Александр Дюма

Die Fünf und Vierzig


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Karte?« fragte Loignac

      »Wie, Herr von Loignac,« rief dieser, »erkennt Ihr nicht den Sohn von einem Eurer Jugendfreunde, den Ihr zwanzigmal auf Euren Knieen geschaukelt habt?«

      »Nein.«

      »Pertinax von Montcrabeau,« versetzte der junge Mann erstaunt, »Ihr erkennt ihn nicht?«

      »Wenn ich im Dienste bin, erkenne ich Niemand, mein Herr. Eure Karte?«

      Der junge Mann mit dem Panzer reichte seine Karte.

      Pertinax von Montcrabeau, am 26. Oktober, auf den Schlag zwölf Uhr, Porte Saint-Antoine. Geht zu.«

      Der junge Mann ging vorüber und folgte etwas verblüfft über den Empfang Perducas nach, der ihn am Thor erwartete.

      Der dritte Gascogner näherte sich; es war der mit der Frau und den Kindern.

      »Eure Karte?«« fragte Loignac.

      Seine gehorsame Hand tauchte sogleich in eine kleine Waidtasche von Ziegenfell, weiche an seiner rechten Seite hing.

      Aber es war vergeblich: belästigt durch das Kind, das er auf dem Arme trug, konnte er das Papier nicht finden, das man von ihm forderte.

      »Was Teufels macht Ihr mit dem Kinde, mein Herr, Ihr seht wohl, daß es Euch hindert?«

      »Es ist mein Sohn, Herr von Loignac.«

      »Nun! so setzt Euren Sohn auf die Erde.«

      Der Gascogner gehorchte, das Kind fing an zu heulen.

      »Ihr seid also verheirathet? fragte Loignac.

      »Ja, Herr Officier.«

      »Mit zwanzig Jahren?«

      »Man heirathet jung bei uns, Ihr wißt es wohl, Herr von Loignac, Ihr, der Ihr mit achtzehn geheirathet habt.«

      »Gut,« sagte Loignac »das ist abermals einer, der mich kennt.«

      Die Frau hatte sich mittlerweile genähert, und die an ihrem Rocke hängenden Kinder waren ihr gefolgt.

      »Und warum sollte er nicht verheirathet sein?« fragte sie, indem sie sich aufrichtete und von ihrer sonngebräunten Stirne ihre schwarzen Haare strich, die der Staub des Weges wie einen Teig daran kleben machte, »ist es in Paris aus der Mode gekommen, zu heirathen? Ja, mein Herr, er ist verheirathet und hier sind noch zwei Kinder, die ihn Vater nennen.«

      »Ja, aber es sind nur die Söhne meiner Frau, Herr von Loignac, wie auch dieser große Junge, der hinten steht; tritt vor, Militor, und grüße Herrn von Loignac, unsern Landsmann.«

      Ein junger Mensch von sechzehn bis siebzehn Jahren, kräftig, lebhaft und durch sein rundes Auge, sowie durch seine Nase einem Falken ähnlich, näherte sich, die Hände in seinem Gürtel von Büffelleder; er war in eine gute Kasake von gestrickter Wolle gekleidet, trug auf seinen muskeligen Beinen eine Hose von Gemsleder und ein entstehender Schnurrbart beschattete seine zugleich freche und sinnliche Lippe.

      »Es ist Militor, mein Stiefsohn, Herr von Loignac, der älteste Sohn meiner Frau, die eine Chavantrade, eine Verwandte der Loignac Militor von Chavantrade, ist, Euch zu dienen. Verbeuge dich, Militor.«

      Dann sich zu dem Kinde bückend, das sich schreiend auf der Straße wälzte, fügte er bei, während er seine Karte in allen Taschen suchte:

      »Schweige, Scipion, schweige, Kleiner.«

      Um dem Befehle seines Vaters zu gehorchen verbeugte sich Militor während dieser Zeit leicht und ohne seine Hände aus dem Gürtel zu ziehen.

      »Um Gottes willen, mein Herr, Eure Karte,« rief Loignac ungeduldig.

      »Kommt und helft mir, Lardille,« sagte der Gascogner errötend zu seiner Frau.

      Lardille machte nacheinander die an ihrem Rocke angeklammerten Hände los und suchte selbst in dem Weidsack und in den Taschen ihres Mannes.

      »Wir müssen sie verloren haben,« sagte sie.

      »Dann lasse ich Euch verhaften,« versetzte Loignac.

      Der Gascogner wurde bleich und erwiderte:

      »Ich heiße Eustache von Miradoux und werde mich durch Herrn von Sainte-Maline, meinen Vetter, empfehlen.«

      »Ah! Ihr seid ein Verwandter von Sainte-Maline,« sagte Loignac, ein wenig besänftigt… »Freilich, wenn man sie hört, sind sie mit allen verwandt; so sucht noch einmal und sucht mit Erfolg!«

      »Lardille, seht in den Kleidern Eurer Kinder nach,« sprach Eustache, zitternd vor Ärger und Unruhe.

      Lardille kniete vor ein kleines Päckchen bescheidener Effekten nieder und drehte es murrend um.

      Der junge Scipion fuhr fort, sich heiser zu schreien, daß seine Brüder von der Mutter her, als sie sahen, daß man sich um nicht um sie bekümmerte, sich zu belustigen, ihm Sand in den Mund zu stopfen.

      Militor regte sich nicht; es war, als gingen die Erbärmlichkeiten des Familienlebens unter oder über diesen großen Burschen hin, ohne ihn zu berühren.

      »Ei!« rief plötzlich Herr von Loignac, »was sehe ich dort auf dem Ärmel dieses Schöpses in einem ledernen Umschlag?«

      »Ja, ja, das ist es,« rief Eustache triumphierend, »das ist ein Gedanke von Lardille; ich erinnere mich nun, sie hat die Karte Militor angenäht.«

      »Damit er doch etwas trage,« sagte Loignac spöttisch. »Pfui! das große Kalb, das nicht einmal mit den Armen schlenkert, aus Furcht, seine Arme zu tragen.«

      Militors Lippen erbleichten vor Zorn, während sein Gesicht auf der Nase, auf dem Kinn und auf der Stirn marmorartig rot wurde.

      »Ein Kalb hat keine Arme,« brummte er mit boshaften Augen, »es hat Klauen wie gewisse Leute von meiner Bekanntschaft.«

      »Friede!« sagte Eustache, »du siehst wohl, Militor, daß Herr von Loignac uns die Ehre erweist, mit uns zu scherzen.«

      »Nein, bei Gott! ich scherze nicht,« erwiderte Loignac, »dieser große Bursche soll im Gegenteil meine Worte so nehmen, wie ich sie sage. Wenn er mein Stiefsohn wäre, ließe ich ihn Mutter, Bruder, Gepäck tragen und würde selbst noch darauf steigen und ihm die Ohren verlängern, um ihm zu beweisen, daß er nur ein Esel ist.«

      Militor kam ganz aus der Fassung; Eustache wurde unruhig; aber unter dieser Unruhe trat eine gewisse Freude über die Demüthigung hervor, welche seinem Stiefsohn wiederfuhr.

      Um jede Schwierigkeit zu beseitigen und ihren Erstgeborenen von den Sarkasmen von Herrn von Loignac zu retten, überreichte Lardille dem Officier die von ihrer ledernen Umhüllung befreite Karte.

      Herr von Loignac nahm sie und las:

      »Eustache von Miradoux, am 26. Oktober, Schlag zwölf Uhr, Porte Saint-Antoine.«

      »Geht,« sagte er, »und seht, daß Ihr keine von Euern Meerkatzen, schön oder häßlich, verliert.«

      Eustache von Miradoux nahm den jungen Scipion wieder auf seine Arme; Lardille hing sich abermals an seinen Gürtel; die zwei Kinder klammerten sich wieder am Rock ihrer Mutter an; und diese Familientraube schloß sich, mit dem schweigsamen Militor, denjenigen an, die nach überstandener Prüfung warteten.

      »Die Pest!« murmelte Loignac zwischen den Zähnen, während er Eustache von Miradoux und den Seinigen mit den Augen folgte, »welchen Auswurf von Soldaten wird Herr von Épernon da haben.«

      Dann wandte er sich um und rief dem vierten zu:

      »Nun kommt Ihr dran!«

      Diese Worte waren an den vierten Bittsteller gerichtet.

      Er war allein und sehr steif, hielt den Daumen um den Mittelfinger zusammen, um seinem eisengrauen Wamms Schneller zu geben und den Staub zu vertreiben; sein Schnurrbart, der von Katzenhaaren gemacht zu sein schien, seine grünen, funkelnden Augen, seine Brauen, deren Bogen einen Halbkreis über zwei hervorspringenden Backenknochen bildete, seine dünnen Lippen endlich verliehen seinem Gesichte den Typus des Mißtrauens und karger Zurückhaltung, woran den Menschen erkennt, der eben so sorgfältig den Grund seiner Börse als den seines Herzens