Александр Дюма

Der Graf von Monte Christo


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Vorzimmers zu schließen, schloß auch die des Schlafzimmers, kam dann zurück und reichte Villefort die Hand, der alle seine Bewegungen mit einem Erstaunen verfolgt hatte, von welchem er sich noch nicht erholen konnte.

      »Ei! weißt Du wohl. mein lieber Gérard, sagte er, den jungen Mann mit einem Lächeln anschauend dessen Ausdruck schwer zu erklären war, »weißt Du, daß Du nicht aussiehst. als wärest Du entzückt. mich zu sehen?«

      »Doch. mein Vater.« sprach Villefort. »aber ich gestehe, ich war so weit entfernt, Ihren Besuch zu erwarten, daß er mich einigermaßen betäubte.«

      »Mein lieber Freund,« sprach Noirtier sich setzend, »Es scheint mir, ich könnte Dir dasselbe sagen. Wie? Du kündigst mir Deine Verlobung in Marseille auf den 28. Februar an, und bist am 3. März in Paris.«

      »Wenn ich hier bin, mein Vater,« erwiderte Gérard, sich Herrn Noirtier nähernd. »so beklagen Sie sich nicht darüber, denn ich bin Ihretwegen hierher gekommen, und diese Reise rettet Sie vielleicht.«

      »Ah. Wirklich!« sprach Herr Noirtier. sich nachlässig in dem Lehnstuhle ausstreckend, in den er sich gesetzt hatte, »wirklich! Erzählen Sie mir das doch ein wenig, mein Herr Beamter . . . es muß seltsam sein!«

      »Mein Vater, Sie haben von einem gewissen bonapartistischen Clubb sprechen hören, welcher in der Rue Saint-Jacques gehalten wird?«

      »Nro, 53, Ja. ich bin Vicepräsident desselben.«

      »Mein Vater, Ihre.Kaltblütigkeit macht mich schaudern.«

      »Was willst Du, mein Lieber? wenn man von den Montagnards3 geächtet worden ist, wenn man Paris in einem Heuwagen verlassen hat und in den Heiden von Bordeaux von den Spürhunden von Robespierre umstellt wurde, gewöhnt man sich an allerlei Dinge. Fahre fort. Was ist in dem Clubb der Rue Saint-Jacques vorgefallen?«

      »Es fiel vor, daß man den General Quesnel kommen ließ, und daß der General Quesnel. welcher um neun Uhr Abends sein Haus verließ, am zweiten Tage nachher in der Seine gefunden wurde.«

      »Und wer hat Dir diese schöne Geschichte erzählt?«

      »Der.König selbst.«

      »Nun wohl, im Austausch für Deine Geschichte will ich Die eine Neuigkeit mitteilen.«

      »Mein Vater, ich glaube bereits zu wissen, was Sie mir mitteilen wollen.«

      »Ab! Du weißt die Landung Seiner Majestät des Kaisers?«

      »Stille, mein Vater, ich bitte, einmal für Sie, und dann für mich. Ja, ich wußte diese Neuigkeit und sogar vor Ihnen; denn seit drei Tagen jage ich mit Postpferden von Marseille nach Paris, wütend, nicht den Gedanken, der mir das Hirn zermartert, zweihundert Meilen vorausschleudern zu können.«

      »Seit drei Tagen! bist Du ein Narr? Vor drei Tagen war der Kaiser noch nicht gelandet.«

      »Gleichviel, ich kannte seinen Plan.«

      »Woher?««

      »Durch einen Brief, der von der Insel Elba an Sie gerichtet war.«

      »An mich?«

      »An Sie, ich habe ihn im Portefeuille des Boten erwischt. Wenn dieser Brief in die Hände eines Andern gefallen wäre, dürften Sie jetzt vielleicht bereits erschossen sein.«

      Der Vater von Villefort brach in ein Gelächter aus und erwiderte:

      »Es scheint, die Restauration hat von dem.Kaiserreiche die Art und Weise gelernt, wie man die Angelegenheiten schnell abmacht. Erschossen, mein Lieber! wie rasch Du zu Werke gehst! Und dieser Brief; wo ist er? Ich kenne Dich zu genau, um zu befürchten, Du habest ihn liegen lassen.«

      »Ich habe ihn verbrannt; damit kein Bruchstück von demselben zurückbleibe, denn dieser Brief war Ihre Verurteilung.«

      »Und der Verlust Deiner Zukunft,« erwiderte Noirtier kalt; ja, ich begreife dies; aber ich habe nichts zu befürchten, da Du mich beschützest.«

      »Ich thue noch mehr, als dies, ich rette Sie.«

      »Ah! Teufel, das wird immer dramatischer; erkläre Dich doch.«

      »Mein Vater, ich komme auf den Clubb der Rue Saint-Jacques zurück.«

      »Es scheint; dieser Clubb liegt den Herren von der Polizei sehr am Herzen. Warum suchten sie nicht besser? sie hätten ihn gefunden.«

      »Sie haben ihn nicht gefunden, sind ihm aber auf der Spur.«

      »Das ist das geheiligte Wort, ich weiß es. Wenn die Polizei einen Fehler gemacht hat, sagt sie, sie sei der Sache auf der Spur, und die Regierung wartet ruhig den Tag ab, wo sie erscheint und mit gesenktem Ohre meldet, sie habe die Spur verloren.«

      »Ja, doch man hat einen Leichnam gefunden; der General ist getötet worden, und in allen Ländern der Welt nennt man das einen Mord.«

      »Einen Mord sagst Du? Nichts beweist, daß der General das Opfer eines Mordes geworden ist. Man findet täglich Leute in der Seine, die sich aus Verzweiflung hineingestürzt haben oder ertrunken sind, weil sie nicht schwimmen konnten.«

      »Mein Vater, Sie wissen sehr wohl, daß sich der General nicht aus Verzweiflung ertränkt hat, und daß man sich um diese Jahreszeit nicht in der Seine badet. Nein, nein, täuschen Sie sich nicht, dieser Tod ist mit Recht als Mord bezeichnet worden.«

      »Und wer bat ihn so bezeichnet?«

      »Der König selbst.«

      »Der König! Ich glaubte, er besitze hinreichend Philosophie, um zu verstehen, daß es in der Politik keinen Mord gibt. In der Politik, mein Lieber, das weißt Du so gut wie ich, gibt es keine Menschen, sondern Ideen, keine Gefühle, sondern Interessen. Man tötet nicht einen Menschen, sondern man beseitigt ganz einfach ein Hinderniß. Willst Du wissen, wie sich die Sache verhält? Nun, ich werde es Dir sagen. Man glaubte auf den General Quesnel zählen zu können; man hatte ihn uns von der Insel Elba aus empfohlen; einer von uns geht zu ihm, ladet ihn ein, sich in die Rue Saint-Jacques zu einer Versammlung zu begeben, wo er Freunde finden werde. Er kommt dahin, und man entwickelt ihm den ganzen Plan, die Abreise von der Insel Elba, die beabsichtigte Landung. Nachdem er Alles gehört, Alles begriffen hat und nichts mehr ihm mitzuteilen übrig bleibt, erklärt er, er sei ein Royalist. Da schauten sich Alle an; man läßt ihn einen Eid leisten, er leistet ihn, aber auf eine so unangenehme Weise, daß auf diese Art schwören, Gott versuchen heißt. Dessen ungeachtet ließ man den General frei, vollkommen frei weggehen. Er ist nicht nach Hause zurückgekehrt. Was willst Du, mein Lieber? Quesnel ist von uns weggegangen, er wird sich auf dem Wege verirrt haben, das ist das Ganze. Ein Mord! in der Tat, das setzt mich in Erstaunen, Villefort, Du, der Substitut des Staatsanwaltes, willst eine Anklage auf so elende Beweise bauen! Ist es mir je eingefallen, wenn Du Dein Royalistenhandwerk treibst und einem von meinen Freunden den.Kopf abschneiden lässest, Dir zu sagen: Mein Sohn, Du hast einen Mord begangen! Nein, ich sage Dir: Sie haben siegreich gekämpft, mein Herr, morgen die Wiedervergeltung.«

      »Aber, mein Vater, seien Sie auf Ihrer Hut, die Wiedervergeltung wird furchtbar sein, wenn wir sie nehmen.«

      »Ich verstehe Dich nicht.«

      »Sie zählen auf die Rückkehr des Usurpators?«

      »Allerdings.«

      »Sie tauschen sich, mein Vater, er wird nicht sechs Meilen im Innern von Frankreich machen, ohne verfolgt, umstellt, wie ein wildes Tier eingefangen zu werden.«

      »Mein lieber Freund, der Kaiser befindet sich in diesem Augenblick auf dem Wege nach Grenoble; am 10. oder 12. ist er in Lyon, am 20. oder 25. in Paris.«

      »Die Bevölkerung wird sich erheben . . . «

      »Um ihm entgegenzugehen.«

      »Er hat nur ein paar Mann bei sich, und man wird Heere gegen ihn schicken.«

      »Die seine Escorte bei der Rückkehr in die Hauptstadt bilden werden. In der Tat, mein lieber Gérard, Du bist noch ein wahres Kind; Du glaubst Dich gut unterrichtet, weil Dir ein Telegraph drei Tage nach der Landung gesagt hat: »»Der Usurpator ist in Cannes mit ein paar Mann gelandet; man ist in seiner Verfolgung begriffen.««