Александр Дюма

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4


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Haß und eine tiefe Verachtung gestellt: Haß der Geistlichkeit gegen den Advocaten, der es gewagt hatte, gegen den Bischof von Arras zu plaidiren; Verachtung der Adeligen des Artois gegen den durch die Wohlthätigkeit erzogenen Robin.11«

      »Aber was hat er denn bis heute gethan?« unterbrach Gilbert.

      »Oh mein Gott! beinahe nichts für die Andern, aber ziemlich viel für mich. Entspräche es nicht meinen Plänen und Absichten, daß dieser Mensch arm ist, so gäbe ich ihm morgen eine Million.«

      »Ich frage Sie noch einmal: was hat er gethan?«

      »Erinnern Sie sich des Tages, wo die Geistlichkeit heuchlerischer Weise in der Versammlung den durch das königliche Veto unschlüssigen dritten Stand bat, seine Arbeiten zu beginnen?«

      »Ja.«

      »Nun wohl, durchlesen Sie noch einmal die Rede, welche an diesem Tage der kleine Advocat von Arras hielt, und Sie werden sehen, ob nicht eine ganze Zukunft in dieser herben Heftigkeit liegt, die ihn beinahe beredt machte.«

      »Doch seitdem?«

      »Seitdem?  . . .Oh! das ist wahr. Wir sind genöthigt, vom Monat Mai auf den Monat October überzuspringen. Als am 5. Maillard, der Abgeordnete der Pariser Weiber, im Namen seiner Clientinnen die Nationalversammlung haranguirte, nun, da blieben alle Mitglieder dieser Versammlung stumm und unbeweglich; dieser kleine Advocat aber zeigte sich nicht allein herb, er zeigte sich vermessener, als Einer. Alle angebliche Vertheidiger des Volks schwiegen, er erhob sich zweimal; das erste Mal unter dem Lärmen, das zweite Mal unter dem Stillschweigen. Er unterstützte Maillard, der im Namen der Hungersnoth sprach und Brod verlangte.«

      »Ja, in der That,« sagte Gilbert nachdenkend, »das wird ernster; doch vielleicht wird er sich ändern.«

      »Oh! mein lieber Doctor, Sie kennen nicht den Unbestechlichen, wie man ihn eines Tages nennen wird: wer würde übrigens den kleinen Advocaten, über den Jedermann lacht, erkaufen wollen? Dieser Mensch, welcher später, – hören Sie wohl, was ich Ihnen sage, Gilbert, – welcher später der Schrecken der Versammlung sein wird, ist heute die Zielscheibe des Spottes. Die adeligen Jacobiner sind übereingekommen, Herr von Robespierre sei der lächerlichste Mensch der Nationalversammlung, derjenige, welcher alle Welt belustige und belustigen müsse, derjenige, über welchen Jeder spotten könne und spotten müsse. Die großen Versammlungen langweilen sich manchmal, es muß wohl ein Gimpel da sein, der sie erheitert. In den Augen der Lameth, der Cazalès, der Maury, der Barnave, der Duport ist Herr von Robespierre ein Gimpel. Seine Freunde verrathen ihn, indem sie ganz leise lächeln, seine Feinde zischen ihn auf und lachen ganz laut; wenn er spricht, spricht alle Welt; wenn er die Stimme erhebt, schreit Jeder; hat er, – immer zu Gunsten des Rechts, immer um irgend ein Princip zu vertheidigen, – eine Rede gehalten, die Niemand angehört, so verlangt irgend ein unbekanntes Mitglied, auf das der Redner einen Moment seinen Blick heftet, ironisch den Druck der Rede. Ein Einziger von seinen Collegen begreift ihn; ein Einziger errathen Sie, welcher? Mirabeau. »»Dieser Mensch wird weit gehen,«« sagte er mir vorgestern, »»denn dieser Mensch glaubt, was er spricht.«« Was, wie Sie sich denken können, Mirabeau seltsam scheint.«

      »Ich habe die Rede dieses Mannes gelesen und sie mittelmäßig, flach gefunden,« entgegnete Gilbert.

      »Ei! mein Gott, ich sage Ihnen nicht, es sei ein Demosthenes oder ein Cicero, ein Mirabeau oder ein Barnave; ei! nein, es ist ganz einfach Herr von Robespierre, wie man ihn geflissentlich nennt. Uebrigens behandelt man seine Reden eben so rücksichtslos in der Druckerei, wie auf der Tribune: auf der Tribune unterbricht man sie; in der Druckerei verstümmelt man sie. Die Journalisten nennen ihn nicht einmal Herr von Robespierre; nein, die Journalisten wissen seinen Namen nicht. Sie nennen ihn Herr B  . . ., Herr N  . . .oder Herr *** Oh! Gott allein und ich vielleicht wissen, was sich an Galle in dieser magern Brust, an Stürmen in diesem engen Gehirne anhäuft; denn um alle diese Beleidigungen, alle diese Schmähungen, alle diese Verrathe zu vergessen, hat der ausgezischte Redner, der seine Stärke fühlt, weder die Zerstreuung der Familie, noch die Erleichterung der Welt. In seiner traurigen Wohnung im traurigen Marais, in seinem kalten, dürftigen, jedes Hausraths entbehrenden Zimmer in der Rue Saintonge, wo er ganz klein von seinem Gehalte als Abgeordneter lebt, ist er allein wie in den feuchten Höfen von Louis-le-Grand. Bis zum vorigen Jahre ist sein Gesicht noch jung und sanft gewesen: sehen Sie, seit einem Jahre ist es vertrocknet, wie die Köpfe der Caraiben-Häuptlinge vertrocknen, welche von Oceanien die Cook und die la Pérouse zurückbringen; er verläßt die Jacobiner nicht, und bei den für Alle unsichtbaren Aufregungen, die er erleidet, bekommt er Blutflüsse, welche ihn schon mehrere Male ohne Bewußtsein gelassen haben. Sie sind ein großer Algebrist, Gilbert, nun, ich fordere Sie heraus, durch die übertriebensten Multiplicationen das Blut zu berechnen, welches diesem Adel, der ihn beschimpft, diesen Priestern, die ihn verfolgen, diesem König, der nichts von ihm weiß, das Blut, das Robespierre verliert, kosten wird.«

      »Warum kommt er aber in den Club der Jacobiner?«

      »Oh! weil man ihn, der in der Nationalversammlung ausgezischt wird, bei den Jacobinern anhört. Die Jacobiner, mein lieber Doctor, das ist der Minotaurus als Kind; er saugt an einer Kuh, später wird er ein Volk verschlingen. Nun wohl, von den Jacobinern ist Robespierre der Typus. Die Gesellschaft faßt sich in ihm zusammen, und er ist der Ausdruck der Gesellschaft: nichts mehr, nichts weniger; er geht denselben Schritt wie sie, ohne ihr zu folgen, ohne ihr vorzugehen. Nicht wahr, ich habe Ihnen versprochen, Sie ein kleines Instrument sehen zu lassen, mit dem man sich gegenwärtig beschäftigt, und das zum Zwecke hat, einen Kopf, vielleicht zwei in der Minute fallen zu machen? wohl, von allen hier anwesenden Personen ist diejenige, welche diesem Tödtungsinstrumente am meisten Arbeit geben wird, der kleine Acvocat von Arras, Herr von Robespierre.«

      »Wahrhaftig, Graf, Sie sind fürchterlich,« sagte Gilbert, »und wenn mich Ihr Cäsar nicht ein wenig für Ihren Brutus tröstet, so bin ich im Stande, die Ursache zu vergessen, aus der ich hierher gekommen  . . .Doch verzeihen Sie, was ist aus Cäsar geworden?«

      »Sehen Sie ihn dort? Er plaudert mit einem Manne, den er noch nicht kennt, währender später einen großen Einfluß auf sein Geschick haben wird. Dieser Mann heißt Barras: behalten Sie seinen Namen und erinnern Sie sich desselben bei Gelegenheit.«

      »Ich weiß nicht, ob Sie sich täuschen, Graf,« versetzte Gilbert, »aber in jedem Falle wählen Sie Ihre Typen sehr gut. Ihr Cäsar hat eine wahre Stirne, um die Krone zu tragen, und seine Augen, deren Ausdruck ich nicht erfassen kann  . . .«

      »Ja, weil sie inwendig schauen; das sind die Augen, welche die Zukunft errathen, Doctor.«

      »Und was sagt er zu Barras?«

      »Er sagt ihm, wenn er die Bastille vertheidigt hätte, so würde man sie nicht genommen haben.«

      »Das ist also kein Patriot?«

      »Die Männer wie er wollen nichts sein, bevor sie Alles sind.«

      »Sie behaupten also den Scherz in Betreff des kleinen Unterlieutenants?«

      »Gilbert,« sprach Cagliostro, indem er die Hand gegen Robespierre ausstreckte, »so wahr als Dieser das Schaffot von Karl l wieder errichten wird, so wahr wird Jener,« – und er streckte die Hand gegen den Corsen mit den glatten Haaren aus, – »so wahr wird Jener den Thron von Karl dem Großen wieder aufbauen.«

      »Also ist unser Kampf für die Freiheit unnütz?«

      »Wer sagt Ihnen, der Eine werde nicht eben so viel für sie mit seinem Throne thun, als der Andere mit seinem Schaffot?«

      »Das wird also ein Titus, ein Marc Aurel, es wird der Gott sein, der die Welt für das eherne Zeitalter tröstet?«

      »Das wird zugleich Alexander und Hannibal sein. Mitten im Kriege geboren, wird er durch den Krieg groß werden und durch den Krieg fallen. Ich habe Sie aufgefordert, das Blut zu berechnen, welches dem Adel und der Geistlichkeit, das Blut, das Robespierre verliert, kosten werde; nehmen Sie das Blut, das Priester und Adelige verloren haben werden, häufen Sie Multiplicationen auf Multiplicationen, und Sie werden den Fluß, den See, das Meer von Blut nicht erreichen, das dieser Mann mit seinen Heeren von fünfmal hunderttausend Soldaten und seinen dreitägigen