arme königliche Kind, das mehr als einmal, ehe er starb, vergebens, wie es so eben gethan, Brod verlangen sollte!
An der Barrière hielt man abermals an, diesmal nicht um auszuruhen, sondern um die Ankunft zu feiern.
Diese Ankunft sollte durch Gesänge und Tänze gefeiert werden.
Ein seltsamer Halt, beinahe so bedrohlich in seiner Freude, als es die andern in ihrem Schrecken gewesen waren.
Die Poissarden stiegen in der That von ihren Pferden, das heißt, von den Pferden der Gardes du corps ab und banden an die Sattelbogen die Säbel und Carabiner. Die Damen und die Starken der Holle stiegen von ihren Kanonen ab, die nun in ihrer entsetzlichen Nacktheit erschienen.
Dann bildete man einen Reigen, der den Wagen des Königs umschloß und ihn von der Nationalgarde und den Deputirten trennte – ein furchtbares Emblem dessen, was später geschehen sollte!
Dieser Reigen, den sie in guter Absicht und um der königlichen Familie ihre Freude zu bezeigen, bildeten, sang, schrie, brüllte; die Weiber umarmten die Männer, die Männer ließen die Frauen springen, wie bei jenen cynischen Kirchmessen von Teniers.
Dies geschah beinahe bei Einbruch der Nacht, an einem düsteren, regnerischen Tage, so daß der Reigen, nur durch die Lunten der Kanonen und einige Stöcke Feuerwerk beleuchtet, in seinen Nuancen von Licht und Schatten phantastische, beinahe höllische Tinten annahm.
Nach einer halben Stunde des Schreiens, Singens, Tobens, Tanzens im Kothe, ließ das Gefolge ein ungeheures Hurrah erschallen: Alles, was eine geladene Flinte hatte, Männer, Weiber und Kinder, schoß in die Luft, ohne sich um die Kugeln zu bekümmern, welche nach einem Augenblick wie schwere Schlossen platschend in die Wasserlachen fielen.
Der Dauphin und seine Schwester weinte».
Sie hatten so sehr Angst, daß sie ihren Hunger darüber vergaßen.
Man folgte der Linie der Quais und kam zu dem Platze des Stadthauses.
Hier hatte das Militär ein Carre gebildet, um keinen andern Wagen, als den des Königs, keine andere Person, als die, weiche zur königlichen Familie oder zur Nationalversammlung gehörten, zum Stadthause zuzulassen.
Die Königin erblickte nun Weber, ihren vertrauten Kammerdiener, ihren Milchbruder, der ihr von Wien gefolgt war; er strengte sich gewaltig an, um das Verbot zu übertreten und in das Stadthaus einzudringen.
Sie rief ihn.
Weber eilte herbei.
Als er in Versailles sah, daß sich die Nationalgarde die Ehre des Tages erfreute, hatte sich Weber, um sich einiges Ansehen zu geben, mit dessen Hilfe er der Königin nützlich sein könnte, als Nationalgardist gekleidet und seiner Uniform die Decoration eines Officiers vom Generalstab beigefügt.
Der Stallmeister der Königin hatte ihm ein Pferd geliehen.
Um keinen Verdacht zu erregen, hatte er sich den ganzen Weg entlang bei Seite gehalten, wohlverstanden mit der Absicht, sich der Königin zu nähern, sollte sie seiner bedürfen.
Von der Königin erkannt und gerufen, eilte er also herbei.
»Warum versuchst Du es, das Verbot zu übertreten?« fragte ihn die Königin, welche die Gewohnheit, ihn zu duzen, beibehalten hatte.
»Um Eurer Majestät nützlich zu sein.«
»Du wirst mir im Stadthause sehr unnütz sein, während Du mir anderswo nützlich sein kannst.«
»Wo dies, Majestät?«
»In den Tuilerien, mein lieber Weber, in den Tuilerien, wo uns Niemand erwartet, und wo wir, wenn Du uns nicht vorangehst, weder ein Bett, noch ein Zimmer, noch ein Stück Brod finden werden.«
»Ah!« sagte der König, »das ist ein vortrefflicher Gedanke, der Gedanke, den Sie da haben, Madame.«
Die Königin hatte deutsch gesprochen, und der König, der das Deutsche verstand, aber nicht sprach, hatte englisch geantwortet.
Das Volk hatte auch gehört, aber nicht verstanden. Diese fremde Sprache, gegen welche es einen instinctartigen Haß hegte, machte, daß es um den Wagen her ein Gemurre vernehmen ließ, welches in ein Brüllen überzugehen drohte, als sich das Carré vor dem Wagen der Königin öffnete und hinter demselben schloß.
Bailly, eine von den Popularitäten jener Zeit, Bailly, den wir schon bei der ersten Fahrt des Königs haben erscheinen sehen, – damals, wo die Bajonnete der Flinten und die Mündungen der Kanonen unter Blumensträußen verschwanden, die bei der zweiten Fahrt vergessen wurden, – Bailly erwartete den König und die Königin am Fuße eines für den Empfang improvisirten Thrones: ein schlecht befestigter, schlecht zusammengefügter, unter dem Samme, der ihn bedeckte, krachender Thron, ein wahrer Gelegenheitsthron!
Der Maire von Paris sagte ungefähr zum König bei dieser zweiten Erscheinung, was er bei der ersten gesagt hatte.
Der König antwortete;
»Ich komme immer mit Vergnügen und Vertrauen in die Mitte der Einwohner meiner guten Stadt Paris.«
Der König hatte leise, mit einer durch den Hunger und die Müdigkeit erloschenen Stimme, gesprochen.
Bailly wiederholte den Satz ganz laut, damit ihn Jeder hörte.
Nur vergaß er, geschah es absichtlich oder unwillkürlich, die zwei Worte: und Vertrauen.
Die Königin bemerkte es.
Ihre Bitterkeit war glücklich, eine Stelle zu finden, um durchzubrechen.
»Verzeihen Sie, Herr Maire,« sagte sie laut genug, daß diejenigen, welche sie umgaben, keines von ihren Worten verloren, »Sie hörten schlecht, oder sie haben ein kurzes Gedächtniß.«
»Wie beliebt, Madame?« stammelte Ballly, indem er gegen die Königin das Astronomenauge wandte, das, so gut am Himmel und so schlecht auf der Erde sah.
Jede Revolution hat bei uns ihren Astronomen und gräbt auf dem Wege dieses Astronomen verrätherischer Weise die Grube, in die er fallen soll.6
Die Königin erwiederte:
»Mein Herr, der König hat gesagt, er komme immer mit Vergnügen und Vertrauen in die Mitte der Einwohner seiner guten Stadt Parts; da man aber bezweifeln kann, ob er mit Vergnügen hierher kommt, so soll man wenigstens erfahren, daß er mit Vertrauen kommt.«
Dann stieg sie die drei Stufen des Thrones hinauf und setzte sich neben den König, um die Reden der Wähler zu hören.
Weber, vor dessen Pferde sich die Menge, vermöge seiner Uniform eines Officiers vom Generalstab öffnete, eilte in den Palast der Tuilerien.
Seit langer Zeit war dieses königliche Logis der Tuilerien, wie man es früher nannte, – ein Logis erbaut von Catharina von Medicis, einen Augenblick von ihr bewohnt, dann aufgegeben und mit dem Louvre vertauscht von Karl IX., von Heinrich III., von Heinrich IV»von Ludwig XIII., später mit Versailles vertauscht von Ludwig XIV, von Ludwig XV. und von Ludwig XVI, – nur ein Aushilfsgebäude der königlichen Paläste, wo Leute von Hofe wohnten, in das aber der König und die Königin vielleicht nie einen Fuß gesetzt hatten.
Weber untersuchte die Appartements, und da er die Gewohnheiten des Königs und der Königin kannte, so wählte er dasjenige, welches die Gräfin von der Mark bewohnte, um, das der Herren Marschälle von Noailles und von Mouchy.
Die Besitznahme des Appartement, welches die Gräfin von der Mark sogleich verließ, hatte ihre gute Seite: es war ganz bereit, um die Königin mit ihren Meubles, mit ihrer Wäsche, ihren Vorhängen und ihren Teppichen, welche Weber kaufte, zu empfangen.
Gegen zehn Uhr hörte man das Geräusch des Wagens Ihrer Majestäten, welche zurückkehrten.
Alles war bereit, und seinen erhabenen Gebietern entgegenlaufend, rief Weber:
»Bedient den König!«
Der König, die Königin, Madame Royale, der Dauphin, Madame Elisabeth und Andrée traten ein.
Herr von Provence war in