wären – in seiner Eigenschaft als französischer Officier konnte er für sich allein und nach Gutdünken unterhandeln – sondern damit er die Capitulation der anderen Festungen billige und den Tractat mit unterzeichne, weil seine Unterschrift mit Grund als eine Bürgschaft mehr für dir Ausführung der Verträge zu betrachten war, denn er war ganz einfach ein Feind, während die Anderen Rebellen waren.
Man antwortete demgemäß dem Cardinal, er habe sich an die ablehnende Antwort der Patrioten von San Martino nicht zu kehren und die von ihm angebotene Amnestie sei angenommen.
Man ersuchte ihm demgemäß den Tag und die Stunde zu bestimmen, wo die Anführer der beiden Parteien zusammenkommen könnten, um die Grundlinien der Capitulation zu entwerfen.
Während dieses selben Tages, am 19. Juni, ereignete sich jedoch etwas, was sich schon längst hatte erwarten lassen.
Die Calabresen, die Lazzaroni, die Bauern, die Sträflinge und alle jene Raub- und Blutmenschen, welche Sciarpa, Mammone, Fra Diavolo, Panedigrano und anderen Banditen desselben Schlages folgten, um nach Herzenslust plündern und morden zu können, alle diese Menschen, mit einem Worte, beschlossen, als sie die Proclamation des Cardinals sahen, welche den Metzeleien und dem Sengen und Brenners ein Ziel setzte, diesem Befehl nicht zu gehorchen; sondern weiter zu plündern und zu morden.
Der Cardinal schauderte, als er fühlte, wie die Waffe, womit er bis jetzt gesiegt, seinen Händen entsank.
Er gab Befehl, den Gefangenen, welche man in die Gefängnisse bringen wolle, dieselben nicht mehr zu öffnen. Er verstärkte die russischen, türkischen und schweizerischen Corps, welche sich in der Stadt befanden, denn dieselben waren die einzigen, auf die er zählen konnte.
Nun begannen das Volk oder vielmehr die Mörder- und Räuberbanden, welche die Stadt ins Flammen setzten und mit Blut überschwemmtem als sie sahen, daß die Gefängnisse vor den Gefangenen, welche sie dahin brachten, geschlossen blieben, sie ohne Richterspruch zu erschießen und aufzuknüpfen.
Die weniger Grausamen führten die ihrigen zu dem königlichen Commandanten in Ischia, hier aber fanden die Patrioten Speciale, welcher sich begnügte, Todesurtheile über sie zu fällen, ohne sie erst zu verhören, wenn er es nämlich nicht vorzog, sie, um schneller mit ihnen fertig zu werden, ohne Richterspruch in’s Meer werfen zu lassen.
Von der Höhe von San Martino, von der Höhe des Castello d’Uovo und von der Höhe des Erster Nuovo sahen die Patrioten mit Entsetzen und mit Wuth Alles, was in der Stadt, in dem Hafen und auf dem Meere vorging.
Empört über dieses Schauspiel standen die Patrioten schon im Begriff, wieder zu den Waffen zu greifen, als der Oberst Mejean, wüthend darüber, daß er weder mit dem Directorium noch mit dem Cardinal Ruffo unterhandeln gekannt, den Republikanern sagen ließ, er habe im Castell San Elmo fünf oder sechs Geißeln, die er ihnen ausliefern würde, wenn die Metzeleien nicht aufhörten.
Unter der-Zahl dieser Geißeln befand sich ein Cousin des Chevalier Micheroux, Lieutenant des Königs, und ein dritter Bruder des Cardinals.
Man setzte Seine Eminenz von dem Stande der Dinge in Kenntniß.
Wenn die Metzeleien fortdauerten, so sollten eben so viel Geißeln, als man Patrioten gemordet hätte, von den Mauern des Castells San Elmo herabgestürzt werden.
Die gegenseitigen Meldungen wurden immer schlimmer und führten natürlich beide Parteien zu einem Vertilgungskriege. Es stand in keiner Weise zu bezweifeln, daß muthige und verzweifelte Männer die von ihnen angedrohten Repressalien auch wirklich in Ausführung bringen würden.
Der Cardinal begriff, daß kein Augenblick zu verlieren sei.
Er rief alle Anführer sämtlicher unter seinem Commando stehenden Corps zusammen und bat sie, ihre Soldaten unter der strengsten Disciplin zu halten, indem er ihnen zugleich, wenn ihnen dies gelänge, die glänzendsten Belohnungen in Aussicht stellte.
Man formierte nun Patrouillen, die blos aus Unterofficieren bestanden. Die Patrouillen durchzogen die Straßen nach allen Richtungen, und durch Drohungen, Versprechungen und freigebige Geldspenden brachte man es endlich dahin, daß die Flammen erloschen und das Blut aufhörte zu fließen. Neapel athmete auf.
Es bedurfte aber nicht weniger als zweier Tage, um zu diesem Resultat zu gelangen.
Am 21. Junis beschlossen die Patrioten von San Martino und der beiden Castelle, den Waffenstillstand und die Ruhe, welche nach so vielen Anstrengungen die Folge desselben war, zu thun, was die Alten thaten, wenn sie zum Tode verurtheilt waren. Sie beschlossen das sogenannte freie Mahl zu halten.
Nur Cesare fehlte, um die furchtbaren Worte: Morituri te salutant! entgegenzunehmen.
Es war ein trauriges Fest, bei welchem jeder sein eigenes Leichenbegängniß zu feiern schien, etwas Aehnliches wie jenes letzte Gastmahl der Senatoren von Capua, an dessen Ende mitten unter verwelkten Blumen und beim Tone verhallender Musik man den Giftbecher kreisen ließ, aus welchem achtzig Gäste den Tod tranken.
Der Platz, welchen man dazu wählte, war der vor dem Nationalpalast, heutzutage Platz des Plebiscit.
Damals war er bei weitem nicht so umfangreich, als er gegenwärtig ist.
Der ganzen Länge der Tafel nach wurden Masten ausgepflanzt. Auf jedem derselben flatterte eine weiße Flagge, auf der mit schwarzen Buchstaben die Worte geschrieben standen:
»Freiheit oder Tod!«
Unter dieser Flagge und in der Mitte eines jeden Mastes befand sich eine Gruppe von drei Fahnen, deren unterste Enden die Stirne der Gäste streiften.
Die eine dieser Fahnen war dreifarbig. Es war die Fahne der Freiheit.
Die andere war roth. Sie war das Symbol des Blutes, welches vergossen worden, und dessen, welches noch vergossen werden sollte.
Die- dritte war schwarz. Sie war das Emblem der Trauer, welche das Vaterland einhüllen würde, wenn die einen Augenblick verscheuchte Tyrannei wieder darüber herrschte.
In der Mitte des Platzes, am Fuße des Freiheitsbaumes erhob sich der Altar des Vaterlandes.
Man begann damit, daß man hier die Todtenmesse zu Ehren der für die Freiheit gefallenen Märtyrer hielt.
Der Bischof della Torre, Mitglied des gesetzgebenden Körpers, hielt die Leichenrede.
Dann setzte man sich zu Tische.
Das Mahl war düster, traurig, fast stumm.
Nur dreimal ward es durch einen doppelten Toast auf die Freiheit und den Tod unterbrochen – diese beiden großen Gottheiten, welche von den unterdrückten Völkern angerufen werden.
Von ihren Vorposten aus konnten die Sanfedisten dieses letzte Gastmahl mit ansehen, aber sie verstanden die erhabene Trauer desselben nicht.
Nur der Cardinal berechnete, welche verzweifelten Anstrengungen Menschen fähig sind, welcher sich mit dieser erhabenen Ruhe auf den Tod vorbereiten, und er ward, mochte nun Furcht oder Bewunderung die Ursache sein, in seinem Entschluß, mit ihnen zu unterhandeln, dadurch nur um desto mehr bestärkt.
Zweites Capitel.
Die Capitulation
Am19. Juni waren, wie wir bereits gesagt, die Präliminarien der Capitulation zu Papier gebracht worden.
Während des 20. hatte man mitten unter einer Emeute, welche die Stadt mit Blut überschwemmte und zuweilen, einen zufriedenstellenden Ausgang der Unterhandlungen als geradezu unmöglich erscheinen ließ, darüber verhandelt.
Am 2l. Mittags war die Emeute beschwichtigt und um vier Uhr Nachmittags hatte das freie Gastmahl stattgefunden.
Endlich am 22. Morgens kam der Oberst Mejean, von der royalistischen Cavallerie escortirt, von dem Castell San Elmo herab, um sich mit dem Directorium zu besprechen.
Salvato sah alle diese Vorbereitungen zum Frieden mit großer Freude.
Die Plünderung von Luisas Hause, das allgemein verbreitete Gerücht, daß sie die Backer denunziert und dass diese Denunciation die Ursache des Todes derselben gewesen, flößten ihm für die Sicherheit der Geliebten die lebhaftesten