehl abreisen, den Brief Mazarin mitzutheilen und dann Letellier zurückzubringen.

      Er hörte den Befehl, den man ihm ertheilte, mit ängstlicher Aufmerksamkeit an, ließ sich den Inhalt zweimal wiederholen und erkundigte sich auf das Genauste, ob das Zurückbringen ebenso nothwendig sei, als das Mittheilen.

      »Nothwendiger,« antwortete Letellier.

      Dann brach er auf, reiste wie ein Courier, ohne Rücksicht auf seinen Körper, und übergab Mazarin zuerst ein Schreiben von Letellier, das ihm die Uebersendung des kostbaren Briefes ankündigte, und dann diesen Brief selbst.

      Mazarin erröthete sehr, als er den Brief von Anna von Oesterreich las, lächelte Colbert freundlich zu und entließ ihn.

      »Wann erhalte ich die Antwort, Monseigneur?« fragte demüthig der Courier.

      »Morgen.«

      »Morgen früh?«

      »Ja, mein Herr.«

      Der Courier versuchte seinen tiefsten Bückling und wandte sich auf den Absätzen um.

      Am andern Morgen war er schon um sieben Uhr auf seinem Posten, Mazarin ließ ihn bis um zehn Uhr warten. Colbert verzog im Vorzimmer keine Miene: als die Reihe an ihn kam, trat er ein.

      Mazarin übergab ihm ein versiegeltes Päckchen: auf dem Umschlag desselben standen die Worte geschrieben: »An Herrn Michel Letellier.« u. s. w.

      Colbert schaute das Päckchen mit großer Aufmerksamkeit an: der Cardinal machte ihm ein freundliches Gesicht und schob ihn nach der Thüre.

      »Und der Brief der Königin Mutter, Monseigneur?« fragte Colbert.

      »Er ist beim Uebrigen in dem Päckchen,« erwiederte Mazarin.

      »Ah! sehr gut,« sagte Colbert, und er drückte seinen Hut zwischen seine Kniee, und fing an das Päckchen zu entsiegeln.

      Mazarin stieß einen Schrei aus.

      »Was macht Ihr denn da?« sagte er mit grobem Ton.

      »Ich entsiegle das Paquet, Monseigneur.«

      »Ihr mißtraut mir, Herr Schulfuchs? Hat man je eine solche Unverschämtheit gesehen?«

      »Oh! Monseigneur, wertet nicht ärgerlich gegen mich! Gott soll mich behüten, daß ich das Wort Eurer Eminenz in Zweifel ziehe!«

      »Was denn?«

      »Die Pünktlichkeit Eurer Kanzlei, Monseigneur. Was ist ein Brief? Ein Fetzen. Kann ein Fetzen nicht vermessen werden? . . . Und seht, Monseigneur, seht, ob ich Unrecht hatte! . . . Eure Commis haben den Fetzen vergessen: der Brief findet sich nicht in dem Päckchen.«

      »Ihr seid ein frecher Bursche und habt nichts gesehen!« rief Mazarin zornig; »entfernt Euch, und wartet auf mein weiteres Belieben!«

      Während er diese Worte mit einer ganz italienischen Spitzfindigkeit sagte, entriß er das Päckchen den Händen von Colbert und kehrte in seine inneren Gemächer zurück.

      Doch dieser Zorn konnte nur so lange dauern, bis ein kälteres Urtheil an seine Stelle trat.

      Jeden Morgen, wenn Mazarin die Thüre seines Cabinets öffnete, fand er das Gesicht von Colbert als Schildwache im Vorzimmer, und dieses unangenehme Gesicht bat ihn demüthig, aber beharrlich um den Brief der Königin Mutter.

      Mazarin konnte nicht dagegen Stand halten und mußte den Brief zurückgeben. Er begleitete diese Wiedererstattung mit einer sehr harten Strafpredigt, während welcher Colbert sich nur damit beschäftigte, daß er das Papier, die Charaktere und die Unterschrift prüfend beschaute, abwog und sogar beroch, nicht mehr und nicht minder, als hätte er es mit dem letzten Fälscher des Königreichs zu thun gehabt. Mazarin ließ ihn noch härter an, doch Colbert ging, als er die Gewißheit erlangt hatte, daß es der ächte Brief war, unempfindlich und wie mit Taubheit geschlagen, weg. Dieses Benehmen trug ihm später den Posten von Joubert ein, denn statt einen Groll gegen ihn zu hegen, bewunderte ihn Mazarin und wünschte eine solche Treue für sich zu gewinnen.

      Man ersteht aus dieser Geschichte allein, wie der Geist von Colbert beschaffen war. Allmälig sich entrollend, werden die Ereignisse alle Federn dieses Geistes frei arbeiten lassen.

      Colbert brauchte nicht lange, um sich beim Cardinal in Gunst zu bringen: er wurde ihm sogar unentbehrlich. Der Commis kannte alle seine Rechnungen, ohne daß der Cardinal je mit ihm davon sprach. Dieses Geheimniß, das nur sie Beide theilten, war ein mächtiges Band, und deshalb wollte Mazarin, im Begriff, vor dem Herrn einer andern Welt zu erscheinen, den Rath von Colbert benützen, um über das Gut zu verfügen, das er auf dieser Welt zurückzulassen genöthigt war.

      Nach dem Besuche von Guénaud rief er also Colbert zu sich und sagte zu ihm:

      »Laßt uns mit einander sprechen, Herr Colbert, und zwar ernsthaft, denn ich bin krank, und es könnte sein, daß ich sterben würde.«

      »Der Mensch ist sterblich,« erwiederte Colbert.

      »Stets habe ich mich dessen erinnert, Herr Colbert, und ich habe auch in dieser Voraussicht gearbeitet . . . Ihr wißt, daß ich ein wenig Vermögen gesammelt . . . «

      »Ich weiß es, Monseigneur.«

      »Wie hoch schätzt Ihr ungefähr dieses Vermögen, Herr Colbert?« ,,

      »Auf vierzig Millionen fünfmalhundert und sechzigtausend, zweihundert Livres, neun Sous und acht Deniers,« antwortete Colbert.

      Der Cardinal stieß einen schweren Seufzer aus und schaute Colbert mit Bewunderung an; doch er erlaubte sich ein Lächeln.

      »Bekanntes Geld,« fügte Colbert als Erwiederung auf dieses Lächeln bei.

      Der Cardinal zuckte in seinem Bette auf und fragte rasch:

      »Was versteht Ihr hierunter?«

      »Ich versteh« hierunter, daß es außer diesen vierzig Millionen, fünfmalhundert und sechzigtausend, zweihundert Limes, neun Sous und acht Deniers noch dreizehn weitere Millionen gibt, die man nicht kennt.«

      »Uf!« seufzte Mazarin, »welch ein Mensch!«

      In diesem Augenblick erschien der Kopf von Bernouin im Thürrahmen.

      »Was gibt es? und warum stört Ihr mich?« fragte Mazarin.

      »Der Pater Theatiner, der Gewissensrath Seiner Eminenz, ist auf diesen Abend berufen worden, er könnte erst übermorgen Monseigneur wieder besuchen.«

      Mazarin schaute Colbert an; dieser nahm sogleich seinen Hut und sagte:

      »Ich werde wieder kommen, Monseigneur.«

      Mazarin zögerte.

      »Nein, nein,« rief er, »ich habe ebenso viel mit Euch, als mit ihm zu thun. Ueberdies seid Ihr mein anderer Beichtiger, und was ich dem einen sage, kann auch der andere hören. Bleibt, Colbert.«

      »Aber wird der Gewissensrath einwilligen, Monseigneur, wenn die Pönitenz kein Geheimniß ist?«

      »Kümmert Euch nicht darum, tretet in den Bettgang.«

      »Ich kann außen warten, Monseigneur.«

      »Nein, nein, es ist besser, wenn Ihr die Beichte eines redlichen Mannes hört.«

      Colbert verbeugte sich und trat in den Bettgang.

      »Führt den Vater Theatiner ein,« sprach Mazarin und schloß die Vorhänge.

       V.

      Beichte eines redlichen Mannes

      Der Theatiner trat bedächtig ein, ohne sich zu sehr über die geräuschvolle Bewegung zu wundern, welche die Besorgnisse über die Gesundheit des Cardinals im Hause veranlaßt hatten.

      »Kommt,