sprach Morrel, »wenn dies der Fall wäre, so müßte man an ein Wunder des Himmels glauben! Unmöglich! Unmöglich!«
Was aber wirklich war und nicht minder unglaublich erschien, das war die Börse, die er in der Hand hielt, das war der quittierte Wechsel, das war der prachtvolle Diamant.
»Ah! mein Herr,« sprach Cocles, »was soll das bedeuten, der P h a r a o n?«
»Auf, meine Kinder,« sagte Morrel sich erhebend, wir wollen sehen, und Gott sei uns barmherzig, wenn es eine falsche Nachricht ist.«
Sie gingen hinab; mitten auf der Treppe wartete Madame Morrel: die arme Frau hatte es nicht gewagt, hinaufzugehen. In einem Augenblick befanden sie sich auf der Caunebière. Es war eine Menge von Menschen versammelt. Alles Volk gab Raum vor Morrel.
»Der Pharaon! der Pharaon!« riefen alle diese Stimmen.
Wunderbar. unerhört! ein Schiff, an dessen Vorderteil in weißen Buchstaben die Worte: »Der Pharaon Morrel und Sohn von Marseille,« geschrieben waren, und das ganz die Gestalt des Pharaon hatte und wie dieser mit Indigo und Cochenille beladen war, ging in der Tat vor dem Saint-Jean Thurme vor Anker und geite seine Segel auf. Auf dem Verdecke gab der Kapiteln Gaumard seine Befehle, und Meister Penelon machte Herrn Morrel Zeichen. Es ließ sich nicht mehr zweifeln, das Zeugniß der Sinne war da, und zehntausend Menschen unterstützten diesen Beweis. Als Morrel und sein Sohn auf dem Hafendamm unter dem Beifallsgeschrei der ganzen diesem Schauspiel beiwohnenden Stadt sich umarmten, murmelte ein Mann, dessen Kopf halb von einem schwarzen Barte bedeckt war, indem er hinter einem Schilderhäuschen verborgen voll Rührung diese Szene betrachtete, die Worte:
»Sei glücklich, edles Herz; sei gesegnet für alles Gute, was Du getan hast, und noch tun wirst, und meine Dankbarkeit bleibe im Dunkeln, wie Deine Wohlthat.«
Und mit einem Lächeln, in welchem sich Freude und Glück ausprägen, verließ er den Ort, an dem er sich verborgen gehalten hatte, stieg, ohne daß Jemand auf ihn merkte, so sehr war Jedermann mit dem Ereignis des Tages beschäftigt, eine von den kleinen Treppen hinab, welche zum Landen benützt werden, und rief dreimal:
Jacopo! Jacopo! Jacopo!
Eine Schaluppe kam auf ihn zu, nahm ihn an Bord und führte ihn zu einer reich ausgerüsteten Yacht, auf deren Verdeck er mit der Leichtigkeit eines Seemannes sprang; von hier aus betrachtete er noch einmal Morrel, welcher vor Freude weinend herzliche Händedrücke an alle Welt austeilte und mit einem irrenden Blicke dem unsichtbaren Wohlthäter dankte, den er im Himmel zu suchen schien.
»Und nun,« sprach der Unbekannte, »fahret wohl, Güte, Menschlichkeit, Dankbarkeit . . . fahret wohl alle Gefühle, die das Herz ausdehnen! . . . Ich habe die Stelle der Vorsehung eingenommen, um die Guten zu belohnen . . . jetzt trete mir der rächende Gott seinen Platz ab, um die Bösen zu bestrafen!«
Nach diesen Worten machte er ein Signal, und die Yacht, als hätte sie nur auf dieses Signal gewartet, ging sogleich in See.
Achtes Kapitel.
Simbad der Seefahrer
Am Anfang des Jahres 1838 befanden sich in Florenz zwei junge Leute, welche der elegantesten Gesellschaft von Paris angehörten: der eine war der Vicomte Albert von Morcerf, der andere der Baron Franz d’Epinay. Es war unter ihnen verabredet worden, den Carneval desselben Jahres in Rom zuzubringen, wo Franz, der seit beinahe vier Jahren in Italien lebte, Albert als Cicerone dienen sollte. Da es nun aber keine geringfügige Angelegenheit ist, den Carneval in Rom zuzubringen, besonders wenn man nicht auf der Piazza del popolo oder auf dem Forum romanum schlafen will, so schrieben sie an Meister Pastrini, den Eigenthümer des Hotel de Londres auf dem spanischen Platze, und baten ihn, eine bequeme Wohnung für sie aufzubewahren. Meister Pastrini antwortete, er hätte nur noch zu ihrer Verfügung zwei Zimmer und ein Cabinet al secondo piano gelegen, und er böte ihnen diese Wohnung um den mäßigen Preise von einem Louisd’or für den Tag. Die zwei jungen Leute willigten ein. Albert wollte die Zeit, die er noch vor sich hatte, benutzen und reiste nach Neapel ab. Franz blieb in Florenz. Als er einige Zeit das Leben, welches die Stadt der Medici bietet, genossen hatte, als er sattsam in diesem Eden umherspaziert und bei den glanzliebenden Wirthen, genannt Corsini-Montfort oder Poniatowski empfangen worden war, kam es ihm in den Kopf, da er Corsica, die Wiege von Bonaparte bereite besucht hatte, auch die Insel Elba, diese große Station von Napoleon zu sehen.
Eines Abends also machte er eine Barchetta von dem eisernen Ringe los, an welchem sie in dem Hafen von Livorno befestigt war, legte sich in seinen Mantel gehüllt darin nieder, und sagte zu den Schiffern nur die Worte: »Nach der Insel Elba!« Die Barke verließ den Hafen, wie der Meervogel sein Nest verläßt, und landete am andern Tage in Porto-Ferrajo. Franz ging quer durch die kaiserliche Insel, nachdem er alle Spuren verfolgt, welche der Tritt des Riesen darauf zurückgelassen hatte, und schiffte sich in Marciana wieder ein. Zwei Stunden später stieg er in Pianosa, wo ihn, wie man ihn versicherte, zahllose Ketten von Rothühnern erwarteten, abermals an das Land. Die Jagd war schlecht, Franz schoß mit großer Mühe einige magere Rebhühner, und kehrte übler Laune, wie alle Jäger, welche sich vergebens abgemühet haben, in seine Barke zurück.
»Oh! wenn Euere Exzellenz wollten, sagte der Patron zu ihm, »könnte sie eine schöne Jagd machen.«
»Wie dies?«
»Sehen Sie jene Insel?« sprach der Patron den Finger gegen Süden ausstreckend und auf eine conische Masse deutend, welche in den schönsten Indigotinten mitten aus dem Meere aufstieg.
»Nun, was für eine Insel ist dies?« fragte Franz.
»Die Insel Maule Christo,« antwortete der Livornese.
»Ich habe keine Erlaubnis, dort zu jagen.«
»Eure Exzellenz bedarf dessen nicht; die Insel ist öde.«
»Ah! eine öde Insel im mittelländischen Meere, das ist bei Gott sonderbar!«
»Und ganz natürlich, Exzellenz. Diese Insel ist eine Felsenbank, und auf ihrer ganzen Ausdehnung findet sich vielleicht kein Morgen anbaufähiges Land.«
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