Александр Дюма

Die Holländerin


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      Die Holländerin

      Erster Band

      Der Held des gegenwärtigen Romans ist »die Holländerin« ist derselbe, den uns der Verfasser in seinem vorangegangenen Werke, »Die beiden Selbstmörder« oder »Vier Frauenabenteuer«, in so reizenden Situationen vorführt. Die in jenem äußerst spannend vorbereitete Katastrophe entwickelt sich in dem Vorliegenden Werke und dürfte das Erscheinen desselben den Freunden der Dumas’schen Muse willkommen sein.

Der Übersetzter.

      I

      Im Hofe der Posthalterei zu Sesto-Calende stand ein Postwagen zur Abfahrt bereit. Mit lauter Stimme, eine Liste, in der Hand haltend, las der Conducteur die Namen der Reisenden, welche er befördern sollte. Als der Name »Herr Van-Dick« gerufen wurde, stieg ein Mann von auffallender Leibestärke in den Coupé, der noch leer war, und nahm, sich gemächlich ausbreitend, Platz darin. Schon fand der Postmann im Begriffe, die Thür des Wagens zu schließen, als ein junger Mann eilig aus dem Bureau trat und ihm eine Karte überreichte . . . Die Thür des Coupés, worin der dicke Herr saß, ward wieder geöffnet und der Zuletztgekommene nahm an der Seite des Wohlbeleibten Platz.

      Nachdem alle Reisende in dem Wagen ihre Plätze genommen, trat der Conducteur an den Coupé, in welchem Herr Van-Dick und der junge Mann allein saßen.

      – Hier fehlt noch Jemand, sprach er; es sind drei Plätze bezahlt und ich sehe nur zwei Personen.

      – Ganz recht, antwortete der dicke Herr, ich habe zwei Plätze gemiethet!

      – So erwarten Sie wohl noch Jemanden?

      – Nein, ich habe es gethan, um bequemer sitzen zu können.

      Der Conducteur lächelte, schloß die Thür des Wagens und bestieg einen Platz.

      Der dicke Herr sah den jungen Mann an und sprach:

      – Auf diese Weise wird einer dem andern nicht zur Last fallen.

      – Es ist wahr, mein Herr! antwortete dieser. Es ist ein Luxus, den ich um so mehr bewundere, als ich davon profitiere. – Um so begreiflicher wird er Ihnen erscheinen. Denken Sie sich einmal, wenn drei solcher Reisende, wie ich bin, in diesem Coupé säßen, würde man nicht den einen erdrücken und den andern auf die Landstraße werfen müssen, um frei athmen zu können?

      – Wenn man sich ein wenig einrichtet, entgegnete der junge Mann mit einer treuherzigen Miene, würde man wohl nicht nöthig haben, solche schmerzhaften Expeditionen auszuführen.

      Herr Van-Dick lächelte, wie ein reicher Mann lächelt, wenn er sagen will: »ich habe das Recht, so zu handeln, wie ich handele.« Dann fuhr er fort:

      – Es ist übrigens auch meine Gewohnheit, wenn ich reise, daß ich mir stets zwei Plätze kaufe. Einmal bin ich jedoch dabei angeführt.

      – Wie ist das gekommen?

      – Ganz einfach. Ich hatte nämlich zu jener Zeit einen Menschen in meinen Diensten, der über alle Begriffe dumm war. »Peter, spreche ich zu ihm, geh’ und bestelle mir zwei Plätze auf der Diligence, ich habe eine dringende Reise zu machen.«

      – Wie, zwei Plätze? antwortet er mir.

      – Ja, zwei Plätze!

      – Peter kommt zurück und giebt mir ein Billet, wonach mir zwei Plätze reserviert sind. Wie immer, waren auch diese beiden Plätze für mich allein bestimmt. Ich komme also auf der Post an, steige in den Wagen und mache es mir bequem, wie Sie es vorhin von mir gesehen haben: da steigen plötzlich noch zwei wohlgenährte Personen ein und setzen sich neben mich. Ich rufe den Conducteur und spreche zu ihm:

      – Hier waltet ein Irrthum ob!

      – Wie so? fragt er.

      – Weil ich zwei Plätze bezahlt habe. Sind nicht auf den Namen Van-Dick zwei Plätze eingetragen?

      – Ganz recht

      – Nun, so hat der eine dieser Herrn nicht das Recht, hier zu bleiben.

      – Der Conducteur sieht abermals in seine Liste, dann spricht er:

      – Sie irren sich, mein Herr, nicht ich; es sind zwei Plätze für sie reserviert, aber einer davon befindet sich im Coupé, der andere im Cabriolet!

      – Demnach war ich gezwungen, in einer höchst bedrängten Lage die Reise bis Brüssel zu machen.

      – Sind sie ein Oesterreicher?

      – Nein, mein Herr, ich bin ein Holländer!

      – Wie, rief der junge Mann in einem Tone, dem deutlich anzuhören war, daß er sich über einen dicken Nachbar ein wenig lustig machte, Sie sind ein Holländer? Holland soll ein schönes Land sein!

      – Ein schönes und reiches Land!

      – Sie scheinen. Ihr Vaterland zu lieben?

      – Man liebt stets das Land, in welchem man geboren ist, wo man nach seinen Gewohnheiten lebt, seine Familie hat und sein Vermögen erworben.

      Der junge Mann sank in die Ecke des Wagens zurück und flüsterte leise: »der Mann ist sehr glücklich!« Ein tiefer Seufzer folgte dieser Aeußerung und hätte Herr Van-Dick nicht ein Zeitungsblatt aus der Tasche gezogen und sich zum Lesen angeschickt, so würde er wahrgenommen haben, daß sein Nachbar sich in ein tiefes Nachdenken verlor.

      Bei dem Anblicke des Glückes drückt die Last des Unglückes doppelt schwer. Dies empfand in diesem Augenblicke unser junge Reisende, der ohne Vaterland, ohne Familie und ohne Vermögen einem ungewissen Ziele entgegenging, oder richtiger gesagt, ohne Ziel reifte. Tristan war zuletzt Tenorist am Theater zu Mailand gewesen, und noch vor kurzer Zeit hätte er den reichen, gemüthlichen Holländer nicht beneidet, da er sich alles dessen zu erfreuen gehabt, was das Leben angenehm macht; doch in diesem Augenblicke, von den Frauen betrogen und durch sie feiner Stellung beraubt, schien ihm das Loos seines Reisegefährten sehr beneidenswerth, der mit großer Zufriedenheit eine Dose öffnete, eine Prise wohlriechenden Tabaks schnupfte und ruhig das Zeitungsblatt entfaltete. Aus dem geöffneten Journale fiel ein Brief zur Erde, ohne daß es Herr Van-Dick merkte.

      Tristan hob ihn auf und überreichte ihn seinem Besitzer.

      – Sie verlieren dieses Papier, mein Herr.

      – Danke, danke! sprach der Holländer und lächelte, indem er die Aufschrift ansah.

      – Er ist von meiner Frau. Tristan machte mit dem Kopfe und den Blicken eine Bewegung, die eben so gut sagte: »Ah, Sie sind verheirathet, ich mache Ihnen mein Kompliment;« als auch: »Was Sie mir da sagen, ist mir sehr gleichgültig!«

      – Sind Sie verheirathet? fragte der Holländer.

      – Nein, mein Herr! Ich kann mit Recht sagen, daß ich nicht verheirathet bin, dachte Tristan, da ich nicht einmal weiß, wo meine Frau ist.

      – Das ist schlimm, sehr schlimm! entgegnete Herr Van-Dick,

      – Je nachdem!

      – Es ist immer schlimm!

      – Wenn aber die Frau schlecht ist?

      – Die Frau ist immer gut.

      – Diese Annahme ist sehr kühn.

      – Sie ist nur wahr, mein Herr. Ich gestehe es zu, daß keine Frau gut geboren wird, aber sie wird es später.

      – Durch die Sorgfalt, welche man ihr widmet?

      – Selten.

      – Durch die Liebe, die man zu ihr hegt?

      – Mitunter.

      – Wohl gar durch Gleichgültigkeit?

      – Ganz recht, mein Herr, ganz recht! Widmet man einer Frau viel Sorgfalt, so wird sie sich stets schwach und leidend geben; betet man sie an, so giebt sie sich nach Maßgabe der Liebe als ein Tyrann, und als ein Opfer, wenn man sie nicht mehr wie früher liebt; weiß aber die Frau, weder daß man sie liebt, noch daß man sie nicht liebt, sieht sie, daß man sie ohne Enthusiasmus und ohne Verachtung behandelt, spricht man nur zu ihr: »Ich frühstücke um elf Uhr und esse um 6 Uhr zu Mittag«, redet nie von Geschäften mit ihr, legt ihr nie Rechenschaft von feinen Handlungen ab und sieht sie nur bei Tische: dann können Sie sich versichert halten, mein Herr, daß die Frau eine Sclavin